'21'

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Luca P.O.V

Als Elliot mit weit aufgerissen Augen zu mir sah wurde es mir klar. Nein, eigentlich war es mir davor längst klar gewesen, ich wollte es bloß nicht einsehen. Diese ewige Suche, von der ich wusste, dass sie zu nichts führen würde. Zu nichts außer Erkenntnissen, die ich nicht wollte.

Und jetzt kann ich mich nicht mehr davor verstecken.

"Luca." murmelte Elliot, kniete sich zu mir auf den Boden. Sein Blick, er soll aufhören, mich so traurig anzusehen. Er soll aufhören, mir alleine mit seinem Blick zu sagen, was ich nicht hören wollte. Nicht heute, nicht irgendwann. Der Alkohol, den ich zuvor getrunken hatte, machte sich jetzt stärker als zuvor bemerkbar. Mir wurde schwindelig.

"Sie ist tot, nicht wahr?" fragte ich. Mit einer Hand auf meiner Schulter und der anderen auf meinem Bein saß Elliot neben mir, nickte langsam. Meine Brust verkrampfte sich und ich bekam kaum noch richtig Luft.

"Ja, es tut mir leid, Elliot." Gerne hätte ich ihm wieder seine eigenen Worte ins Gesicht geworfen. Hätte ihn gefragt, was es bringt, sich für Dinge, für die man nichts kann zu entschuldigen.

Aber, innerlich, tief in mir drinnen, machte ich Elliot dafür verantwortlich.

"Was tut dir leid?" fragte ich und stand auf. "Dass du mich davon abgehalten hast, meine Schwester zu suchen, während sie von diesen Wilderern abgemurkst wurde?" Ich wollte an ihm vorbei laufen, aber Elliot stand jetzt selbst auf und stellte sich mir in den Weg. 

"Wo willst du hin?" "Nachdem ich meine Schwester schon lebend nicht mehr sehen konnte, darf ich ihre Leiche jetzt auch nicht mehr sehen?" erwiderte ich. "Denkst du, bei deinem Alkoholpegel lassen die dich auch nur in die Nähe von irgendeinem Gerichtsgebäude? Davon abgesehen hat Papa schon alles in die Wege geleitet, um Anklage zu erheben."

Ich schüttelte den Kopf, wurde dadurch sofort an meinen Schwindel erinnert. "Was soll eine Anklage denn bringen?" "Wir können zurück schlagen, für Gerechtigkeit sorgen." Elliot versuchte weiter, mich von dieser Idee zu überzeugen. 

"Die einzige Gerechtigkeit wäre, einen von diesen Normalos umzubringen, wie bei Alice." zischte ich. Warum kapiert Elliot das nicht? Was, wenn jemand seiner Schwester was antun würde? 

"Und zu was soll das führen? Nächstes mal töten sie zwei von uns, weil sie denken, es ist ihr Recht, dann töten wir drei von ihnen. Ist das dein Wunsch? Ein Krieg?" Ich hatte keinen Bock mehr, mit Elliot zu diskutieren. Ich wollte bloß zu Alice. "Lass uns zurück." bat er. 

"Erzähl mir, wie sie gestorben ist. Vorher gehe ich nirgendwo hin." Kurz sagte Elliot gar nichts, verschränkte dann aber seine Hände mit meinen. "Ausrasten ist keine Option. Wir sind zu nahe an der Stadt, als dass wir es später vertuschen können. Sobald ich merke, dass du deine Kontrolle verlierst, werde ich dich ausknocken und zurück zu mir bringen." 

Da war ja wieder dieser harte, kontrollierte Ton. "Sag mir, was passiert ist." Verstehend nickte er. "Als wir beide den Raum verlassen hatten, wurde Alice gebeten, in den anderen Raum überzugehen, zu den Normies. In deren Besprechungsraum haben sie deine Schwester erschossen." 

Das ganze Bild spielte sich vor meinen Augen ab, als hätte ich es selbst miterlebt. Alice ist stark, unendlich stark. Ein einziger Schuss hätte in keinem Leben ausgereicht, um sie klein zu kriegen. Sie müssen öfter auf sie geschossen haben, bis sie sich nicht mehr bewegt hat. 

"Reicht dir das? Oder was möchtest du? Einen Kampf, einen Streit?" "Lass mich in Ruhe." Als Elliot nochmal nach meinem Arm griff schlug ich seine Hand zur Seite. "Soll ich es dir buchstabieren? Meine Schwester ist tot Elliot. Wäre ich nicht mit dir gegangen, würde sie noch leben!" 

Schnaubend griff Elliot jetzt schon zum keine Ahnung wie vielten mal nach mir, krallte sich richtig in meine Haut und ließ nicht los. "Du wärst mit ihr gestorben oder sie hätten eine Ausrede gefunden, dich trotzdem aus dem Raum zu locken. Menschen sind schwach, nicht dumm." meinte er, sah mich eindringlich an. 

"Wenn du doch so viel klüger bist, wieso hast du das dann nicht kommen sehen?" Ich hielt mich an Elliot fest, obwohl ich eigentlich versuchte, ihn wegzustoßen. Mein Gleichgewicht war einfach nicht mehr vorhanden, weswegen ich mich sogar an ihm abstützen musste. 

"Ich hab versagt." Leicht perplex sah ich zu ihm auf. "Du hast Recht, es hat bestimmt genug Anzeichen gegeben, aber ich habe sie nicht gesehen. Es tut mir leid, Luca." Dass er die Schuld einfach so auf sich nahm. Dieser Arsch. 

"Sie ist tot." hauchte ich, vergrub meinen Kopf an Elliots Schulter. Ohne ihn wäre ich längst auf den Knien gelandet. Mein ganzer Körper hatte keine Kraft mehr. "Es tut mir leid." Wieder und wieder sagte Elliot Worte, die keinen Sinn machten.

Er hat keine Schuld.

Es waren die Menschen. Die, die unsere Fähigkeiten nicht verstanden, sie fürchteten. 

Und sie werden dafür bezahlen, dass sie sich von ihrer Angst haben leiten lassen. Diese Feiglinge.




Feuer, Eis und die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt