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„Was machst du da schon wieder?"

„Schon mal was von der goldenen Milch gehört? Wir werden demnächst damit anfangen. Und jeden Tag in Kombination mit Schwarzkümmelöl soll Kurkuma alles heilen außer den Tod."

An meinem Ohrläppchen war ein Ziehen zu spüren. So äußerte mein Körper seine Skepsis.

„Wieder so eine Schnapsidee ..."
„Keine Schnapsidee!", erwiderte ich mit einem Kopfschütteln und tippte weiter voller Tatendrang auf die Tasten des Laptops.

„Mhm. Du hast ohnehin kein Durchhaltevermögen und außerdem ist Kurkuma ..."

Plötzlich verspürte ich einen Würgereiz.

„Stell dich nicht so an! Ich bin Koch ... ich werde das schon schmackhaft machen."

Mit diesen Worten wurde der Bestätigungsbutton gedrückt und ein Kilo vom Gewürz des Lebens landete im Warenkorb.

...

Das war vor einem Monat und eines kann ich euch sagen: Wenn ihr glaubt, man merkt einen Teelöffel des Schwarzkümmelöls nicht in 1 Liter Flüssigkeit, dann muss ich euch enttäuschen. Am besten man schluckt den Teelöffel Öl und spült gleich mit einen halben Liter Was-auch-immer nach.

Wann genau sich mein Körper und ich auseinandergelebt haben, weiß ich nicht mehr.

Was heißt auseinandergelebt? Wir redeten halt oft aneinander vorbei und befanden uns bis vor Kurzem in einer Art Hassliebe. Ihr wisst ja wahrscheinlich, wie das ist, wenn zwei Sturköpfe aufeinandertreffen. Und dann war da auch noch der innere Schweinehund, der meine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte.

Soweit ich mich zurückerinnern kann, war die Volksschulzeit eigentlich ganz okay gewesen.

Der Horror kam dann in der Hauptschule. Bis auf eine Freundin und eine Handvoll Jungs kamen alle meine liebgewonnenen Klassenkameraden aus der Volksschule in eine andere Klasse.

In der Schule bin ich eher Mittelmaß gewesen, aber ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem ich gerne hingegangen wäre. Zum einen hat es mich nicht interessiert, zum anderen war Mobbing ein Thema und es war das erste Mal, dass ich meinen Körper wirklich gehasst habe.

Kinder sind grausam ... ein Spruch, der gerne und leichtfertig verwendet wird. Aber nur wer es auch erlebt hat, kennt die wirkliche Bedeutung.

Sich im Sport voreinander umzuziehen, vielleicht sogar duschen oder mit den Jungs gemeinsam ins Schwimmbad gehen zu müssen ... das Vergleichen untereinander. Einigen Kindern fällt das eben nicht so leicht wie anderen. Heute gibt es Internetforen und Gleichgesinnte können sich austauschen. Früher gab es gar nichts. Und mit den Eltern oder Lehrern über so etwas reden ... hätte es irgendwas gebracht?

Ab da hat der Teufelskreis mit der Esserei angefangen. Es half meinem Wohlbefinden ... kurz.

Dieser ganze Mist war früher schon schwer, aber ich denke heutzutage ist Cybermobbing in den sozialen Medien ein ganz anderes, vielleicht sogar viel härteres Thema. Frauen mit mehr Fülle bekommen das Gefühl nicht so viel wert zu sein wie schlanke Frauen und das ist schrecklich! Mädchen, die gerade in die Pubertät gekommen sind, fangen mit ihren ersten Diäten an!

Nach einer zweijährigen Haushaltungsschule folgte die Berufsschule und ich war wieder in meinem Gleichgewicht. Die Internatszeiten waren die tollsten Zeiten, die ich bisher erlebt hatte.

Der Beruf Koch war nicht meine erste Wahl gewesen, aber er wurde zu meiner Leidenschaft.

Nach der Lehrzeit zog ich aus – sozusagen vom Dorf in die Stadt. Nein, irgendwie stimmt das nicht, denn seit meinem 14. Lebensjahr war ich ohnehin nur noch sporadisch zu Hause.

Mit der Arbeit hatte ich dann auch nicht immer Glück. Vier Arbeitsstellen, davon zwei Mal Pächterwechsel und das Personal wurde nicht mitübernommen. Sowas kann schon ganz schön frustrierend sein. Und dann sagt einem der dritte Arbeitgeber nach fünf Monaten, dass er dich nur für Urlaubs- und Krankenstands- Vertretung eingestellt hat und du wieder gehen musst. 

Immer Ärger mit dem SchweinehundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt