Frühstück

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Geweckt von dem schrillen Weckton ihres Smartphones öffnete Charlie die Augen, schob sich tiefer in das warme, weiche Kissen unter ihrem Kopf, umhüllt von diesem unglaublich angenehmen Duft. Patryk! Müde hob sie den Kopf und erblickte den noch tief schlafenden Mann neben ihr. Sie war sich sicher, dass er in der Nacht noch einmal aufgestanden und erst vor ein, maximal zwei Stunden wieder zu ihr ins Bett gekommen war. Nachdenklich sah sie ihn an, sein Kopf vergraben in seinem Kopfkissen, seine Haare wirr, sein Gesicht vollkommen entspannt. Wie konnte man bei diesem Lebensstil, diesen Arbeitszeiten einen gesunden Schlafrhythmus haben? Er war es offenbar gewohnt nachts wach zu sein, in den Tag hinein zu schlafen. Im Grunde das Gegenteil zu den meisten anderen Menschen - Zu ihr! Wie wohl sein Tag aussah, was er wohl tat, wenn Filip im Kindergarten war? Arbeitete er? Ging er Hobbys nach? Traf er Freunde?
„Dir scheint zu gefallen was du siehst, Kleines", riss sie unerwartet eine raue Stimme aus ihren Gedanken, ließ sie unwillkürlich zusammenzucken. „Was?", entfuhr es ihr ertappt, während sie ihren Nebenmann beinahe erschrocken ansah, auf seinen Lippen ein schelmisches Grinsen. Charlie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss, schluckte fest: „Nein...also....ich...ich bin einfach noch nicht ganz wach" „Das erklärt, warum dein Wecker noch immer klingelt", knurrte er leise, was Charlie sogleich hochschnellen ließ: „Oh fuck....entschuldige." Patryk lachte leise, beobachtete, wie sie hastig nach ihrem Wecker griff und ihn zum Schweigen brachte, bevor er sich lediglich in seiner engen schwarzen Boxershorts bekleidet aus dem Bett schob: „Alles gut, der kleine Mann des Hauses muss schließlich auch in den Kindergarten."
„Wann schläfst du eigentlich?", ergriff Charlie neugierig das Wort, wobei auch sie sich allmählich aus der Decke schälte. Patryk schmunzelte müde: „Mal hier, mal da, mal viel, mal gar nicht...wie es eben passt. Mein Körper ist daran gewöhnt.", erklärte er beiläufig und verschwand im Ankleidezimmer. Suchend sah sich Charlie um, gähnte herzhaft und griff nach ihrer Hose, welche sie, wie auch ihr Shirt und ihren BH, noch am Abend zuvor neben dem Bett platziert hatte.

„Wann genau ist nun diese Gartenparty?", vernahm sie Patryks angenehm ruhige Stimme, als er mit einer lockeren Jeans auf den Hüften im Türrahmen erschien. Charlie schmunzelte zufrieden, ihr Puls beschleunigt. Er wollte sie also tatsächlich begleiten: „Samstag, um 17 Uhr geht's los". Nachdenklich sah Patryk sie an, seine Stirn in Falten gelegt: „Nun, Finja könnte früher kommen, ...ich könnte später in den Club gehen...das müsste passen", bemerkte er, bevor sich ein verschmitztes Grinsen auf seine Lippen legte „...aber was zahlst du?"
„Ich bin in Vorkasse getreten, Teufelchen", konterte Charlie keck, spielte damit subtil auf die Geschehnisse der vergangenen Nacht an, was ihn tatsächlich herzlich auflachen ließ. „Gute Antwort, Kleines. Und was genau stellst du dir für deinen Begleiter vor?
Den erfolgreichen Geschäftsmann, den lässigen Kumpel Typ von nebenan, den hörigen verliebten Freund, den perfekten Gentleman, den geheimnisvollen Liebhaber? Das Repertoire ist groß". Mit geweiteten Augen betrachtete Charlie den im Türrahmen stehenden Mann, schüttelte ungläubig den Kopf: „Was? Nein. Einfach den Mann, der du bist - einfach Patryk." Beinahe irritiert hob Patryk eine Augenbraue. Eine Antwort, mit der er offensichtlich so gar nicht gerechnet hatte. Charlie atmete tief durch, zog sich ihr Shirt über den Kopf und trat auf ihn zu: „Vielleicht möchte ich mehr als nur gefickt zu werden...", flüsterte sie, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und verließ mit einem zufriedenen Lächeln das Zimmer. Und tatsächlich! - Sie war neugierig, wollte mehr als das. Sie wollte ihn kennenlernen, wollte wissen wer dieser unglaublich faszinierende Mann eigentlich war.

„Könntest du vielleicht bei einem Bäcker anhalten? Ohne Frühstück bekomme ich Ärger von den Kindern", ergriff Charlie das Wort und sah zu Patryk, welcher sie konzentriert durch den morgendlichen Verkehr lotste - in einem Porsche. „Ojaaaa...", warf Filip freudig von der Rückbank ein: „Bekomme ich ein Schokobrötchen?". „Sicher nicht, kleiner Hai. Ihr habt beide Frühstück in euren Taschen.", erwiderte Patryk beiläufig, wobei seine Mundwinkel verräterisch zuckten. Was?! „Wie? Frühstück?", hakte Charlie irritiert nach, was Patryk nun tatsächlich leise lachen ließ: „Natürlich. Was glaubst du, wer Filips Frühstück macht?" „Finja", stichelte Charlie, als sie an Filips täglich ausgewogenes, gesundes Frühstück dachte. Patryk schüttelte schmunzelnd den Kopf: „Danke dafür", bemerkte er und deutete auf eine Straßenkreuzung unweit des Kindergartens. „Du solltest hier aussteigen, wenn du nicht möchtest, dass deine Kolleginnen erfahren, was du so mit wem in deiner Freizeit treibst."

„Guten Morgen, Sonnenschein", flötete Bea gut gelaunt, als Charlie den Gruppenraum betrat. „...Wo kommst du denn jetzt her?", setzte sie schmunzelnd nach, worauf Charlie fragend eine Braue hob: „Guten Morgen...ähm...wieso?" „Nun...", begann ihre Kollegin beinahe verschwörerisch „...ich kam um viertel nach Sechs und dein Auto stand bereits im Hof, aber kommen tust du erst jetzt. Man könnte denken du hättest auswärts geschlafen, wenn man dich so sieht", fuhr sie zwinkernd fort, auf ihren Lippen ein amüsiertes Grinsen. Eine Tatsache, welche Charlie unwillkürlich schmunzeln ließ. „Ha, ich habe recht", entfuhr es Bea lachend, bevor Charlie grinsend die Schultern hob und im Nebenzimmer verschwand. Verdammt, sie war gut.

„Noch immer er?", fragte Bea neugierig, wobei sie die bunten Teller und Tassen auf dem Tisch verteilte und sie erwartungsvoll ansah. Charlie schmunzelte: „Ja, noch immer er..." „Dein Spinner hat es dir angetan, was?", grinste Bea worauf Charlie eine Augenbraue hob und zurückhaltend den Kopf schüttelte: „Was? Nein...das hat sich gestern einfach spontan ergeben." „Achso, na dann", lachte Bea, zwinkerte erneut und wandte sich von ihr ab: „Frühstück, holt bitte eure Taschen".

Erstaunt betrachtete Charlie die vor ihr stehende Edelstahlbox, schüttelte mit einem zarten Lächeln auf den Lippen den Kopf. Darin ein Körnerbrot belegt mit Käse, Rohkostschnitze, daneben ein kleines Döschen mit Kräuterdip, dazu in einem abgetrennten Extrafach sauber geschnittenes Obst. Er hatte ihr tatsächlich, wie auch Filip, Frühstück gemacht und die Box still und heimlich in ihrer Tasche verstaut. Dieser Mann war unglaublich.

„Ich werde Feuerwehrmann, wenn ich groß bin“, erklärte Simon stolz und biss in sein Wurstbrot. Mia sah auf, griff eine kleine Tomate aus ihrer Box und schüttelte den Kopf: „Das kannst du nicht. Du bist viel zu klein“. „Ich wachse doch noch“, erklärte Simon, wobei er seine Sitznachbarin verständnislos ansah. Mia schnaubte: „Ich werde Prinsessin“. „Prinzessin ist doch gar kein Beruf“, schaltete sich nun auch Armin in das Gespräch ein - Existenzielle Gespräche unter Fünfjährigen. Filip runzelte die Stirn: „Ich möchte in einem Kindergarten arbeiten, wenn ich groß bin. Da muss ich nicht arbeiten, sondern kann den ganzen Tag spielen.“, erklärte er nüchtern und biss genüsslich in seine Karotte, was Charlie, wie auch Bea, welche ihr schräg gegenübersaß, leise lachen ließ. „So einfach ist das dann auch nicht, Filip“, erklärte Bea kopfschüttelnd, bis sie schlagartig innehielt, verdutzt eine Augenbraue hob. Fragend betrachtete Charlie ihre Kollegin, irritiert von ihrem abrupten Stimmungswechsel: „Alles gut?“. Bea runzelte die Stirn, ihr Blick nun aufmerksam auf Charlies Brotdose gerichtet: „Ich kenne diesen Mann, oder?“, warf sie Charlies Nachfrage vollends ignorierend ein, sah sie mit großen Augen an. Charlie schluckte. Shit! Sie wusste es – Offensichtlich verraten durch ein simples, banales Frühstück.

DarkSide - Femme FataleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt