'12'

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Elliot P.O.V

"Was macht ihr zwei hier?" Luca sah zu seiner Tür. Ich hatte ein Déjà-vu, obwohl es nicht einmal lange her war. "Können wir reden?" fragte der Junge, der wohl Jean war. 

Die Person neben ihm kannte ich nicht und so wie er mich ansah, wollte er wohl auch gar nicht, dass wir uns näher kennen lernten. Auch Jean verdeutlichte sein Missmut mir gegenüber, indem er kurz seinen Blick auf mich richtete und seiner Frage ein "Alleine." hinzufügte. 

"Es scheint ein unpassender Zeitpunkt zu sein." merkte ich an. "Willst du schon mal reingehen? Ich komm dann gleich nach." seufzte Luca und drückte mir seine Schlüssel in die Hand. Sein Vertrauen in mich machte mich in einigen Momenten stutzig. 

Auch wenn wir Freunde waren, hier ging es um sein Zuhause, den Ort, an dem er aufgewachsen ist. Wenn ich darüber nachdenke, wie lange ich Luca beim Training zugesehen hatte, bevor ich ihn überhaupt ansprach. 

Luca besitzt wohl ein großes Herz. Bei einem Elementaristen der Feuerklasse kann das sehr schnell gefährlich werden. 

"Dein Freund fühlt sich durch meine Anwesenheit bedroht, denkst du, da ist es ratsam, wenn ich dein Haus betrete?" fragte ich. "Wer soll sich hier bedroht fühlen?" Mit lautem Ton beschwerte sich Jean über meine Aussage.

Diese ständigen Diskussionen waren anstrengend und Zeitverschwendung.  "Du, offensichtlich. Meine reine Existenz macht dich so unsicher, dass du deinem eigenen Partner auflauerst, nicht nur einmal." erklärte ich trocken.

Manche Menschen brauchen erst einen Spiegel direkt vor ihr Gesicht gehalten, bevor sie verstehen, was man zu ihnen sagt. 

Ein seltsames Gefühl stieg in mir hoch. Eine gewisse Wut, aber ohne Aggression. Ich verspürte nicht den geringsten Drang, etwas oder jemanden schlagen zu müssen. Aber einfach nur untätig dastehen wollte ich auch nicht. 

Ich hob Lucas Arm an und legte ihm den Schlüssel zurück auf die Handfläche, bevor ich mich zu seinem Ohr beugte. "Auch wenn ich verstehe, dass es unhöflich ist, jetzt einfach zu gehen, nachdem ich deine Anmeldung eigentlich bereits angenommen hatte." flüsterte ich ihm zu. "Ich mache es wieder gut." 

Ohne mich groß von den beiden Normalos zu verabschieden ging ich den Weg, den Luca und ich gemeinsam gelaufen sind, wieder zurück. 

Diese Spontanität, die ich mir wohl immer mehr annahm wirkte so befremdend. Als würde ich einem ganz anderen Elliot dabei zusehen, was er tut und könnte selbst gar nicht eingreifen. 

"Elliot!" Unruhe schien sich häute zu häufen. "Salut papa." Mein Vater kam mir auf seinem Fahrrad entgegen. "Deine Mutter hat schon überall nach dir gesucht. Sie dachte, dir ist auf dem Weg etwas passiert." erklärte er. 

"Dachte oder hoffte?" fragte ich. Mein Vater, der längst nicht naiv genug war um die bröckelnde Machtbeziehung meiner Mutter und mir zu übersehen, seufzte und stieg von seinem Fahrrad ab. 

"Du weißt, wie deine Mutter es meint." sprach er und hatte damit natürlich auch Recht. Stundenlange Gespräche über immer dasselbe Thema hatten ausgereicht, um zu verstehen, was meine Mutter von mir wollte. 

"Ich weiß. Mir ist klar, welche Rolle ich in der Familie einzunehmen habe und ich habe nicht vor, mich dagegen zu wehren. Es wäre nur schön, wenn meine Eltern einsehen könnten, dass ich auch ab und zu eine Person sein will." meinte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust.

Eigener Wille. Er wurde mir nie verwehrt, aber ich habe auch nie gebrauch davon gemacht. 

Vater sah mich mit einem sanften Lächeln im Gesicht an. "Natürlich bist du eine Person. Ich habe mir oft Gedanken darüber gemacht, ob du das manchmal selbst vergessen hast." 

Während meine Mutter sehr praktisch und rational dachte, war mein Vater eher emotional. "Papa." murmelte ich, nicht wissend, ob er jemand war, mit dem ich über solche Dinge reden konnte.

Würde Mutter davon erfahren, würde sie mir sofort den Kontakt zu Luca verbieten, aber Vater konnte ich da nicht einschätzen. 

"Denkst du, Freundschaften zwischen einfachen Menschen und Elementaristen können funktionieren?" fragte ich dann doch. Nachdenklich legte mein Vater sich eine Hand an sein Kinn. 

"Wenn du eine ganz ehrliche Antwort haben möchtest, ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, dass uns unsere Fähigkeiten zu einer völlig neuen Spezies machen, aber es ist wahr, dass es den Menschen, die Fähigkeiten wie die unsere nicht besitzen, schwer fallen wird, diese zu akzeptieren." antwortete Vater dann.

Wie erwartet half mir seine Antwort überhaupt nicht weiter. 

"Wenn du mit einem Menschen befreundet sein willst, sollten dich eure Differenzen nicht davon abhalten." fügte Vater hinzu. "Es geht gar nicht um mich." korrigierte ich ihn. "Ich verstehe nur nicht, wie man eine Beziehung mit jemandem eingehen kann, dem man überhaupt nicht vertrauen kann." 

Lächelnd klopfte er mir auf die Schulter. "Du hast etwas ganz anderes nicht verstanden. Geheimnisse sind kein Zeichen dafür, dass eine Beziehung nicht funktionieren kann. Deine Mutter und ich haben auch Geheimnisse voreinander, aber nicht, weil wir uns nicht lieben."

Er sprach mit mir, als wäre ich ein Kind. Seine Botschaft verstand ich trotzdem.

Aber der Gedanke von Luca, gemeinsam mit diesem Jean gefiel mir einfach nicht.



Feuer, Eis und die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt