Andere Welt!

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Schmunzelnd beobachtete Charlie Filip und Emil, welche in dem Wagen einer kleinen Achterbahn saßen und eifrig winkten. Zwei wirklich tolle und vor allem unglaublich brave Jungs! Emma und Omar standen etwas abseits, unterhielten sich, während Patryk und sie an der Achterbahn standen. „Es wundert mich, dass Filip tatsächlich allein fährt..." stellte Charlie fest. „Diese Blöße kann er sich vor Emil nicht geben, aber man sieht, dass er sich unwohl fühlt...", erklärte Patryk, während auch der die Jungs aufmerksam beobachtete. „Ich wüsste mal gerne, woher er das hat." Charlie grinste verschmitzt: „Sicher nicht von seinem gottgleichen Vater", feixte sie, trat auf ihn zu und fuhr provokant mit ihren Fingernägeln über seine Brust. „...nicht frech werden", konterte Patryk rau, während seine Augen dunkel aufblitzten. „Sonst....", begann Charlie verführerisch, hielt jedoch abrupt inne als sie, dicht vor seinen Lippen, über Patryks Schulter sah und ausgerechnet Herr und Frau Schultze, wie auch Frida aus ihrer Kindergartengruppe, erblickte. „Oh nein, bitte nicht", entfuhr es ihr leise, wandte sich, ohne darüber nachzudenken, ab und trat hinter eines der Schilder neben ihnen. Das brauchte sie nun wirklich nicht. Irritiert hob Patryk eine Augenbraue, sah über seine Schulter und schüttelte ungläubig den Kopf: „Hast du etwa ein Problem damit mit mir gesehen zu werden?" „Bei dem beruflichen Hintergrund wohl auch kein Wunder...", erklärte Charlie und hob die Schultern. Schlagartig runzelte Patryk die Stirn, betrachtete sie mit ernster Miene: „Was hast du gesagt?". Schnaubend fuhr sich Charlie mit einer Hand durchs Haar, schüttelte sachte den Kopf: „Patryk, ich bin Erzieherin, die Erzieherin deines Sohnes". „Das hat dich weder gestern Abend noch gestern Nacht gestört", erwiderte Patryk missmutig. Wo genau lag sein Problem? Charlie atmete tief durch, trat auf ihn zu: „Da hat uns auch niemand gesehen...es geht niemanden etwas an, dass ich..." „Dass du dich von einem kranken Perversen ficken lässt?...Fuck ihr Weiber seid wirklich alle gleich...". Mit geweiteten Augen sah Charlie ihren Gegenüber an. Was?! „Patryk...nein...ich meinte meinen Jo...", versuchte sie sich zu rechtfertigen, wurde jedoch sogleich schroff unterbrochen: „Lass stecken... verstecke dich und such dir ein Schoßhündchen zum Spielen... ...", knurrte er kaum verständlich, wandte sich ab und ließ sie stehen. Perplex, nahezu erschrocken, sah sie ihm nach. Da hatte sie offensichtlich einen wunden Punkt getroffen. Dabei war es ihr tatsächlich nur um ihren Job, um ihr Arbeitsumfeld, gegangen, dass es niemanden auf ihrer Arbeit etwas anging, was sie so privat trieb und vor allem mit wem. Weder sein Job, sein Lebensstil, noch sein Ruf hatten dabei eine Rolle gespielt. Sie hielt inne. Oder?

„Papa, darf ich eine Portion Pommes?", fragte Filip und sah seinen Vater mit großen Augen an. Seit ihrem Gespräch hatte Patryk sie beinahe gänzlich ignoriert, nur das Nötigste mit ihr gesprochen. Charlie atmete tief durch. Sie musste mit ihm sprechen, ihm erklären, warum sie so reagiert hatte. „Ausnahmsweise...geh zu Omar und Emma. Sie sollen dir eine mitbestellen. Das Geld bekommen sie gleich zurück.", erklärte er und deutete auf die kleine Familie am Pommesstand. Filip nickte freudig und hüpfte los.

„Patryk", ergriff Charlie ruhig die Gelegenheit und trat neben Patryk, welcher sie lediglich mit einem beiläufigen, kühlen Blick bedachte. „Das kam falsch rüber...", fuhr sie erklärend fort. „Ach...", kommentierte er knapp, sein Blick stur nach vorne gerichtet. Charlie schmunzelte: „Jetzt weiß ich zumindest, woher Filip seine Sturheit hat". Selbstsicher trat sie dichter an in heran, fuhr zaghaft mit ihrer Hand in seinen Nacken: „...ich...ich möchte nur nicht, dass dumm geredet wird. Ich bin erst seit wenigen Wochen in diesem Kindergarten...". Patryk atmete hörbar ein, sein Kiefer verhärtet. Charlie lächelte verschmitzt: „...dass du ein kranker Perverser bist, spielt dabei keine Rolle, Teufelchen...", stichelte sie dicht an seinem Ohr, griff bewusst seine gewählten Worte auf, und ließ ihre Zunge hauchzart über seinen Hals gleiten, auf welchem sich sogleich eine sichtbare Gänsehaut ausbreitete. „...ich hätte genauso reagiert, wenn du ein Bänker wärst. Es geht sie einfach nichts an, mit wem ich privat meine Zeit verbringe...". Überraschend begannen Patryks Mundwinkel zu zucken: „Für einen langweiligen Bänker würde ich mich auch schämen", witzelte er, was Charlie erleichtert aufatmen ließ. Da war er wieder! Schmunzelnd hauchte sie einen Kuss auf seine von Gänsehaut gezeichnete Haut: „Immer diese Vorurteile, Herr Mazur".

„Charlie, magst du auch Pommes?", erkundigte sich Filip fröhlich und trat neben sie. „Gerne", erwiderte sie das freundliche Lächeln des kleinen Jungen, bevor sie ein letztes Mal mit der Handfläche über Patryks ausrasierten Nacken strich und zur Seite trat: „Schau mal, dort hinten ist eine Bank, da können wir uns alle zusammen hinsetzen." Filip nickte, sah sich suchend um steuerte stolz die nur wenige Meter entfernte Bank an.

„Hast du heute frei, Patryk?", fragte Emma interessiert, zog die letzte Pommes aus dem Pappschälchen ihres Sohnes und schob sie sich in den Mund. Patryk schüttelte den Kopf: „Nein, heute Abend habe ich noch zwei Sessions", antwortete er, drehte sich um und sah nach den Jungs, welche auf dem benachbarten Spielplatz in ihr Spiel vertieft waren. „Nur zwei? Wirst du alt?", grinste sie, sah ihn herausfordernd an. „Nein, ich bin nur auf das Geld nicht mehr angewiesen", lachte er und hob die Schultern. „...und im Club kann ich mich nach Lust und Laune vergnügen." „Machst du dann nur noch Ladys?", fragte die junge Frau selbstverständlich weiter, ihr Ton seltsam provokant, worauf Patryk erneut den Kopf schüttelte. „Nein...warum?". Emma hob eine Augenbraue, sah bemüht beiläufig zu Charlie, was Patryk irritiert eine Braue heben ließ: „Was hat sie damit zu tun?" „Phase 1....die meisten ‚normalen' Frauen, die du bisher angeschleppt hast, hatten schon allein damit ein Problem." Seltsam nachdenklich betrachtete Patryk Charlie von der Seite, zögerte, als hätte er darüber bisher noch gar nicht nachgedacht: „Wer sind Sie eigentlich, Emma?", ergriff Charlie bestimmt das Wort, sah Emma dabei selbstbewusst in die Augen, welche ihren Blick ebenso selbstbewusst erwiderte: „Eine Kollegin und langjährige Freundin". „...Wir haben uns vor langer Zeit auf dem Straßenstrich kennengelernt", ergänzte Patryk mit ruhiger Stimme, lächelte sanft: „Sie macht sich nur Sorgen. Unsere Branche ist nicht zu unterschätzen. Da erlebt man so einiges." „...vor allem mit euch ‚Normalos'", setzte Emma beinahe abfällig nach und schüttelte schnaubend den Kopf. „Und Omar?", erkundigte sich Charlie, versuchte so die Zusammenhänge langsam zu verstehen, sich ein Gesamtbild über die Situation zu verschaffen. „Er arbeitet gelegentlich im DarkSide als Türsteher, ansonsten ist er Hausmann und Vater", beantwortete Patryk ihre Frage. Ungläubig sah Charlie zu dem ihr gegenübersitzenden schweigsamen, hochgewachsenen, muskulösen Mann mit kurzem, braunem Haar. Hausmann?! Dieser Hüne? „Patryk...du glaubst nicht, was ich letzte Woche erlebt habe. Da kam ein junges Kerlchen zu mir, vielleicht Anfang 20...wollte, dass ich ihn vollständig in Folie einwickle...", plauderte Emma eifrig darauf los, was Patryk leise lachen ließ. „...das ist nun wirklich nichts Ungewöhnliches." Emma zog eine Augenbraue in die Höhe, schüttelte den Kopf: „...er wollte, dass ich ihn wegwerfe...ihn in einer Mülltonne draußen entsorge und ihn über Nacht dort liegen lasse." „Na, da hätte er dich auch gleich fragen können, ob du ihn umbringen möchtest", schmunzelte Patryk gelassen, zückte seine Wasserflasche und trank einen Schluck. Entgeistert sah Charlie ihn an. Was? „Das habe ich ihm auch erklärt... er wollte mir dann tatsächlich eine schlechte Bewertung geben...kannst du dir das vorstellen? Was will er schreiben? Schlechter Service – hat sich geweigert mich umzubringen? Unfassbar...". Sprachlos wechselte Charlie den Blick zwischen Patryk und Emma, schluckte fest, perplex über die Selbstverständlichkeit, die Banalität dieses Gespräches. Diese ‚Nachtwelt', wie Patryk sie nannte, schien tatsächlich eine Welt für sich zu sein, eine Welt ganz abseits der Welt, die sie bisher kannte - Eine Welt, in der Patryk zu Hause war!

Wo zur Hölle war sie da nur hineingeraten?!


DarkSide - Femme FataleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt