Auf der Suche nach schwarzen Augen

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Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen. ~Platon


Hermine


Ich wachte davon auf, dass Krummbein seine weiche Pfote immer wieder auf meine Nase drückte, was mich kurz in dem Gefühl ließ, es wäre ein ganz gewöhnlicher Sonntagmorgen im Schloss. Bei dem Versuch mich aufzurichten, fuhr ein pochender Schmerz durch meinen Kopf. Mit dem Schmerz kamen auch die Erinnerungen. Mit den Erinnerungen die Scham. Ich war weggelaufen. Hatte es nicht geschafft für andere da zu sein. Ich sah mich um und fand mich im Krankenflügel wieder. Fast jedes Bett war belegt. Einige schliefen, jedenfalls hoffte ich das. Krummbein fing an auf der Decke Milchtritte zu machen und genüsslich zu schnurren. Irgendeine gute Seele musste mich hier hochgetragen haben. Aber wieso konnte ich nicht für andere da sein? Meine Hände umklammerten die Decke und ballten sich zu Fäusten. Ich hatte immer noch meine besten Freunde. Meine Eltern lebten noch. Sogar mein verdammter Kater hatte überlebt. So viel Glück erschien mir unverschämt. Plötzlich wünschte ich mir, anstelle von Tonks oder Lupin gestorben zu sein. Ich rieb mir die Schläfen. Dumme Hermine, dachte ich. So funktioniert Krieg nicht. So denkt der Tod nicht.

"Miss Granger, Sie sind wach." Madame Pomfrey kam auf mich zu, griff nach meinem Handgelenk und schaute auf ihre Armbanduhr.

Ich versuchte mir mit den Fingern mein wahrscheinlich sehr wirres Haar zu glätten. "Brauchen Sie das Bett? Es geht mir gut. Ich kann es frei machen. Ich kann Ihnen hier behilflich sein", bot ich ihr an.

Ihre Schultern senkten sich und sie schüttelte den Kopf. "Wenn Sie sich nicht beruhigen, muss ich sie tatsächlich hier behalten, aber dann im Bett", sagte sie. "Wann haben Sie das letzte Mal etwas gegessen?"

Mit großen Augen sah ich sie an. "Wann haben Sie das letzte Mal etwas gegessen? Oder geschlafen? Oder sich ausgeruht?"

Die Heilerin lächelte mich traurig an. "Das ist nicht der erste Krieg, den ich miterlebe."

"Es tut mir Leid", sagte ich erschrocken über meine plötzliche Forschheit.

"Gehen Sie nach unten und essen Sie etwas", sagte sie immer noch freundlich. "Dort habe ich Ihre zahlreichen Besucher auch schon hingeschickt."

Ich setzte mich auf die Bettkante, nickte stumm und fühlte mich auf einmal wie ein Kind.

Madame Pomfrey schien mein Unbehagen zu bemerken und setzte sich neben mich. "Ich kann mich noch gut daran Erinnern, wie schrecklich es sich anfühlte, nicht allen helfen zu können. Manchmal plagt mich dieses Gefühl auch heute noch. Und in der letzten Nacht ganz besonders."

Sie erinnerte mich auf einmal an meine Mutter und ich kämpfte gegen aufsteigende Tränen.

"Es ist völlig okay schwache Momente zu haben", fuhr sie fort. "Am Anfang meiner Ausbildung bin ich wegen viel weniger ohnmächtig geworden" Sie lächelte mich an und kleine Fältchen bildeten sich um ihre grünen Augen. "Mich hat aber nie so ein hübscher Junge in einen Krankenflügel getragen."

Ich runzelte die Stirn. "Welcher Junge?", fragte ich.

"Er kam mir bekannt vor. Sehr dunkles Haar und fast schwarze Augen", sagte sie. "Wahrscheinlich ein Schüler hier" Sie deutete auf Krummbein, der am Fußende des bettes lag. "Ihr Kater hat ihn verjagt. Ist richtig auf ihn losgegangen, dass ich ihn auch behandeln musste, also den Jungen, nicht den Kater."

Ein Junge im Bett neben mir stöhnte auf und sie erhob sich. "Essen Sie etwas", sagte sie mit mehr Nachdruck und widmete sich ihm.

Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus. Krummbein war kein gewöhnlicher Kater. Er war zur Hälfte Kniesel* und Reaktionen, wie diese hatten immer einen bestimmten Grund. Ich musste herausfinden, wer mich hier her gebracht hatte.

Geblendet - TomioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt