Summer Nights

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Hermine


Für mich gab es kaum etwas Schöneres als Hogwarts bei Nacht. Wenn alle in ihren Schlafsälen lagen und sich auch die Geister zurückgezogen hatten, konnte ich dem Puls und dem Atem des Schlosses lauschen. Das Pfeifen des Windes, der durch die endlosen Flure schlich,  der sanfte Hall meiner leisen Schritte und das leise Flüstern, das aus den Portraits erklang: "Guten Abend Miss Granger, mal wieder auf Nachtwanderung?" Eine Fackel warf meinen Schatten an eine der hohen Gemäuer als ich mich auf den Weg zum Astronomieturm machte. Ich hielt mir einen Finger auf die Lippen und zwinkerte dem Portrait eines alten Zauberers zu. Es fühlte sich fast wieder wie früher an, als ich mit Harry und Ron nachts durch die Flure schlich. Mein Magen zog sich zusammen, bei der Vorstellung, sie wüssten, mit wem ich mich heute Nacht treffen würde. Bestimmt hätten sie mich davon abbringen wollen. Selbst wenn Ginnys Versehrtheit auf dem Spiel stand, würden sie sich niemals auf ein Gespräch mit Tom Riddle Jr. einlassen.

Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich auf das, was ich ihm gleich zu sagen hatte. Dabei knetete ich meine Hände und merkte, dass sie ganz feucht waren. Ich strich sie über meinen Rock, krempelte mir die Ärmel meiner weißen Bluse hoch und erinnerte mich daran, schon Schlimmeres durchgemacht zu haben. Ein paar ernste Worte an einen verzogenen Slytherin sollten mir leicht von den Lippen gehen.

In meine eigenen Gedanken vertieft bemerkte ich erst an der geschwungenen Treppe, wo meine Füße mich hingebracht hatten. Ich sah hinauf, doch konnte nur matte Dunkelheit erkennen. Er war sicherlich noch nicht da. Ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass ich zehn Minuten zu früh war. Langsam setzte ich einen Fuß nach dem anderen auf die Treppen, darauf bedacht, kein Geräusch von mir zu geben. Falls er doch da sein und ich bei seinem Anblick in Panik gerarten sollte, würde ich mich immer noch heimlich verziehen können.

Oben angekommen blieb ich einige Sekunden stehen, damit meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen konnten. Schemenhaft konnte ich die Arkarden erkennen, hinter denen die Sterne über dem Verbotenen Wald funkelten.

Plötzlich vernahm ich ein Knistern, so leise, dass ich kurz dachte, es mir eingebildet zu haben. Als ich zur Seite sah zuckte ich unwillkürlich zusammen. Eine kleine entfachte Flamme ließ schemenhaft die Umrisse einer dunklen Gestalt erkennen, die zwischen den Arkaden lehnte. Die Flamme schwebte an das Ende einer Zigarette und verweilte dort einen wohlkalkulierten Moment zu lange, sodass ich sein Gesicht erkennen konnte.

"Du rauchst?", fragte ich verblüfft und ärgerte mich im nächsten Moment gleich darüber. Das war nicht der Ton, den ich anschlagen wollte.

"Alte Angewohnheit", erklang seine spöttische Stimme.

"Lumos." Mein Zauberstab entließ eine handtellergroße hell schimmernde Kugel. In dem Moment sprang Tom Riddle gerade vom Geländer, was eine seiner seitengescheitelten schwarzen Locken zum wippen brachte . Plötzlich stand er vor mir, ebenfalls mit hochgekrämpelten Hemdärmeln, ohne Schlangentatoo, ohne Krawatte, aber dafür einen Hemdknopf zu viel aufgeknöpft. Er nahm einen Zug, hob das Kinn und spitze leicht die Lippen um den Rauch auszupusten. Ich konnte nicht anders, als bei diesem Anblick zu schmunzeln.

Tom runzelte die Stirn. "Was amüsiert dich so?"

"Ach gar nichts, Danny Zuko. Ich frage mich nur, ob es lange gedauert hat, diesen Auftritt zu üben. Läuft es so, wie in der Generalprobe?", fragte ich zuckersüß.

Er starrte mich nur an. "Du wolltest mich sprechen? Ich nehme an, es geht um deine rothaarige Freundin. Wie geht es ihr? Ich muss oft an sie denken."

Ich leckte mir die Lippen und machte einen Schritt auf ihn zu. "Ganz richtig. Ginny ist meine beste Freundin, meine Familie, und ich werde nicht zulassen, dass ihr jemand weh tut."

Geblendet - TomioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt