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Elliot P.O.V

"Geh!" rief ich und schubste Luca mit beiden Händen nach hinten. "Du hast nicht viel Zeit!" Die Sirenen kamen immer näher und damit wurde auch mein Herzschlag immer lauter. "Hau schon ab!"

In mir staute sich eine gewisse Hoffnung an. Eine Hoffnung, dass Luca eben nicht gehen würde. Dabei hätte es für ihn nur Nachteile. 

Seine Augen waren völlig leer. Die sanfte Wärme, die ich sonst in seinen Augen sah. war nicht mehr da. Ich starrte einer Person entgegen, die ich nicht mehr wiedererkannte. Es war nicht Luca, den ich hier ansah. Es war jemand, der selbst nicht mehr wusste, wer er war. 

Alles was er tat wirkte fremd, falsch, nicht wie er. 

"Schätze, es wäre besser für dich gewesen, du hättest mir nie beim Training geholfen." Ein bitteres Lächeln zierte Lucas Lippen, als er diese Worte aussprach. "Ich hätte es kommen sehen müssen." antwortete ich. "Das Feuer hat dir nicht gehorcht, wissend, für was du es nutzen kannst. Es hat versucht, dich vor deiner eigenen Kraft zu schützen."

Fälschlicherweise hatte ich bis zum Schluss angenommen, Luca und das Feuer in ihm würden sich nicht verstehen, doch genau das Gegenteil war immer der Fall gewesen. Jetzt gerade war Luca eine lichterloh brennende Flamme, eingenommen von seiner Wut. 

"Dann töte mich, trau dich." zischte Luca. So erfüllt von Hass. Das war wirklich nicht der Luca, den ich kennen gelernt habe. Die Sirenen waren so nahe, dass ich es mir nicht erlaubte, weiter mit ihm zu diskutieren. 

"Nicht, wenn ich dich noch retten kann." meinte ich und stieß meine Hand gegen seine Brust, bevor ich einen Stoß aus Eis auf ihn richtete. Luca wurde nach hinten geworfen, weit genug, dass die Polizisten, die Sekunden später eintrafen, ihn nicht mehr sahen. 

"Auf den Boden! Runter auf den Boden!" Ich hatte meine letzte Kraft in diesen Stoß gesetzt, warf mich wortlos mit den Knien voraus zu Boden und hob beide Arme. "Geht nicht zu nahe ran, er ist ein Monster!" 

Das war Jeans Stimme. Mein Eiskäfig war längst geschmolzen, weswegen mich sowieso nichts mehr von den Beiden trennte, dennoch hatte ich sie ausgeblendet. Pierre zeigte überhaupt keine Reaktion mehr. Er lag da, die Augen geschlossen und den Mund geöffnet. 

"Ich kann ihm helfen." meinte ich. Jean, mit Tränen überströmten Gesicht, sah mich, außer sich vor Entsetzen, einen Moment stumm an. 

"Nein, nicht du!" zischte er dann. "Du und Luca, ihr seid beide Monster!" Worte, die ich längst gewohnt war zu hören, stachen sich in mein Herz, als wäre es das erste Mal, dass ich sie tatsächlich hörte. 

Sie machten mir Handschnellen um die Arme, bevor eine Art Eisenkäfig darum geschlossen wurde. "Dann ist es also tatsächlich kein Geheimnis mehr, was ich bin." stellte ich, eher für mich selbst, fest. 

"Halt die Klappe, du Freak!" erwiderte einer der Polizisten. 

Das heißt, egal, wie der Kampf zwischen Luca und mir ausgegangen wäre, es hätte nichts geändert. Wahrscheinlich war es seit dem Verschwinden von Pierre schon bekannt, dass es uns 'Monster' gibt. Vielleicht auch schon davor, seit der Ermordung von Lucas Schwester. 

"Wir würden uns eine Menge Ärger sparen, wenn wir dich hier und jetzt erschießen." merkte ein weiterer der Polizisten an. Warum auch immer, diese Aussage brachte mich zum Schmunzeln. Meine Verzweiflung nahm wohl Überhand. 

"Was? Erwartest du, dass ich um mein Leben bettle?" fragte ich. "Ohne mich habt ihr nichts mehr. Kein Druckmaterial, kein Wissen, nichts. Ihr habt doch keine Ahnung, mit was ihr euch da überhaupt anlegt." Überheblich richtete ich den Kopf nach oben. 

Ob sie mich umbringen oder nicht, sagen würde ich sowieso nichts. Es kann dennoch nicht schaden, wenigstens zu versuchen, etwas länger am Leben zu bleiben. 

Natürlich hätte ich mich befreien können, hätte aus meinen Füßen Eiszapfen auf die Polizisten um mich herum schießen können, doch ich wollte es nicht. Denn, dass ich fliehe bedeutete, dass sie keinen Schuldigen hätten und nach Luca suchen würden.

Sie brachten mich auf eine Polizeistation, gaben mir nicht einmal die Chance, meine Eltern anzurufen. Mehrere Stunden verbrachte ich in einer leeren Zelle, meine Hände weiterhin hinter meinem Rücken verbunden, bis eine junge Frau die Zellentür öffnete. 

"Du kannst gehen." erklärte sie. Allein an ihrer Ausstrahlung erkannte ich, dass sie wie ich war, eine Bändigerin. "Was ist mit meiner Bestrafung?" fragte ich, hatte mich längst damit abgefunden, für Luca ins Gefängnis oder wohin auch immer zu gehen. 

Mit einem sanften Lächeln kam sie auf mich zu, legte ihre Hand über meine Augen und führte mich davon. 

"Es gibt keine Bestrafung, kein Recht oder Unrecht mehr. Sie haben angefangen uns zu jagen und wir haben angefangen, uns zu verteidigen." erklärte die Frau. Es brachte nichts, dass sie ihre Hand den ganzen Weg über meine Augen hielt, ich roch es trotzdem.

Der Geruch von Blut, der sich mit dem Geruch von Erde vermischte. 

"Hast du sie getötet?" "Sie haben sich selbst getötet. Ich habe sie lediglich beerdigt." 

Feuer, Eis und die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt