Brokkoli & Haie

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Gedankenverloren beobachtete Charlie den blonden Jungen neben sich, wie er akribisch den Brokkoli aus dem gebratenen Gemüse suchte und ihn an den Rand des Tellers schob. Kaum zu glauben, dass dieser kleine, zierliche Junge mit Brille auf der Nase ausgerechnet Patryks Sohn sein sollte. Sie schluckte, biss sich zögerlich auf die Lippe. Der Mann, der sie nur wenige Tage zuvor mit seiner fesselnden dominanten Art in seinen Bann gezogen, sie lustvoll gequält und ihr letztlich mehr als nur einen Höhepunkt verschafft hatte.
Mühevoll rief sie sich zur Ordnung, schüttelte den Kopf, in der Hoffnung, ihre Gedanken einfach abschütteln zu können: „Den Brokkoli isst du aber auch, Filip“, lenkte sie sich selbst ab, worauf der kleine Junge skeptisch eine Augenbraue hob: „Nein“, erwiderte er knapp, piekte ein Stück Paprika auf und schob es sich in den Mund. „Schmeckt dir Brokkoli nicht?“, hakte Charlie interessiert nach, worauf Filip lediglich die Schultern hob. „Papa isst auch keinen Brokkoli“, erklärte er nuschelnd. Nun war es Charlie, die eine Braue in die Höhe zog: „Und deswegen isst du ihn auch nicht? Da ist dein Papa aber ein schlechtes Vorbild“, schmunzelte sie und deutete auf das aussortierte Gemüse. „Probiere es doch wenigstens einmal…vielleicht hat dein Papa keine Ahnung, was gut ist“, fuhr sie witzelnd fort und zwinkerte dem Jungen verschwörerisch zu. Nachdenklich sah Filip sie an, runzelte die Stirn, bevor er tatsächlich ein kleines Stück Brokkoli auf seine Gabel schob und es zaghaft mit den Lippen hinunterzog, andächtig zu kauen begann. „Und?“, erkundigte sich Charlie lächelnd. Erneut legte Filip seine Stirn in Falten, überlegte sichtlich angestrengt, schluckte und sah sie mit einem breiten Grinsen an. „Ist gar nicht so schlimm“, bemerkte er, was Charlie leise lachen ließ: „Siehst du“.

„Bis morgen, Armin“, verabschiedete sich Charlie von dem kleinen dunkelhaarigen Jungen, welcher an der Hand seiner Mutter die Tür verließ, bevor sie ihren Blick aufmerksam durch den Gruppenraum schweifen ließ. Mit einem liebevollen Lächeln auf den Lippen beobachtete sie Filip, der nun als einziger in der Schmuseecke saß und sie mit seinen großen grauen Augen ansah. Irritiert schaute sie zur Wanduhr oberhalb der Tür: - 15:56 Uhr. Nur noch wenige Minuten bis zur Schließzeit des Kindergartens.
„Holt Finja dich heute ab?“, erkundigte sie sich und ließ sich auf dem Boden neben ihm nieder. Zögerlich zuckte er mit den Schultern: „Weiß nicht“. „Sie kommt sicher gleich. Was hältst du davon, wenn du dich schon einmal anziehst und wir noch ein wenig draußen spielen bis du abgeholt wirst?“ „Oh ja“, rief der kleine Junge mit einem Strahlen in den Augen aus und hechtete in den Flur.

„Schau mal Charlie, das ist mein Piratenschiff“, erklärte Filip begeistert und winkte ihr vom hölzernen Klettergerüst mit Hängebrücke, Kletterseilen und Rutschbahn zu. Charlie schmunzelte. Er war tatsächlich ein bildhübscher kleiner Wildfang, wenn er seine Scheu gegenüber anderen Menschen abgelegt hatte. Frech und aufgeweckt. „Da sind Haie“, ergänzte er lachend und deutete auf die Wiese vor ihr. „Was? Wo?“, entfuhr es Charlie spielerisch, was Filip herzhaft auflachen ließ. „Na da!“, rief er und deutete erneut auf die Wiese vor ihr „…dann musst du mich retten, Filip“ „…schnell komm aufs Schiff…da kommen die Haie nicht hin“, erklärte der kleine Junge amüsiert. „Na das hoffe ich doch“, witzelte sie, hastete los und kletterte lachend auf das Klettergerüst. Neben Filip ließ sie sich nieder, die Beine nach unten baumelnd, worauf der kleine Junge hastig auf sie zusprang, den Stoff ihrer Jeans griff und sie mühevoll nach oben zog: „Du musst die Beine hochnehmen, sonst beißen dir die Haie doch in die Füße.“, stöhnte er angestrengt und plumpste mit dem Hintern auf das kühle Holz. „Seit wann können Haie denn fliegen?“, erkundigte sie sich, schüttelte dabei amüsiert den Kopf. „Nicht fliegen! Springen! So ein weißer Hai kann fast 6 Meter hoch springen“. Erstaunt hielt Charlie inne: „Was?“, stieß sie überrascht aus, worauf Filip eifrig nickte. Hastig zog Charlie ihre Füße hoch: „Ich möchte ganz sicher nicht gebissen werden.“ „Das kommt wohl auf die Grundsituation an“, vernahm sie eine angenehm raue Stimme nur wenige Meter entfernt. Eine ihr nur allzu bekannte Stimme, die ihren Körper augenblicklich auf ungeahnte Weise reagieren ließ, ihn mit einer wohligen Gänsehaut überzog, die feinen Härchen ihres Körpers binnen Sekunden aufrichtete. Patryk! „Papa“, rief Filip freudig, ließ sich rasant die Rutsche hinuntergleiten, rannte zu seinem Vater und sprang ihm überschwänglich in die Arme. „Witaj, mały rekin“, grinste Patryk, gab seinem Sohn zur Begrüßung einen kleinen Kuss auf die Lippen und stellte ihn wieder auf dem Boden ab. Charlie schluckte, musterte gebannt diesen innigen, vertrauten Umgang zwischen Vater und Sohn. Diesen unverschämt attraktiven Mann in einem perfekt sitzenden schwarzen dreiteiligen Anzug, darunter ein ebenso schwarzes Hemd mit passender Krawatte, seine Haare streng zurückgekämmt. „Charlie hat gesagt, dass du keine Ahnung hast, was gut ist“, sprudelte es aus dem kleinen Jungen hervor, während Charlie vom Klettergerüst kletterte. Was?! Abrupt hielt sie inne, sah auf und blickte sogleich in Patryks funkelnde Augen. Amüsiert hob er eine Augenbraue, taxierte sie regelrecht: „Das hat Charlie gesagt?“. „Es ging um Brokkoli“, warf Charlie hastig ein, hoffte damit die sich immer weiter aufladende Spannung zwischen ihnen im Keim zu ersticken. „Sie sind spät, Herr Mazur“, setzte sie selbstsicher nach, lenkte so das Gespräch gezielt in eine vollkommen andere, ernsthaftere Richtung. Erneut hob Patryk eine Augenbraue: „Entschuldige, ich hatte noch Termine“, erwiderte er gelassen, strich mit der Hand durch das blonde Haar seines Sohnes und deutete auf die Schaukel: „Spiel doch noch zwei Minuten, dann gehen wir“, fuhr er fort. Filip lächelte begeistert, hechtete los und begann zufrieden zu schaukeln.

„Termine also?“, stichelte Charlie herausfordernd, als sie neben Patryk trat und ihn unvermittelt ansah „Oder doch erst ausgeschlafen?“, fuhr sie keck fort, was seine Augen sichtlich aufblitzen ließ. Mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen griff Patryk nach seinem Hemdkragen, schob ihn wenige Zentimeter nach unten und entblößte so drei feuerrote, blutunterlaufene, verkrustete Kratzer: „Termine, Kleines“, wiederholte er nachdrücklicher als zuvor, der Schalk in seinen Augen unverkennbar. Eine bewusste subtile Erinnerung daran, was er beruflich tat. Eine Tatsache, die Charlie regelrecht erstarren ließ. Sie schluckte hart, ihr Mund staubtrocken, ihr Blick gebannt auf die Kratzer an der Seite seines Halses gerichtet, vermutlich verursacht durch die langen Fingernägel einer schönen Frau. Ein Gedanke, der ihr schlagartig die Kehle zuschnürte, ihr die Luft zum Atmen nahm. War das sein scheiß Ernst?! Prüfend warf sie einen Blick zu Filip, vergewisserte sich, dass der Junge beschäftigt war, in seiner eigenen Welt spielte und ihnen keinerlei Aufmerksamkeit schenkte. „Du kommst zu spät zum Kindergarten, weil du irgendwelche Frauen ...weil du sie für Geld…“, druckste Charlie mit geweiteten Augen, nicht fähig einen graden Satz herauszubringen, was ihren Nebenmann leise auflachen ließ: „Das ist mein Job, Kleines und ich ficke sie nicht, wenn es das ist, was du sagen wolltest.“, schmunzelte er sichtlich amüsiert. Sprachlos sah sie ihn an. Die Unverfrorenheit, diese überhebliche Art, mit welcher er sich über sie lustig machte. Sie atmete tief durch, straffe ihre Schultern und sah ihm selbstbewusst in die Augen. Von wegen, er fickte nicht! „Wie konsequent du darin bist habe ich ja bereits bemerkt, Teufelchen“, stellte sie provokant fest, während sie ihn mit herausforderndem Blick musterte. Unauffällig, beinahe beiläufig, trat er dichter an sie heran, seine Brust nun direkt an ihrer Schulter, sodass sie die von ihm ausgehende Wärme deutlich spüren konnte, sie sein angenehmer, betörender Duft regelrecht an der Nase kitzelte: „Auch ich habe ein Privatleben, Kleines…oder hast du bisher etwas zahlen müssen?“, raunte er heiser, seine Lippen dicht an ihrem Ohr. Oh Shit! „Papa, ich muss mal“, riss Filips grelle Stimme sie schlagartig aus ihrer Trance, ihr Körper angespannt, erfüllt von einer immensen Lust, dem Drang, diesen Mann einfach zu packen, ihre Lippen auf die seinen zu pressen, seine Zunge an ihrer zu spüren. „Dann geh schnell“, erwiderte Patryk ruhig, wobei sich der Klang seiner Stimme deutlich verändert hatte, unglaublich heiser und rau wirkte. Auch er schien diese unerträgliche Spannung zwischen ihnen zu spüren.
Kaum hatte Filip den Gruppenraum betreten, war aus ihrem Sichtfeld verschwunden, umfasste Patryk ihre Taille mit festem Griff, zog sie bestimmt an sich und presste seine Lippen wild und hemmungslos auf ihre, drang forsch zu ihrer Zunge vor und begann sie auf unglaublich geschickte Weise zu necken, sie geradezu herauszufordern. Charlie keuchte überrascht auf, vergrub ihre Finger hastig in seinen Haaren, hielt sich regelrecht an ihm fest, aus Angst sich in dieser unvorstellbaren Welle der Erregung zu verlieren, kläglich in der Intensität dieses Kusses zu versinken.

Heilige Scheiße! Was um Himmels Willen tat sie da? Mühevoll versuche sie einen klaren Gedanken zu fassen, löste ihre Hände aus seinen Haaren, legte sie zitternd vor Anspannung auf seiner Brust ab und schob ihn, so nachdrücklich es ihr von Lust vereinnahmter Körper nur zuließ, von sich.
Ihre Atmung überschlug sich regelrecht, während ihr Herz mit voller Wucht gegen ihre Brust hämmerte, ihr Blick gebannt auf sein nahezu makelloses Gesicht gerichtet, diese einnehmenden funkelnden Augen.
„Fertig“, ertönte Filips Stimme hinter ihnen, was Charlie ertappt zurückschrecken ließ, zurück in die Realität, zurück auf den von Bäumen und Hecken umrandeten Spielplatz ihres Arbeitsplatzes.
„Na dann los“, ergriff Patryk unerwartet das Wort und blickte zu seinem Sohn, welcher mit einem breiten Lächeln auf seinen Rucksack zu hüpfte.
„Und ich weiß sehr wohl, was gut ist. Wir sehen uns“, zwinkerte Patryk im Vorbeigehen, sah ihr für einen winzigen Augenblick tief in die Augen, nahm seinen Sohn an der Hand und verließ sicheren Schrittes das Gelände.
Sprachlos, vollkommen perplex sah Charlie ihm nach, schluckte kontrolliert, versuchte wieder zu Atem zu kommen, ihren rasenden Puls wieder in geregelte Bahnen zu lenken. Wie konnte ein ihr im Grunde fremder Mann sie nur so ihre Hemmungen verlieren, sie alles, restlos alles, um sie herum vergessen lassen? – Noch nie zuvor hatte sie so etwas erlebt!

DarkSide - Femme FataleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt