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"Wenn ich jetzt um die Eule bitten dürfte!", wandte Harry sich von Draco ab, welcher immer noch mit undefinierbarer Mine direkt vor ihm stand wohl am überlegen war, was er als nächstes sagen sollte. "Selbstverständlich!", sagte Narcissa, stand von ihrem Sessel auf und wies Harry, ihr zu folgen. Als sie hinter Harry die Salontür schloss und Draco so allein lies, wandte sie sich an den Aurorenanwärter. "Mr Potter, ich möchte mich für das Benehmen meines Sohnes entschuldigen. Ich weiß, dass er sich ihnen gegenüber nicht immer von seiner - sagen wir Schokoladenseite - gezeigt hat und dadurch die Schulzeit für sie und vor allem Miss Granger nicht sehr angenehm war. Aber im Grunde seines Herzens ist er eigentlich ein lieber Junge, der von seinem Vater in ein Leben gepresst wurde, welches ihm nicht gut tat. Und ich habe untätig dabei zugesehen, wie ein Sohn sich zum Negativen entwickelt hat." Der Adelsfrau entfleuchte ein Schluchzen. Nervös begann sie ihre Hände zu kneten. "Dass gerade Sie beide sich dann so für uns einsetzen ist nicht gerade selbstverständlich. Ich danke Ihnen sehr dafür. Vor allem Miss Granger, ohne deren Hilfe ich meinen Sohn noch länger in der Obhut des Zaubergamot hätte lassen müssen, wenn sie nicht mit einem Tauschzauber den Inhalt ihres Golsbeutels mit meinem getauscht hätte.", fuhr Narcissa fort. Der Schwarzhaarige nickte darauf und sagte: "Hermine hasst Ungerechtigkeit. Darum hat sie das getan." Nickend nahm Narcissa dies zur Kenntnis. "Und dass sie bei der Sache mit den Kartoffeln die Schuld auf sich genommen hat... Das werde ich ihr nie vergessen." "Mir wäre lieber, wenn Mal... wenn Draco sich bei ihr entschuldigen oder zumindest bedanken würde.", kam es etwas trotzig von Harry. "Das wird ja wohl nicht so schwer sein! - Aber wenigstens scheint er ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen zu haben." Die blonde Frau öffnete eine große, schwere Flügeltür. "Glauben Sie mir, Mr Potter, das hat er. Er hat nur nie gelernt, damit umzugehen. Sein Vater hat ihm gelehrt, dass ein Malfoy immer Recht hat und seine Taten nicht in Frage gestellt werden können, dass man gewissenlos handelt und sich keiner Schuld bewusst sein muss. Diese Ideologie bricht für ihn nun ein wie ein Kartenhaus. Gewissermaßen stellt sein ganzes Leben sich als Lüge heraus. Seien sie versichert, dass er in meinen Augen damit schon genug gestraft ist." Hinter der Tür befand sich eine Art runder Erkerraum - ausgelegt mit Stroh, kleinen Ästen Blättern und Einbuchtungen in den Wänden - der Harry sehr an die Eulerei von Hogwarts erinnerte. Die ganzen Eulen, die dort waren konnte Harry gar nicht zählen. "Warum haben Sie so viele Eulen, fragte Harry. "Nun, da unser Haus der Stützpunkt war...", setzte Narcissa an. Sie musste überlegen, wie sie es am besten verpackte. "Sagen wir, diese Vögel sind jetzt nach dem Krieg herrenlos und sie können ja nun wirklich nichts dafür, wer oder was ihre Besitzer waren. Sie haben hier jetzt ihren Zufluchtsort. - Suchen Sie sich eine aus, Mr Potter." Harry trat näher heran. Einige der Eulen waren scheu und duckten sich in ihre Höhlen weg. Ihm fiel auch eine weiße Schneeeule ins Auge. Er stand kurz davor, auf diese zuzugehen, doch da musste er  unweigerlich an Hedwig denken, wie sie ihn noch vor Beginn des eigentlichen Krieges beschützen wollte und dann vom einem Todesser getötet wurde. Es käme ihm vor, als würde er das Andenken an seine treue Eule mit Füßen treten, würde er sich für diese Eule entscheiden.
Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass eine kleine Eule gerade aus einer der Höhlen rausschaute. Sie hatte den eckig wirkenden, gedrungenen Kopf mit offenem Gesicht leicht schräg gelegt und sah Harry neugierig aus ihren gelben Augen an. Der Junge drehte sich zu der Eule die nun aus der Höhle hüpfte. Sie war kleiner als die Schneeeule, ihre Körperlänge betrug höchstens 30cm. Das Gefieder war braun-gefleckt mit hellem Bauch. Sie gab singendes "hu-hu-hu-hu-hu-hu" von sich. Fast so, als wollte sie Harrys Aufmerksamkeit. Harry musste leicht grinsen, als er auf die Eile zu ging. Sie trippelte kurz mit den Füßen, spannte ihre Flügel und flog auf Harrys Schulter. "Hey!", grinste Harry. "So wie's aussieht, hat Evan ihnen die Entscheidung abgenommen. Der kleine Raufußkauz wartet schon lange darauf, endlich als Posteule fungieren zu dürfen. Sie würden ihm eine Freude machen.", erklärte Narcissa. Harry strich dem Vogel behutsam über das Gefieder. "Er hat noch nie Briefe ausgetragen?" "Leider nein!", seufzte Narcissa. "Er ist der Schwächste im Gelege gewesen und von den Eltern verstoßen worden. Ich habe ihn aufgezogen, weil meine Schwester - ihr und ihrem Mann gehörten die Elterntiere - den Kleinen sonst getötet hätte. Jetzt ist er ausgewachsen aber er bekommt einfach keine Gelegenheit, sich zu beweisen.", erklärte Narcissa weiter, während sie zu einem Schrank lief und Schüsseln heraus holte, um diese mit Eulenfutter zu füllen. Sofort kamen viele der Vögel angeflattert und begannen zu fressen. "Ich würde mich freuen, wenn Sie sich für Evan entscheiden würden. Er hat eine Chance verdient. Und wenn es für sie in Ordnung ist, würde ich Ihnen Evan gerne überlassen." "Sie wollen mir eine Eule schenken?" "Mein Sohn und ich verdanken Ihnen so viel, Mr Potter, da ist eine Eule das mindeste, was ich ihnen als Dank darbieten kann. - Ich hörte, ihre Eule ist im Krieg getötet worden. Evan wird ihre treue Eule nicht ersetzen können, aber er wird ihnen ebenfalls treu sein." Harry sah von der Adelsfrau wieder zu der Eule auf seiner Schulter. "Evan, meinst du, du schaffst das?" Wie zur Bestätigung sang der kleine Eulerich ein freudig klingendes "Hu-hu-hu-hu!". Die Eule tippelte seinen Arm entlang und ließ sich dann zum Fenstersims gleiten, wo sie ihm auch gleich ein Bein hinhielt. Harry befestigte den Brief am Bein des Vogels. "Zum Zaubereiministerium.", sagte er und die Eule flog davon.

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In der Zwischenzeit war Draco am Grübeln. "Dieser verdammte Potter!", zischte er. Er fühlte sich von Harry gedemütigt. Dass dieser ach so tolle Kriegsheld einfach über alles hinweg sah glaubte er einfach nicht. Und dann ließ er ihn auch noch einfach so stehen.
Dieser verdammte Malfoy Stolz! Dass er Harry dankbar sein sollte, war ihm bewusst, hatte er doch wirklich damit gerechnet, dass Harry den heutigen Vorfall als Anlass nutzen würde, ihn nach Azkaban zu schicken. Aber Harry tat genau das nicht. Und das verstand er nicht. Wie konnte der Gryffindor ihm verzeihen, wenn Draco sich selbst nicht verzeihen konnte?
Er brauchte frische Luft um das alles zu überdenken. Also verließ er den Salon lief die Gänge lang in Richtung seines Zimmers. Was er jetzt brauchte, war frischer Wind, der ihm half, seine Gedanken zu ordnen. In seinem Zimmer stand sein Nimbus 2001. Er hatte ihn über ein Jahr nicht mehr benutzt. Der Besen war für ihn ein Statussymbol gewesen. Inzwischen bereute er, dass er sich so von seinem Vater hatte blenden lassen. Jeder kann ein guter Flieger sein, egal auf welchem Besen, wenn man nur das Talent dazu hat. Deshalb beschloss er auch, lieber seinen alten Comet 290 zu nehmen. Den hatte seine Mutter ihm damals zum 11. Geburtstag geschenkt. Er öffnete sein Fenster, kletterte aufs Fensterbrett, klemmte sich den Besen zwischen die Beine und schon flog er los. Wie hatte er es vermisst, einfach nur frei fliegen zu können. Er flog querfeld ein über den Wald einfach nur weg.

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"Um auf unser Gespräch zurück zu kommen...", setzte Narcissa an, als sie die 'Eulerei' wieder verließen. "Draco kämpft gerade hart mit sich. Ich glaube schon, dass er sich gerne entschuldigen und auch bedanken würde, aber sein Stolz lässt es nicht zu. Geben Sie ihm bitte Zeit." "Das tu' ich, Mrs Malfoy, auch wenn es mir schwer fällt. Allerdings konnte ich mich heute selbst Mal wieder davon überzeugen, dass definitiv Gutes in ihm steckt. Wäre er so, wie ich ihn immer eingeschätzt habe, hätte er Hermine nicht versucht zu helfen. Vielleicht hätte er sich eher noch über ihre Panikattacke amüsiert. Doch das hat er nicht. Selbst im Nachhinein hat er kein böses Wort über sie fallen lassen, wie er es früher getan hätte. Draco ist auf dem Weg der Besserung, davon bin ich überzeugt." Harry sah die Dame neben sich an und nickte ihr aufmunternd zu. "Aber danken Sie nicht mir. Danken Sie Hermine. Sie hat mich gebeten, Draco eine 2. Chance zu geben. Sie war die jenige, die all die Jahre trotzdem davon überzeugt war, dass Draco nicht so ist, wie er sich immer gibt. Jetzt muss ich gestehen, dass sie wohl Recht mit ihrer Annahme hat." Narcissa sah zu Harry runter, der nur knapp einen Kopf kleiner war als sie. "Wir werden wohl ewig in eurer Schuld stehen.", stellte sie fest und lächelte.

Tagebuch einer verbotenen Liebe Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt