Schlossgespenst

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„Ich habe eine Burg gebaut. Soll ich sie dir zeigen, Charlie?", fragte Filip freudig und deutete in Richtung seines Zimmers. Charlie lächelte sanft: „Natürlich, ich komme gleich...okay?", erwiderte sie, worauf Filip eifrig nickte und im Flur verschwand.

„Wieso hierher?", erkundigte sich Patryk mit erhobener Augenbraue, während er sie neugierig musterte. Schmunzelnd trat Charlie auf ihn zu: „Du sagtest, wohin ich will...und vielleicht will ich die Gesellschaft eines charmanten, gutaussehenden, unwiderstehlichen Mannes noch ein wenig genießen...", feixte sie, was Patryk irritiert aufsehen ließ. Zaghaft ließ sie ihre Fingerspitzen über seine Brust, über seinen Hals streifen, bevor sie sich ihm weiter näherte, ihre Lippen dicht an seinem Ohr: „...und er wartet auf mich", beendete sie ihre Erklärung amüsiert, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, klopfte ihm auf die Brust und ließ ihn vollkommen verdutzt stehen.

„Schau mal da oben ist sogar ein Schlossgespenst gefangen", erklärte Filip und deutete auf den Burgturm, versehen mit kleinen vergitterten Fenstern. Aufmerksam lauschte Charlie Filips Worten und betrachtete die Burg: „Und was hat das Schlossgespenst denn angestellt?". „Wie?", entfuhr es Filip erstaunt, während er sie mit großen Augen betrachtete. „Na, man muss doch etwas anstellen, etwas ausfressen, damit man im Gefängnis landet, oder nicht?", antwortete Charlie ruhig und deutete auf das vergitterte Fenster. Filip runzelte die Stirn, wirkte nachdenklich, beinahe ratlos: „...weil es ein Gespenst ist". „Das ist alles? Nur, weil es ein Gespenst ist?", hakte Charlie nach, was Filips Stirn weiter in tiefe Falten legte: „Gespenster sind gruselig und gemein..." „Es gibt auch nette Gespenster, meinst du nicht auch?" Als hätte der kleine Junge einen Geistesblitz sah er zu ihr auf: „Vielleicht hat er Süßigkeiten geklaut." „Vielleicht", lachte Charlie „...hast du denn auch schon einmal Süßigkeiten geklaut?", fuhr sie fort, was Filip frech grinsen ließ: „Aber nicht Papa verraten...". „Uhhhh", erwiderte sie verschwörerisch und beugte sich zu dem kleinen Jungen hinunter: „Verrätst du mir, was es war." Grinsend hob Filip seine unverletzte Hand und zeigte drei Finger: „Drei Gummibärchen". Schmunzelnd zwinkerte sie dem Jungen zu, öffnete das Gitterfenster und zog das kleine Gespenst hervor: „Also, wenn es nur das war, finde ich, kann man das kleine Gespenst ruhigen Gewissens wieder frei lassen." Eifrig nickend zog Filip ihr das Gespenst aus der Hand und stellte es zu den anderen Figuren: „Ein nettes Gespenst...".

Schlagartig hielt Charlie inne, spürte unerwartet eine seltsame Hitze, welche sich quälend langsam durch ihren Körper zog, sie irritiert aufsehen ließ. Sie erstarrte, ihr Mund staubtrocken, ihr Puls rasend. Im Türrahmen direkt neben ihr lehnte Patryk, die Arme vor der Brust verschränkt, seine Augen fest auf sie gerichtet, auf seinen Lippen ein unwiderstehliches, verführerisches Lächeln. Er hatte sie beobachtet – Sie wusste es, spürte es.

„Es gibt Abendessen ihr Schlossgespenster", brach Patryk nach kurzen Zögern die Stille, riss sich nahezu von Charlies Blick los, was nun auch ihren Spielgefährten aufsehen ließ. „Bleibt Charlie zum Essen?", entfuhr es Filip aufgeregt, in seinen Augen ein freudiges Strahlen. „Natürlich", feixte Patryk, zwinkerte ihr frech zu und stieß sich vom Türrahmen ab. Charlie hob irritiert eine Augenbraue: „Ach tue ich das?" „Wenn ich mich recht erinnere, bist du ohne Auto hier ...und grade steht mir nicht wirklich der Sinn danach dich nach Hause oder zu deinem Auto zu fahren. Also bleibt dir nur diese Option", bemerkte er beiläufig und verließ schmunzelnd das Zimmer. Kopfschüttelnd erhob sich Charlie von dem bunten Spieleteppich, sah Patryk entgeistert nach und folgte Filip, welcher freudig aufsprang und eilig losrannte.

„Ich könnte einfach mit der Bahn fahren...", bemerkte Charlie, als sie nun ebenfalls den Essbereich betrat, auf ihren Lippen ein provokantes Lächeln, während sie beinahe beiläufig mit den Schultern zuckte. Schlagartig hob Patryk seinen Blick, der Ausdruck darin undurchdringlich, undefinierbar, bis er mit unerwartet strenger Stimme das Wort ergriff: „Das erlaube ich nicht". Was?! Ungläubig hob Charlie eine Augenbraue: „Das erlaubst du ni....?" „...und darüber diskutiere ich nicht", fiel er ihr ins Wort, seine stahlgrauen Augen fest auf sie gerichtet, sein Ton autoritär, was Charlie unwillkürlich schlucken ließ. Wie konnte ein Mann so wirkungsvoll auftreten, binnen weniger Sekunden eine solch unbeschreibliche Präsenz ausstrahlen. „Setz dich", befahl er ungeachtet ihrer Verwirrung und deutete auf den Platz neben seinem Sohn. Charlie zögerte, biss sich zaghaft auf die Unterlippe, bevor sie seiner Forderung letztlich nachkam - mit Hintergedanken. Na warte!

Erstaunt ließ sie ihren Blick über den tatsächlichen für drei Personen gedeckten Tisch schweifen. Frisches Roggenbrot, ein Rohkostteller, ein frisch angerührter Kräuterquark, sowie ein hausgemachter Avocadoaufstrich. Käse, Obst, zwei Weingläser und ein bunt bedrucktes Glas vor Filip. „Ein ausgewogenes Abendessen ist wichtig", schmunzelte Patryk, während er sich ebenfalls auf seinem Stuhl niederließ, sie aufmerksam beobachtete. Wie es schien, hatte er ihren verwunderten Blick bemerkt.

Neugierig beobachtete Charlie, wie Patryk die beiden Weingläser mit Rotwein befüllte: „Du scheinst nicht zu beabsichtigen dich heute Abend noch in deinem Club blicken zu lassen". „Als ob mich daran ein Glas Wein hindern würde", konterte er lachend, bevor er ernst wurde: „...Aber nein, ich werde meinen Junior heute Nacht sicher nicht allein lassen." Mit großen Augen sah Filip auf: „Dann bleibst du die ganze Nacht zu Hause?", erkundigte sich der kleine Junge neben ihr freudig und schob sich eine kleine Tomate in den Mund. Charlie hob irritiert eine Augenbraue. Offenbar hatte er all seine Termine bereits abgesagt, hatte nicht vor den Abend in seinem Club zu verbringen. Sie schluckte. Und eben genau in diesem Bewusstsein hatte er sie mit zu sich genommen - Dem Bewusstsein, sie an diesem Abend nicht mehr gehen zu lassen. Patryk nickte knapp: „...aber für dich geht es dennoch nach dem Abendessen ins Bett". „Aber...", setzte Filip an, worauf er sogleich von seinem Vater unterbrochen wurde: „...Nichts aber, Filip". Schnaubend taxierte der kleine Junge seinen Vater: „Du willst Charlie wieder heimlich küssen, oder?... Ich weiß das....", warf er mit gerunzelter Stirn ein, sein Blick todernst. Eine Frage, welche Charlie scharf die Luft einziehen ließ, bis sie schlagartig zu husten begann, sich an dem kleinen Stück Paprika verschluckte, welches sie sich nur wenige Augenblicke zuvor in den Mund geschoben hatte. Was?! Offensichtlich hatte Filip bereits mehr mitbekommen, als ihr lieb war.

Irritiert sah Charlie zu Partyk, gespannt, wie er auf die recht indiskrete Frage seines Sohnes reagieren würde, doch er schmunzelte nur: „Wenn ich tatsächlich vorhätte sie heimlich zu küssen, kleiner Hai, würde ich es dir sicherlich nicht verraten", konterte er lässig, griff nach seinem Weinglas, hob es an und sah Charlie unvermittelt in die Augen. Sie kannte die Antwort und allein der Gedanke daran beschleunigte ihren Atem, erfüllte ihren Körper mit einer seltsamen Vorfreude. Eine Vorfreude, welche ihre Mitte sehnsüchtig pulsieren ließ, ihren Slip binnen weniger Sekunden mit einer angenehm, warmen Feuchte durchzog. Nachdenklich sah Filip zu seinem Vater auf, zögerte, bis er verstehend zu nicken begann: „Stimmt".

Ungläubig schüttelte Charlie den Kopf, froh darüber, dass Filip es dabei beließ - Natürlich, eine plausible Antwort für einen Fünfjährigen, doch was wusste, was verstand der kleine Junge wirklich? Was hatte er bisher tatsächlich mitbekommen?

„Gehst du bitte schon einmal ins Bad", bemerkte Patryk ruhig und sah seinen Sohn erwartungsvoll an. „Ich komme gleich und helfe dir, in Ordnung?". „...aber ...Papa", startete Filip einen wiederholten Versuch seine Schlafenszeit weiter hinauszuzögern. Patryk atmete tief durch: „Los jetzt... du hast morgen Kindergarten". „Charlie auch...", schnaubte der kleine Junge missmutig und schob sich wiederwillig von seinem Stuhl. „Filip", mahnte Patryk erneut, wobei seine Mundwinkel jedoch verräterisch zu zucken begannen. Eine Tatsache, die Charlie ebenso schmunzeln ließ, bemüht nicht herzlich loszulachen. So ganz unrecht hatte Filip damit schließlich nicht. Auch sie musste am nächsten morgen früh raus. „Charlie ist erwachsen. Sie darf selbst entscheiden, wann sie ins Bett geht, kleiner Hai...du jedoch hast noch auf mich zu hören...also los jetzt", setzte Patryk nach und deutete Richtung Badezimmer. „Das ist unfair...", murrte Filip leise, warf seinem Vater einen bitterbösen Blick zu und trottete los.

„Du hattest gar nicht vor mich heute noch nach Hause zu fahren", stellte Charlie herausfordernd fest, hob ihren Blick und sah unvermittelt in Patryks aufblitzende Augen. „Du hast entschieden mit hierher zu kommen und ich, dass ich dich vor morgen früh nicht wieder gehen lasse. So trifft jeder seine Entscheidungen", konterte er keck, stand auf, räumte die Teller in die Spülmaschine und folgte seinem Sohn ins Badezimmer. Perplex, sah Charlie ihm nach, unfähig auch nur ein Wort darauf zu erwidern. Diese Selbstverständlichkeit, diese Unverfrorenheit - Diese unglaubliche Arroganz. Sie atmete tief durch, biss sich mit Nachdruck auf die Unterlippe, während sie ihre vor Anspannung zitternden Finger durch ihr Haar schob. Ungläubig, beinahe fassungslos schüttelte sie den Kopf. Sie war es, die ihn hatte ärgern wollen, doch nun begriff sie, dass er es war, der die Überhand über diese Situation hatte. Sie es war, die in seine Falle getappt war. Dieser Teufel!


DarkSide - Femme FataleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt