Mein Name

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Tom


Nur mit Mühe konnte ich ein Lachen zurückhalten. Ich wagte einen weiteren Schritt nach vorne, beugte mich leicht zu Hermine herunter und öffnete meinen Mund einen Fingerbreit. Obwohl ich sie nicht berührte, konnte ich ihr Zittern spüren, als ich meine Lippen spitzte und ihr sanft auf den Hals blies. Sie atmete scharf ein und war so auf ihr Kribbeln auf der Haut fixiert, dass sie nicht bemerkte, wie ich ihr den Zauberstab vorsichtig in ihre Jeanstasche schob. Bevor sie sich daran erinnern konnte, dass sie eine tapfere Gryffindor war und allen Mut zusammennehmen würde, um ihre kleinen zarten Finger nach der furchtbar angsteinflößenden Dunkelheit auszustrecken, bewegte ich mich genauso leise wieder von ihr weg.

Sie erinnerte mich an Harry, als er von seinem Cousin einmal spät abends in den Keller geschickt worden war, um ihm eine Kiste mit alten Schulsachen hochzuholen. Dudley interessierte sich nicht mal für seine neuen Schulbücher, er schickte Harry natürlich aus reiner Boshaftigkeit in den Keller, verschloss die Tür, machte das Licht aus und ließ ihn stundenlang dort unten schmoren. Obwohl Dudley einer der dämlichsten Muggel war, denen ich je begegnet war, spielte ich diese Spiele nur zu gerne mit. Ich sendete Harry dunkle Fanatasien darüber, was in den Schatten lauern könnte und dass ihn hier unten niemand schreien hört.

Genauso wie der kleine Harry damals, suchte Hermine jetzt stolpernd den Weg durch die Dunkelheit zurück zur Treppe. Für heute interessierte sie mich nicht weiter und ich machte mich auf den Weg zu den Slytherin-Aufenthaltsräumen. Mit einer Handbewegung brachte ich die Fackeln an den Wänden wieder zum brennen. Ich ging an den Kerkern vorbei. Hier wurden bis vor ein paar Stunden noch sämtliche Slytherins festgehalten. Mir wurde schlecht, bei dem Gedanken als Abkomme Salazar Slytherins in seine eigenen Kerker gesteckt zu werden. Mit einem Qietschen öffnete iich eine der Gitterrüren und ging hinein. Im Fackelschein konnte ich auf einmal etwas an den steinernden Wänden erkennen und trat näher heran.

Es ist noch nicht zu Ende

Bleibt stark. Bleibt rein.

Slytherin wird  sich rächen

Es waren Inschriften von Gefangenen, so stümperhaft uns hastig in Stein geritzt, wie es nur ohne Zauberstab und Magie möglich war. Ich streckte meine Hand nach ihnen aus und zeichnete mit den Fingern die Worte nach. Auch in den anderen Kerkern fand ich weitere ähnliche Botschaften. Dabei fiel mir auf, dass nicht ein einziges Mal der Dunkle Lord erwähnt wurde.

Seit Hermine die Ländereien herunter gerannt kam und sich am Waldrand ausruhte, wusste ich, dass die Schlacht vorbei war und Voldemort verloren hatte. Sie war nicht weggerannt, so als würde es um ihr Leben oder das Leben anderer gehen. Als ich sie zurück zum Schloss getragen hatte, wunderte es mich also nicht, keine Totesser mehr vorzufinden. Feiges Pack! , dachte ich. Wenigstens ohne Voldemort hätten sie noch weiterkämpfen können. Dabei hatten sie lediglich das Duell zwischen ihm und Harry abgewartet und gingen dann, wie nach einer Kinovorstellung, zurück nach Hause. Ich vermute noch heute, dass sie nach Voldemorts jahrelanger Abwesenheit nicht mehr dieselbe Loyalität aufbauen konnten. Das müsste ich also besser machen.

Trotzdem muss ich zugeben, dass mich Voldemorts Tod nicht wirklich berührte. Es hat mich weder wütend noch traurig gestimmt. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass ich einen Teil von mir verloren habe. Ich hasste es mir einzugestehen, aber es fühlte sich seltsamer an, nicht mehr Teil von Harry zu sein. Meine ganze Existenz lang kannte ich schließlich nichts anderes. Doch einem alten hässlichen Mann hinterherzutrauern, der meine Vergangenheit war und in dem ich meine Zukunft sehen sollte, schien mir absurd. Seine treueste Dienerin war eine Geisteskranke gewesen, wie es die Muggel nennen würden. Sein größter Feind ein halbes Kind. Schon im Wald hatte ich kein großes Interesse daran, mich mit ihm zu verbünden. So wie ich mich, uns, kenne, hätte er mich auch nicht ernst genommen, wenn er gesehen hätte, wie jung ich in dieser Version war. Ich wäre wahrscheinlich nie zu mehr als seinem Schatten geworden. Ein jüngerer, billiger Abklatsch des Dunkles Lords, der seinen Thron nicht teilen würde. Wenn ich ganz ehrlich bin, war ich damals froh, dass Voldemort nicht mehr war. Ich würde meinen eigenen Weg gehen. Meinen eigenen Thron besteigen.

Geblendet - TomioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt