'52'

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Luca P.O.V

"Ich schätze, ich weiß, was jetzt das Richtige wäre." murmelte Elliot. "Auch wenn ich gehofft hatte noch warten zu können, bis du etwas stabiler bist."

Er gab mir gar keine Zeit, irgendetwas auf seine Worte zu erwidern. Erst griff er meine, danach seine Jacke, bevor er mir meine eigene zu warf.

"Hol deine Schuhe." Seit meiner 'Verurteilung' war ich nicht mehr draußen gewesen. Viel zu gefährlich wäre es gewesen, mich sofort den Menschen zu präsentieren.

"Wohin gehen wir?" wollte ich wissen. Elliot gab mir keine Antwort, ging bloß zum Hinterausgang und wartete vor der Tür.

Seufzend gab ich nach und ging in Elliots Zimmer.

Auch wenn ich quasi hier wohnte, ich wollte nicht Spuren von mir im ganzen Haus verteilen, deswegen lag all mein Zeug in Elliots Zimmer.

Naja, ist nicht so, als hätte ich generell viel an Besitz. 

Außerdem, wenn ich tatsächlich verschwinden muss, war es schneller, alles in einem Zug greifen zu können. Ich dachte oft daran, nachts, wenn Elliot schläft, meinen Rucksack zu greifen und aus dem Fenster zu springen. Aber, immer, wenn ich nachts das Fenster betrachtete, als würde Elliot meine Gedanken hören, legte er seine Arme um meinen Körper und drückte sich an mich.

Die ganze Fahrt über sprach Elliot kein einziges Wort. Ich war viel zu nervös. um selbst einen Versuch zu starten. Stattdessen sah ich aus dem Fenster. 

Einiges der Stadt lag noch in völliger Zerstörung. An vielen Stellen standen Gerüste und Baustellenschilder. "Wie fühlt es sich an, die Auswirkungen deines Krieges zu sehen?" fragte Elliot irgendwann, seinen Blick immer noch nach vorne gerichtet. 

"Mein Krieg?" erwiderte ich. "Ich dachte, du würdest dich mit dem Erfolg schmücken wollen." erklärte Elliot. "Wieso sollte ich mich mit den Toden Unschuldiger schmücken wollen? Ich habe für unsere Freiheit gekämpft." "Unsere Freiheit oder den Tod deiner Schwester?" 

Ich ließ seine Fragen im Raum stehen. Zumindest war das der Plan, bis Elliot den Wagen anhielt. Wir standen jetzt vor einem Friedhof. "Wieso sind wir hier?" wollte ich wissen. "Um jemanden zu besuchen." antwortete er und stieg aus. 

Mein Magen drehte sich. Auch, wenn er nicht gesagt hatte, wen wir besuchen würden, ich wusste es. Ich wusste es schon, seit wir das Haus verlassen hatten, aber ich hatte es ignoriert. Und jetzt konnte ich es nicht mehr ignorieren, diese schwere Gefühl in meiner Brust. 

Elliot lief voraus, ich ihm hinterher. Bis wir vor einem schwarzen Stein standen, geformt wie eine Flamme. Der Name auf dem Stein eingraviert brannte sich in meine Augen, schmerzte in meiner Brust. "Du wusstest die ganze Zeit, wo sie war." flüsterte ich, konnte mich selbst nicht dazu bringen, meine Stimme zu erheben. 

"Ich habe ihren Körper beschützt." antwortete Elliot. "Vor mir oder vor den Menschen?" "Vor euch beiden. Sie hätten ihren Körper für ihre eigenen Zwecke verunstaltet und du warst nicht bereit, sie zu sehen." Seine rationalen Antworten, sie nervten mich. Ich wollte keine Rationalität, keine Logik.

"Mit welchem Recht wagst du es, zu entscheiden, wann ich den toten Körper meiner Schwester sehen darf?" zischte ich, ballte meine Hände zu Fäusten. Ich hatte nach ihr gesucht, die ganze Zeit und Elliot wusste wo sie war, schlimmer noch, er hatte sie hierher gebracht. 

Langsam sank ich auf meine Knie, las wieder und wieder den Namen, der in den schwarzen Stein eingraviert war. "Ich habe versucht, in deinem Interesse zu handeln. Weißt du nicht mehr, wie wütend du warst? Hätte ich dir gesagt, wo ihr Grab steht, weiß ich nicht, ob ich dich noch hätte aufhalten können." meinte Elliot und setzte sich neben mich. 

Erst wusste ich nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich mich fühlen sollte. Wütend? Betrogen? Vielleicht sogar erleichtert? 

"Denkst du, sie wäre sauer auf mich?" flüsterte ich irgendwann, ließ mich nach hinten fallen, bis ich auf dem kalten Gras saß. "Soll das ein Witz sein? Du hast eine ganze Stadt als Geißel genommen, um sie zu rächen. Ich glaube, sie ist mehr als Stolz auf dich."

Vorsichtig legte Elliot seinen Arm um mich. Wir saßen eine ganze Weile da, keiner von uns sagte ein Wort. 

"Ich weiß gar nicht, was ich ihr sagen soll." gab ich dann, nach einigen Minuten Stille, mit zitternder Stimme zu. "Die Wahrheit, dass du sie vermisst." antwortete Elliot. "Möchtest du, dass ich dich alleine lasse."

Auch wenn ich noch vor ein paar Minuten Elliot hätte umbringen können, jetzt wollte ich nichts anderes, als ihn an meiner Seite. "Nein, bitte bleib." Er nickte und legte seinen Kopf auf meine Schulter. 

"Ich hätte dich in letzter Zeit echt gut gebrauchen können." fing ich an, kam mir schon blöd vor, mich mit einem Stein zu unterhalten. Aber, desto mehr ich sprach, desto besser fühlte ich mich. "Weißt du, es ist ganz schön hart ohne dich. Als wir Mama und Papa verloren haben, da hab ich gedacht, solange ich dich an meiner Seite habe, können wir alles durchstehen. Und dann warst auch du weg. Ich fühl mich einfach alleine." 

Elliot blieb die ganze Zeit neben mir. Als ich weinte, als ich gar nichts mehr tat, es war egal. Er blieb, bis es dunkel wurde. 

"Bist du bereit, zu gehen?" fragte Elliot dann, als schon die Straßenlaternen angingen. "Können wir wiederkommen?" "Wann immer du möchtest."



Feuer, Eis und die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt