Zu Hause

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Hermine

Dieses Gefühl, wenn man gleichzeitig lachen und weinen muss... Damit meine ich nicht vor Lachen weinen, sondern umgekehrt. Wenn man die schlimmste Zeit seines Lebens durchgemacht hat und plötzlich doch noch alles gut wird und man sein Glück kaum fassen kann. Wenn man an alles Schreckliche, an die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit erinnert wird und sich im selben Moment für die Allergrößte hält, weil  man all das überlistet hat. Ich stand mit meinen Eltern in unserem Wohnzimmer und lachte und weinte. Sobald der Zauber gelöst war, hatten sie mich direkt erkannt und in die Arme geschlossen.

Arthur hatte mich begleitet, da Ron und Harry schon abgereist waren und ich nicht alleine zu meinen Eltern gehen wollte. Arthur kannte sich durch seine Arbeit im Ministerium gut mit Vergessenszauber aus. Und glücklicherweise auch mit der Umkehrung solcher.

"Wir haben großes Glück, dass es geklappt hat", sagte Arthur, der sichtlich erleichtert wirkte. "Ihre Tochter hat einen mächtigen Obliviate ausgeführt. Es war nicht einfach, diesen rückgängig zu machen."

Meine Eltern sahen mich verwirrt an. Nur weil sie wussten, dass ich eine Hexe war, hieß es nicht, dass sie alles verstanden und Zauber erkannten.

"Was ist eigentlich passiert?", fragte meine Mutter alarmiert und strich mir durchs Haar, um mich etwas zu beruhigen.

Es gab keine schonende Art, ihnen zu erklären, was passiert war, also erzählte ich ihnen vom Zauber, vom Krieg, von Voldemort, von Harry, Fred, Tonks und Lupin. Nun weinten sie mit mir.

"Es ist alles gut", versuchte ich jetzt sie zu beruhigen. "Es ist vorbei."

"Wirklich?", fragte mein Vater. "Bist du jetzt in Sicherheit?"

Ich sah zu Arthur herüber, der mit steinerner Miene zu mir blickte. "Ja", sagte ich, ohne den Blick von ihm abzuwenden. "Wir sind jetzt alle in Sicherheit. Es ist alles gut."

Meine Eltern sahen ebenfalls Athur an.

"Sie müssen sich keine Sorgen machen", sagte dieser.

"Es tut mir so unglaublich Leid, dass Sie Ihren Sohn verloren haben", sagte meine Mutter.

Ich nahm ihre Hand in meine. "Versteht ihr, warum ich aus euren Erinnerungen verschwinden wollte?"

Meine Mutter schüttelte den Kopf. "Das musstest du das ganze Jahr über alleine durchmachen?"

"Ich war nicht alleine", sagte ich und dachte an Harry und Ron, die ich in diesem Moment schrecklich vermisste. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass das Wiedersehen mit meinen Eltern so emotional werden würde und bereute es, meine besten Freunde losziehen gelassen zu haben.


Meine Eltern verabschiedeten sich herzlich von Arthur an der Tür. Ich begleitete ihn noch nach draußen und zog die Tür hinter mir ins Schloss.

"Jetzt hast du dein zu Hause wieder, Hermine", sagte er mit einem Lächeln.

"Ja. Ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Ich danke dir!"

"Du bist jederzeit bei uns willkommen." Er wollte sich gerade auf den Weg machen.

"Da ist noch was"

Er drehte sich um.

"Ist wirklich alles in Ordnung?", fragte ich.

Er runzelte die Stirn.

"Ich habe dich und Molly letzte Nacht gehört", sagte ich. "Wie ihr mit Professor McGonagall geredet habt."

Er starrte mich an. "Was hast du gehört?"

"Dass du gesagt hast, es sei noch nicht vorbei." Ich wartete einen Moment ab. "Und dass McGonagall jemanden erkannt hat. Jemanden von früher, der nichts Gutes an sich hatte." Mein Ton wurde drängender. "Arthur, sag mir wer gerade in den Kerkern von Hogwarts sitzt!"

"Hermine, das kann ich nicht", sagte er ernst. "Mach dir darüber bitte keine Sorgen. Es stimmt weiterhin, dass du und deine Familie in Sicherheit seid. Glaube mir, ich würde es dir nicht sagen, wenn ich es nicht so sehen würde."

Ich ließ nicht locker. "Ist er ein Todesser? Wenn ja, wieso ist er dann nicht in Askaban, sondern in einer Schule eingesperrt?"

"Weil es kein Todesser ist", sagte Arthur ungeduldig. "Es ist ... nur irgendein Junge, der Minerva für einen Moment an einen Todesser erinnert hat."

"Und dafür landet er in den Kerkern?", fragte ich skeptisch.

Athur seufzte. "Also gut, Hermine. Er ist der Sohn eines Todessers und will jetzt nach dem Krieg neu anfangen."

Ich hob die Augenbrauen. "Wessen Sohn?"

Arthur schüttelte den Kopf. "Ich habe dir schon viel zu viel verraten."

"Wenn er aus einer Todesserfamilie stammt, wieso sollte er dann selber keiner sein?"

Arthur legte den Kopf schief. "Wie war das mit dem Generalverdacht? Er hatte eine überzeugende Geschichte. Und eine bewegende Geschichte. Er hat niemanden mehr und will einfach nur seine Schule beenden."

"Wieso sollte ich davon nichts erfahren? Oder Ron und Harry?"

"Lass die beiden ihre Reise machen! Gib ihnen die Chance das alles zu verarbeiten! Gib dir selber diese Chance!", sagte Arthur verzweifelt. "Es ist nur irgendein Junge. Glaube mir, er ist nicht gefährlich."

Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust.

"Hermine, bitte lass los!" Er legte seine Hände auf meine Schultern. "Du hast viel durchgemacht. Es hat Molly und mir das Herz gebrochen, als ihr drei alleine losgezogen seid. Ihr wart fast noch Kinder. Ich würde dich nicht zurück nach Hogwarts gehen lassen, wenn ich nicht wüsste, dass dir da nichts passieren kann. Vertrau mir!"

Ich atmete tief durch.

"Wenn die Schule wieder anfängt wird er es schwer genug haben. Wir sollten ihm alle Zeit geben, sich an sein neues Leben zu gewöhnen."

Ich überlegte. "Dann lass mich dabei behilflich sein."

"Das wirst du sicherlich noch. Aber jetzt versuche selber erst einmal für deine Familie da zu sein."

Ich nickte und fühlte mich etwas ertappt. Es fiel mir immer noch schwer das gewöhnliche Leben wieder aufzunehmen, ohne hinter jeder Ecke einen dunklen Zauber zu erwarten.

"Danke nochmal, dass du mir heute geholfen hast", sagte ich und umarmte Arthur zum Abschied.

Zurück im Haus lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die Tür. Ich hörte meine Eltern aufgeregt im Wohnzimmer reden. Auf einmal kam mir das Haus seltsam fremd vor. Meine Mutter trat aus dem Wohnzimmer. "Ich mache uns einen Tee." Sie lächelte mich an. Ich nickte mechanisch und folgte ihr.

In der Nacht holten mich schreckliche Alpträume ein. Ich durchlebte noch einmal die große Schlacht. Mit allen Schreien, mit allen Toten. Doch als ich wieder nach Hause kehren wollte, war es nicht mehr da. Das komplette Haus war verschwunden. Ich irrte durch die umliegenden Straßen in der Hoffnung mich nach so langer Zeit der Abwesenheit vertan zu haben. Doch ich fand keine Spur von meinem zu Hause oder meinen Eltern. Alles hatte sich verändert. Ich konnte nicht sagen, ob sie weitergezogen oder vielleicht sogar tot waren. War es eine heimliche Rache der Todesser? Wenn sie schon nicht gesiegt hatten, hatten sie dafür gesorgt, dass wir genug verlieren würden? Nach dem Motto: Im Krieg gibt es keine Gewinner?

Als ich aufwachte, dauerte es eine Weile, bis ich realisierte, wo ich war. Ich schnappte gierig nach der muffigen Schlafzimmerluft und ließ mich zurück ins feuchte Kissen fallen. Am liebsten hätte ich auf der Stelle meine Sachen gepackt und wäre nach Hogwarts gereist. Doch das konnte ich meinen Eltern nicht antun. Wir hatten uns gerade erst wieder und ich wollte sie nicht verlassen. Ich wollte nur nicht hier sein. Es ergab keinen Sinn, aber so fühlte ich mich. Ich ging zum Fenster, öffnete es und atmete tief durch. Arthur hatte recht gehabt, ich musste lernen loszulassen. Ich würde diesen Sommer zu Hause bleiben und gemeinsam mit meinen Eltern ein Muggelleben führen. Noch nie hat sich etwas so unwirklich angefühlt.

Geblendet - TomioneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt