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Hermine

Ich fluchte noch eine Weile in mich hinein als Tom und ich zusammen zurück zum Schloss gingen. Den Blick hielt ich konzentriert nach vorne und sprach kein Wort.
Umso lauter halten meine Gedanken, in denen ich mich selbst bestätigte, was für ein ekelhafter mieser Bastard Tom doch war. Was er sich einbildete, dieser arrogante Mistkerl.
Ich drückte meine Kiefer aufeinander und ballte die Fäuste in meiner Tasche.

"Wieso auf einmal so angespannt, meine Liebe?", fragte Tom sanft und riss mich damit aus meinen Gedankenkreisen.
Ich starrte ihn an. "Was?", bellte ich fast. Was ihn nur zum Lachen brachte.
Ich runzelte die Stirn, halb entsetzt halb beeindruckt von seiner Attitüde.

"Weißt du, ich beobachte dich auch manchmal, Hermine", sagte er. "Du bist der Typ, der zwar anderen zeigt, es bebt etwas in dir, aber du lässt es nicht heraus."
Wir erreichten die Eingangshalle und verstummten als einige Mitschüler an uns vorbeigingen. Ich eilte, ohne zu wissen wohin, eine Treppe hoch und bog in irgendeinen Korridor ab.
Als wir wieder ungehört waren, wollte ich gerade etwas erwidern als er mir zuvorkam und das Wort abschnitt.
"Das ist ungesund", sagte er mit hochgezogen Augenbrauen als sei ich ein kleines Kind.

"Wenn du das sagst", sagte ich bemüht unbeeindruckt. Schnell ging ich weiter, leitete all meine Energie in lange feste Schritte. Bis ich mich irgendwann umsah und nicht direkt einordnen konnte, wo wir waren. Am Ende eines Korridors bog ich nach links, doch hier ging es nicht weiter. Damit es nicht auffällt drehte ich mich zu Tom und sah ihn genervt an. "Gibt es einen Grund, warum du mir folgst?"

Tom lehnte sich an die Wand und grinste. "Es fühlte sich nicht an als sei unsere Unterhaltung am Ende angekommen. Du schuldest mir eine Antwort."

"Tue ich nicht."

Tom sah mich einen Moment wortlos an. Mit Mühe hielt ich seinem Blick stand, aber merkte, wie meine Atmung flacher wurde. "Kann es sein, dass in Wahrheit du mit mir spielst, Hermine?"

Wie er immer meinen Namen aussprach. Das war doch mit Absicht, dachte ich. Ich schüttelte den Kopf. "Habe ich keine Zeit zu." Damit rüttelte ich an einem Türknauf, der sich zu meiner Erleichterung öffnete. Ein leerer Unterrichtsraum mit einer Reihe Bücherregale offenbarte sich. Bücher mit Karten aus der ganzen Welt. Ein Kartenständer zeigte eine alte Karte Mitteleuropas. Mit Pfeilen und Markierungen. Ich vergaß Tom für einen Moment und betrachtete die Karte.

"Das sind Bevölkerungsströme magischer Kulturen", riss Tom mich erneut aus meinen Gedanken. Ich sah ihn automatisch an.

Tom sah sich selbst um. "Wir sind weltweit mehr als viele wissen." Er näherte sich mir, mit Blick auf die Karte. "Aber nicht alle sind erfasst."
Ich sah ebenfalls zur Karte. Plötzlich spürte ich seine Brust an meinem Rücken. Sein Arm reichte über meine Schulter und er zeigte auf etwas. "Vor allem hier im nördlichen Osteuropa. Hier findest du ganze Dörfer."

Tom roch nach Wald, milder Seife und frischem Schweiß.
"Die gibt es hier auch", sagte ich.

"Wenige. Aber hier." Er drücke sich an mich um die Karte mit den Fingerspitzen zu berühren. "Hier liegen Dörfer an Dörfer. Überall liegt Magie in der Luft. Selbst wenn du weiter rausgehst siehst du dich nicht um, ob dich jemand beim Zaubern erwischt." Er sah zu mir runter und senkte den Arm. "Das ist Freiheit."

Ich drehte mich um und stand dicht an ihm. Dass er nicht zurück wich, konnte ich mir schon denken, aber er sollte bloß nicht denken, ich lasse mich von ihm einschüchtern.
Also sah ich ihm fest in die Augen. "Was gibt es dir eigentlich mich ständig zu belehren?", fragte ich leise aber selbstsicher.

Er zog einen Mundwinkel hoch. "Ach komm, du findest es interessant."

Ich zuckte mit den Schultern, blickte aber erneut zur Karte.

Geblendet - TomioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt