Ich finde den Vergleich mit einem Scheinwerfer ziemlich gelungen:
Schmerzen haben ein großes Talent dafür, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Stell dir einen Scheinwerfer vor, der die unterschiedlichen Bereiche deines Lebens beleuchtet. Manchmal kann es jedoch sein, dass Schmerzen anhalten, obwohl gar keine Ursache mehr vorliegt. Wenn du unter chronischen Schmerzen leidest, also wenn die sie länger als vier Monate andauern, ist der Lichtkegel oft ausschließlich auf die Schmerzen gerichtet, während andere Bereiche im Schatten liegen.
Das ist belastend und kann auch in Depressionen enden.
Um den Schmerz zu unterbrechen, hilft es manchmal, bewusst eine andere Körperhaltung anzunehmen. Je früher er unterbrochen wird, desto weniger bildet sich das Schmerzgedächtnis aus.
Während es bei akutem Schmerz wie einem gebrochenen Arm sinnvoll ist, sich zu schonen, ist das bei chronischen Schmerzen nicht der Fall. Lass dich nicht von deinen Schmerzen abhalten! Ich weiß, es kostet Überwindung und ist nicht einfach. Wenn es jedoch gelingt, trotz der Qualen aktiv zu sein, trägst du enorm dazu bei, Schritt für Schritt dein Schmerzgedächtnis zu verändern.
Auch wenn es leider keinen Knopf und auch kein Medikament gibt, mit dem du dein Schmerzgedächtnis löschen kannst, kannst du es positiv beeinflussen. Schmerz ist keine Einbahnstraße. Unser Gehirn hat die Möglichkeit, eigene körpereigene Schmerzmittel – sogenannte Endorphine zu produzieren und in die Gegenrichtung zu schicken und schon muss sich der Scheinwerfer zwangsläufig von den Schmerzen abwenden. Es hilft, wenn du dich bewusst ablenkst. Beweg dich, sorge für Entspannung, lerne wieder zu genießen! Geh ins Kino, mach einen Wellnesstag oder schau dir Tiervideos auf YouTube an. Mach dir was Gutes zu essen, telefonier mit einer Freundin oder meditiere – ich beneide alle die das können.
Positive Gedanken wirken wesentlich intensiver als negative und können so das Schmerzgedächtnis überlagern und abbauen. Den Aufmerksamkeitsfokus zu verschieben, braucht Übung. Es kann sein, dass der Scheinwerfer schnell wieder zum Schmerz zurückkehren möchte. Hab Geduld!
Aufgrund der Schmerzen neigt man zu übertriebener Vorsicht und Schonhaltung. Die Angst ist da, durch bestimmte Bewegungen, Fehlbelastungen oder Aktivitäten den gesundheitlichen Zustand zu verschlimmern. Aber ein ständiges Schonverhalten geht mit der Verminderung der Lebensqualität einher, was wiederum zu psychischen Belastungen und erhöhten Verspannungen führen kann.
Aber je länger die Aufmerksamkeit auf den Schmerz gelenkt wird, desto größer wird die Verschaltung im Gehirn diesbezüglich. Daher erinnert man sich auch noch Jahrzehnte später an Unfälle, wenn man den Ort erneut besucht.
...
Das Reinsteigern in negative Gedanken oder in den Schmerz kann dich allerdings auch in ein tiefes Loch ziehen, aus welchem du dich letzten Endes nur schwer selbst befreien kannst.
Durch die mangelnde Bewegung wird die Muskulatur abgebaut, was wiederum zu weniger Aktivität führt. Es entsteht ein Teufelskreis, aus dem man nicht mehr so schnell herauskommt.
Aber eines habe ich in all diesen schmerzhaften Monaten gelernt: Wenn es wieder mal wo zwickt, muss man nicht gleich zum Arzt, denn die sind meistens ratloser als man selbst und das führt nur zu Frustration.
Bei einer Verletzung oder Bruch ist es natürlich in Ordnung, zu röntgen. Aber ansonsten verzichtet für den Anfang erst mal auf bildgebendes Material. Auf Röntgenbilder wird möglicherweise ohnehin nichts zu sehen sein und außerdem beträgt die Wartezeit für ein MRT oft Wochen oder Monate und wenn dann nichts zu sehen ist, stehst du erst wieder vor einem Rätsel. Bei mir wurde vor vier Jahren ja ein Bandscheibenvorfall festgestellt, aber der Arzt konnte mir auch nicht sagen, ob die Schmerzen jetzt damit zusammenhängen ...
Also spekuliert man weiter und macht nur selber unnötig verrückt.
Es ist auch wichtig, offen und ehrlich mit sich selbst zu sein. Oftmals versuchen wir unangenehme Gedanken zu verdrängen, anstatt ihrer Ursache auf den Grund zu gehen.
Sieh deine Schmerzen als eine Chance zur Verhaltensveränderung und nicht als Feind. Erlange die Kontrolle zurück; dein Körper braucht dich!
Zwar können Ärzte bei der Heilung unterstützen (meistens mit unnötigen Schmerztabletten und unwirksamen Salben), doch nur du selber kannst wirklich aktiv zur Verbesserung beitragen.
...
Ich kann nur erzählen, wie es bei mir gewesen ist. Bewegung hilft, hieß es immer, aber eine Anleitung gab es nie. Mit dem Gehen oder Walken kann man nichts verkehrt machen, aber zum einen liest man davon, unbedingt Dehnungsübungen zu machen, aber zum anderen meinte meine Physiotherapeutin das besser sein zu lassen, da alles nur noch mehr gereizt werden würde.
Ich bin für mich zu dem Entschluss gekommen, auf meinen Körper zu hören – der weiß schließlich am besten, was geht und was nicht. Wenn es bei den Übungen ein wenig zieht, ist das völlig in Ordnung. Dranbleiben, regelmäßig machen und dann geht es jedes Mal ein Stück mehr.
Keine ruckartigen, sondern langsame Bewegungen und wenn es schmerzt, dann hört auf!
Fortschritte brauchen Zeit. Man darf sich auch langsam bewegen, aber nicht stehenbleiben.

DU LIEST GERADE
Immer Ärger mit dem Schweinehund
NonfiksiWegen meiner Sturheit habe ich meinem Körper viel zu lange nicht zugehört, dabei wollte er in den vergangenen Jahren sehr oft mit mir reden. Heute verstehen wir uns wieder und können uns aufeinander verlassen. Ich bin weiblich, 42, und wenn ich um...