1. Kapitel

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Hätte mir jemand vor einem halben Jahr gesagt, dass Werwölfe tatsächlich existieren, hätte ich ihm vermutlich den Vogel gezeigt.

Doch nun da ich hier saß und meine Mutter mir vorsichtig versuchte beizubringen, dass ich aus einer Beziehung mit eben so einem Ungeheuer entstanden sein soll, stellte sich meine ganze Welt auf den Kopf.

" Ich weiß, das muss man erst einmal verdauen..." sagte sie beinahe ruhig.

Ich fühlte mich mehr als betrogen. Ich war wirklich stinksauer. "Ist das dein scheiß Ernst?! Du erzählst mir hier, dass ich mich jeden Moment in eine haarige Bestie verwandeln könnte und du sagst mir ich soll ruhig bleiben?" schrie ich nun.
"Du musst deine Gefühle kontrollieren... wenn du dich zu sehr aufregst, könnte es deine Verwandlung auslösen" versuchte sie mich zu beruhigen.
Ich atmete tief durch. Ich wollte das so weit wie möglich hinauszögern.

Mein "Vater" würde mich morgen abholen. Werwölfe brauchten schließlich ein Rudel. Ich sollte mit einem fremdem Mann gehen, der sich nie um mich gekümmert hatte. Von dem ich bis vor 10 Minuten dachte, er sei tot.

Warum meine Mutter es mir so lange verschwiegen hatte, verstand ich nicht. Sollte ich nicht vorbereitet sein? "Warum erst jetzt?" fragte ich mit Tränen in den Augen.

"Ich musste es versprechen" flüsterte sie und unterdrückte ihre Tränen. Sie strich mir vorsichtig eine Haarsträhne zur Seite und schenkte mir ein mitleidiges Lächeln.

Tränen liefen mir über die Wangen. Meine Mom nahm mich, ohne ein weiteres Wort zu sagen, fest in den Arm.

Gerade hatte ich fertig gepackt, da rief meine Mom schon nach mir. Ein letztes Mal sah ich mich in meinem kleinen Zimmer um und ging dann schnell die Treppe hinab.

Im Wohnzimmer angekommen, erblickte ich einen ziemlich großen, muskulösen Mann. Er strahlte eine ziemliche Dominanz aus, was mich noch mehr einschüchterte.

"Du musst Romeo sein" erklang die tiefe Stimme des Fremden und er streckte mir eine Hand hin. Ich starrte ihn nur an. Er zog die Hand weg und kratzte sich verlegen am Kopf.

"Ich bin Matthew, dein..." fing er an, doch wurde schnell von mir unterbrochen. "Erzeuger" ergänzte ich kalt. Meine Mom warf mir einen warnenden Blick zu.

"Na da hast du ja einen echten Charmeur großgezogen, Victoria" sagte er schmunzelnd. "Er ist eigentlich zahm" gab sie lachend zurück.

Beleidigt knirschte ich mit den Zähnen. "Na los, Großer. Ihr habt eine lange Fahrt vor euch" sagte sie. Sie küsste meinen Scheitel. Das bereitete ihr keine Probleme, ich war schließlich kleiner als sie.

"Bye, Mom" flüsterte ich und folgte Matthew zu seinem pickup Truck. Meine Tasche schmiss ich auf die Ladefläche, setzte mich auf den Beifahrersitz und schlug fest die Tür hinter mir zu.

"Das ist doch kein Panzer! Du knallst keine Tür, die nicht dir gehört. Klar genug? " schimpfte er streng. "J-ja, Sir" stotterte ich und starrte ihn ängstlich an. Er nickte zufrieden und startete dann den Motor.

Ich schwieg und sah nur aus dem Fenster. Ich vergoss unauffällig ein paar Tränen. Wieso ließ mich dieser Typ nur so klein fühlen?

"Ich wollte dir keine Angst machen, Kleiner" sagte er. Ich sah ihn verwundert an. "Bitte, hör auf zu weinen... du sollst bloß die Tür nicht so schmeißen" erklärte er ganz ruhig. Ich nickte schnell.

"Erzähl mir was von dir" sagte er ,um endlich ein Gespräch anzufangen. Ich zuckte nur die Schultern. "Da gibt es nichts Spannendes zu berichten" sagte ich. Das stimmte auch. Ich hatte keine richtigen Freunde, war meistens allein für mich. Ich war nicht wie die anderen Jungen, aber das machte mir auch nichts aus.

"Ach, komm... da gibt es bestimmt irgendwas" versuchte er es erneut. "Ich heiße Romeo, ich bin 16, ich mag schwarz, auch wenn es keine Farbe ist, ich lebe vegetarisch und bin ziemlich geschickt im Dinge reparieren. Ich bin gern für mich allein und seit gestern weiß ich, dass ich nicht normal bin und sitze nun hier" kam es aus mir heraus.

Matthew schmunzelte. "Siehst du" sagte er "das war doch ein Anfang... vegetarisch also? Wie das?" fragte er. "Ich bin kein irrer Klimaaktivist... mir schmeckt es einfach nicht mehr... und die Tiere streichele ich auch lieber als sie zu essen" erklärte ich.

"Verstehe" sagte er nachdenklich. "Und was denkst du welchen Rang du haben wirst?" fragte er. "Rang?" fragte ich verwirrt. "Ach ja entschuldige.... Werwölfe haben Mates. Das sind Seelengefährten, die die Mondgöttin bestimmt. In jedem Werwolfpaar gibt es den dominanten und den submissive Partner, das vereinfacht vieles... und dann gibt es natürlich noch die Ränge... Der Alpha ist sozusagen der Chef... sein Gefährte oder seine Gefährtin ist die Luna, sie ist vor allem für die Kinder zuständig, hat aber für alle Anliegen ein offenes Ohr und vermittelt, dann folgen Beta, der quasi die Stellvertretung des Alphas ist und ihm unter die Arme greift, sowie der Gamma, der sich um die Kampfausbildung kümmert... das sind die bedeutendsten Ränge... eine sehr seltene und besondere Aufgabe hat ein Omega, er fühlt Probleme im Rudel und ist so eine Art Kummerkasten " erklärte er.

Ich hörte gespannt zu. "Da es Dom/Sub- Beziehungen sind, leben die meisten Werwölfe im BDSM-Lifestyle... kannst du damit was anfangen?" fragte er nun. Ich schüttelte den Kopf.

"BDSM steht für Bondage und Disziplin, Dominanz und Unterwerfung, Sadismus und Masochismus... also gibt es Dom und Sub, Herr und Sklave, Master und Pet, Daddy oder Mommy Dom und Little als Partnerschaften oder man hat eine ganz normale Vanilla-Partnerschaft, das ist aber bei uns eher selten. Die Partner stellen sich dabei natürlich bunt gemischt zusammen, auch vom Alter her" erklärte er weiter.

Ich war völlig baff. "Ich glaube das reicht erstmal... das waren ganz schön viele Informationen auf einmal... Hast du Hunger?" fragte er. Ich nickte, immer noch in Gedanken.

Er fuhr in einen Drive-In und bestellte mir einen Veggieburger mit Pommes und Eis. Er selbst aß einen Doppelburger mit extra Bacon.

Während wir so saßen und aßen, beobachtete ich ihn genauer. "Und was bist du?" fragte ich. "Ich bin der Gamma des Rudels und ein Dom... ich habe allerdings mein Mate noch nicht gefunden..." erklärte er etwas geknickt.

"Ist das schwer?" fragte ich. "Manche finden sich nie... aber die Mondgöttin versucht die Dinge glücklich zu lenken... ein einsamer Wolf ist eine tickende Zeitbombe" erklärte er. Ich bekam etwas Angst. Aber als er mich aufmunternd anlächelte verschwand sie, wie von Zauberhand wieder.

Wir setzten uns zurück und fuhren weiter. Ich schlief irgendwann ein.

Little wolfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt