Zwischen den Häusern der Winkelgasse

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Hermine

Die Winkelgasse erstrahlte noch lange nicht wieder im alten Glanz, doch das schien niemanden zu interessieren. Zahlreiche Hexen und Zauberer schlenderten ausgelassen umher und gingen in Geschäften ein und aus, die teilweise die Hälfte ihrer Fassade verloren hatten. Ich beobachtete wie alte Freunde aufeinander trafen, sich umarmten und freudig miteinander plauderten.

"Du lächelst", riss mich Ginny aus meinen Gedanken.

"Habe ich das?", fragte ich vermutlich noch immer lächelnd.

"Wo möchtest du zuerst rein?", fragte sie.

Wir liefen gerade an einem Geschäft für Festroben vorbei, als Ginny plötzlich stehen blieb. Ich folgte ihrem Blick zu Fred und Georges Zauberartikelladen. Das Gebäude war unbeleuchtet und stand leer. Nur ein schief hängendes W erinnerte noch an seine ursprünglichen Besitzer. Ich legte einen Arm um Ginny und strich sanft über ihre Schulter. Ich sah, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten. Zu meinem Erstaunen lachte sie im nächsten Augenblick.

"Wird es irgendwann besser?", fragte Ginny. "Lässt der Schmerz irgendwann nach? Ich meine ich kann doch nicht jedes Einzige Mal anfangen zu heulen, wenn ich etwas sehe, was mich an Fred erinnert. Das würde kein Ende nehmen. Vor allem nicht, wenn ich wieder in der Schule bin."

"Ja, die beiden haben dort ihre Spuren hinterlassen", sagte ich. "Will George den Laden alleine weiterführen? Oder ist es noch viel zu früh für ihn, sich über so etwas Gedanken zu machen?"

"Er hat noch nicht wieder darüber gesprochen, aber so wie ich ihn kenne, bestimmt."

Vorsichtig zog ich Ginny vom Geschäft weg. "Ich möchte zuerst nach den neuen Schulbüchern gucken."

"Ich finde es übrigens super, dass wir jetzt in einem Jahrgang sind." Ginny wischte sich die Tränen von den Wangen.

"Ich auch. Harry und Ron wissen gar nicht, was sie verpassen." Ich bemerkte Ginnys nachdenklichen Blick. "Ist alles in Ordnung zwischen dir und Harry?"

"Es ist alles in Ordnung. Er macht diese Reise und ich bleibe hier. Wir sind noch zusammen, aber geben uns auch die nötige Zeit alles alleine zu verarbeiten." Ich hob die Schultern und schüttelte den Kopf. "Für mich kam es gar nicht infrage, die Schule nicht zu beenden." Ich hakte mich bei Ginny unter. "Außerdem haben wir Mädels dann mal das ganze Schloss für uns."

Wir näherten uns Olivanders Zauberstäbeladen. "Schau mal, Ginny. Hat Olivander schon wieder geöffnet?"

"Sieht ganz so aus", murmelte sie. "Komm, wir gehen zu ihm."

Als ich Olivander das letzte Mal gesehen hatte, wurde er gerade aus wochenlanger Gefangenschaft und Folter befreit. Dass er so früh seinen Laden wieder eröffnet hatte, wunderte mich dennoch nicht. Es war sein Lebenswerk. Etwas, das ihn lebendig hielt. Ich fragte mich, ob ich jemals an etwas so sehr festgehalten hatte. Oder es jemals werde.

Der Laden schien proppenvoll zu sein und einige Leute standen sogar davor und unterhielten sich aufgeregt. Da merkte ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Diese Leute waren nicht alle gekommen, um sich nach Olivander zu erkundigen. Dafür war die Atmosphäre viel zu angespannt.

"Was ist hier los?", fragte ich Ginny.

Wir wollten gerade durch die Tür, als von Innen laute Stimmen zu hören waren. Eine Frau schrie plötzlich und rannte uns fast um, als sie mit ihrem Kind an der Hand aus dem Laden stürmte.

"Todesser! Hilfe!", rief sie.

Ginny und ich holten sofort die Zauberstäbe hervor und stürmten in den Laden. Olivander stand dort leichenblass hinter seinem Tresen und hielt sich die linke Schulter fest umschlossen. Zwei Männer sprangen über den Tresen hinweg und rannten in den hinteren Teil des Ladens.

Geblendet - TomioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt