Wo alles begann

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Tom

Als ich am nächsten Morgen in den Gemeinschaftsraum trat, sah ich als erstes die Schnapsleichen auf dem Boden, die dem Geruch nach zu folgen gerade dabei waren zu verwesen. Ein Junge aus meinem Jahrgang hielt eine Schussel umklammert in der sich noch der letzte Schwall seines Erbrochenen befand. Überall waren leere Flaschen Butterbier und Elfenwein verteilt. Ich tippte mit der Spitze meines glänzenden Lederschuhs gehen Valentines Seite, der direkt vor der Tür nach draußen lag. Entweder hatte er sich gerade bis hier hin schleppen können oder er war von irgendwelchen Slytherins, die noch einen Funken Mitleid mit ihm hatten einfach in den Gemeinschaftsraum geschmissen worden, bevor sie selber ins Bett gegangen waren. Ich stellte mir vor, wie seine Schwester ihn bis hier hin gestützt hatte. Sie würde mit Sicherheit kein Wort mehr mit mir sprechen. Für ein paar Tage jedenfalls. All zu viel Rückgrat traute ich ihr dann doch nicht zu, bevor sie mir wieder hinterherschmachten würde.

Valentine stöhnte unter der Berührung auf.

"Du bist mir im Weg."

Er bewegte sich nicht also lief ich kurzerhand über seinen Rücken.

"Was soll das?", krächzte er und blickte gequält zu mir hoch. "Kannst du mich nicht wenigstens in Ruhe sterben lassen?"

Ich blickte mich noch einmal um und begutachtete meine potenzielle Gefolgschaft. Keine Selbstdiziplin, keine Ernsthaftigkeit. Ein Haufen Kinder, die sich noch ausprobieren mussten. Ich ertastete die Liste in meiner Tasche. Wieso sollte ich Erfahrungen solch niederer Natur sammeln? Bis jetzt hatte ich noch keinen direkten Gewinn oder wenigstens Vorteil in den Punkten der Liste gesehen. Die Freundschaft, wenn man es so nennen konnte, die ich zu Zacharias aufgebaut hatte, war das Einzige, was mir halbwegs sinnvoll erschien. Nach gestern Nacht würde er mein Vermittler zu allen anderen Häusern sein, so verzweifelt wie er sich verhurt hatte, nur um es allen recht zu machen und möglichst vielen zu gefallen. Doch er hatte damit auch den Nerv dieser neuen Zeit nach dem Krieg getroffen. Ich sollte also nicht mehr nur im Haus Slytherin nach Verbündeten suchen, sondern auch die anderen Häuser in Erwägung ziehen. Zacharias war dafür der perfekte Mittelsmann. Und das Beste war, er wusste es nicht einmal. Er würde mir also nicht den Thron streitig machen. Wobei er zurzeit wahrscheinlich nur daran dachte, wie er diese Blutsverräterin flachlegen konnte. Wenn sie es nicht schon gestern miteinander getrieben hatten.

In der Großen Halle saßen vereinzelt nur wenige Schüler. Es wunderte mich nicht, Hermine unter ihnen zu entdecken. Direkt überkam mich eine Welle der Aufregung. Heute würde ich dieses Miststück an die Wand duellieren. Ein wenig hatte ich mich schon an ihre Feindseligkeiten mir gegenüber gewöhnt, doch es war Zeit, ihr zu zeigen, wo ihr Platz war. Viel zu oft hatte sie schon versucht mich herauszufordern, mich infrage zustellen und mir das Gefühl zu geben hier nicht herzugehören. Doch in einem Punkt hatte sie recht: Ich genoss es, wenn sie mir ihre tiefe Verachtung zeigte. Genauso wie sie es genoss, diese Verachtung zu spüren, was mich wiederum äußerst amüsierte.

Als hätte sie gespürt, dass ich die Halle betreten hatte, lehnte sie regungslos über ihren Tee. Ich musste ein Lachen unterdrücken, wie sie dort völlig versteift saß und versuchte jede Bewegung, die ihre Gefühlswelt offenbaren könnte, zu vermeiden. Wieso hielten sie nochmal alle für so intelligent?

"Einen wunderschönen guten Morgen." Mit meinem charmantesten Lächeln setzte ich mich neben sie.

Sofort wich das Blut aus ihrem Gesicht. Sie starrte mich ungläubig an.

Ich nahm eine Erdbeere von ihrem Teller und schob sie mir in den Mund.

Sie blinzelte und umklammerte ihren Tee. "Tom."

"Hermine?"

"Was willst du hier?" Sie sah mir in die Augen. "Was willst du von mir?"

"Wir zwei sind verabredet. Schon vergessen?"

Geblendet - TomioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt