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„Guten Morgen ihr zwei", begrüßte Nicolai uns in der Küche. Ich bemühte mich wirklich, mir meinen Schmerz nicht ansehen zu lassen, aber dass etwas nicht stimmte, schien er zu bemerken.
„Die anderen sitzen schon im Esszimmer. Setzt euch ruhig dazu", wies er uns an, worauf wir die Küche wieder verließen.

„Ich hoffe du lernst aus deinem Fehler", flüsterte Alexander mir zu, als ich entgeistert den Stuhl ansah. Nie im Leben konnte ich mich gerade hinsetzen.
„Alles in Ordnung Layla?", fragte Sebastian besorgt und ich versuchte ihm ein Lächeln zu schenken.
„Jaja alles in Ordnung, ich war nur etwas in Gedanken", log ich und biss mir auf die Innenseite meiner Wange doch auch wenn ich ein aufquieken unterdrücken konnte, war das Luft einziehen doch Aufmerksamkeit erregender als gedacht.

„Oho schon nach nicht einmal 24 Stunden so eine Scheiße gebaut? Ich bin beeindruckt", lachte Vincent auf, während Sebastian mich eher bemitleidenswert ansah.
„Soll ich dir ein Kissen holen?", bot er an, doch er wurde direkt von Alexander aufgehalten.
„Sie braucht kein Kissen, oder Layla?", hatte er auch noch die Dreistigkeit mich selbst aussprechen zu lassen, dass ich das Kissen nicht verdiene. Doch den Gefallen tat ich ihm nicht. Ich nickte nur.

Kurze Zeit später brachte Nicolai einen Korb frisch gebackener Brötchen hinein, während andere Aufschnitt und Obst hinterher trugen. Er erklärte, dass wir morgens wohl immer eher in der kleinen Runde zusammenkommen würden, da die anderen noch schliefen. Die meisten hatten sich dazu entschieden, nachts zu arbeiten und ich wollte mir gar nicht vorstellen, was für Arbeiten sie nachging, wenn ich mir die Bilder vom Abendbrot wieder ins Gedächtnis rief.

„Layla geht es dir nicht gut? Du siehst ein wenig... blass aus", legte Nicolai die Vorlage, die zumindest Vincent zum Auflachen brachte und Alexander ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Anscheinend gefiel es ihm, mich öffentlich an den Pranger zu stellen. Und wofür? Ein leichter Schlag war nicht dagegen, um früher als 7 Uhr die Decke weggezogen zu bekommen. Die Kombination mit Sebastians Blick, schien selbst Nicolai zu verstehen und hörte auf weiter nachzufragen. 

Nachdem wir größtenteils schweigend aßen, brachte Alexander mich wieder auf mein Zimmer.
„Hör auf mich so vorwurfsvoll anzugucken", deutete er meine Blicke richtig, lachte und gab mir einen Kuss auf den Scheitel.
„Solang du so etwas nicht noch einmal machst, musst du auch nicht fürchten, noch einmal so zugerichtet zu werden", ergänzte er seinen vorherigen Satz, der mir auch schon mächtig gegen den Strich geht.

Als neben uns die Tür aufging und eine muntere Dalina uns zusah, war mein Weltbild zerstört. Wie konnte es denn angehen, dass sie alle um so eine Uhrzeit schon wach und gut gelaunt waren.
„Guten Morgen, Herr Danielis", begrüßte sie ihn und warf mir ein Lächeln zu.
„Guten Morgen. Klären Sie sie über den Tagesablauf auf?", fragte er und als sie dem zustimmte, verabschiedete er sich mit einem Kuss auf die Wange. 

„Und wie war die erste Nacht?", informierte sie sich und sah mich prüfend an, als ob sie mir die Antwort ansehen könnte.
„Die Nacht war ziemlich gut, aber der morgen hätte deutlich besser laufen können", gab ich wahrheitsgemäß zu, worauf sie kurz den Boden ansah.
Oh Gott, wusste sie etwa schon etwas?

„Dann hoffe ich mal, dass es dir morgen schon etwas besser gehen wird", sprach sie mir mit einem Lächeln zu und ich konnte nur hoffen, dass es wirklich so sein würde.
„Gut, also dein Unterricht beginnt in 10 Minuten. Jegliche Utensilien dafür findest du in deinem Arbeitszimmer. Du wirst 50 Minuten Zeit haben, zu Mittag zu essen und dich eventuell umzuziehen. Gegen 17 Uhr fährst du mit Alexander und anderen Familienmitgliedern zu einer Veranstaltung. Dein Outfit wird dir rausgelegt und das wär's dann auch schon für heute. Irgendwelche Fragen?", informierte sie mich über den Tagesablauf, was mich etwas überrumpelt über die Frage nachdenken ließ.

„Ich denke nicht nein", gab ich einfach von mir, da ich keinen wirklichen Gedanken zu fassen bekam.
„Sehr schön, dann können wir ja anfangen", ertönte hinter uns eine Stimme, die mir im ersten Moment eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließ.
Als ich mir umdrehte erblickte ich einen Mann der mehr als ein Kopf größer als ich war, was bei meinen 1,75m schon eine Nummer war. Er trug eine Anzugshose mit einem umgekrempelten Hemd und seine grünen Augen starrten mir förmlich in meine Seele.

„Freut mich sehr, Miss Mohr. Mein Name ist Nelio Galíndez", stellte sich mein anscheinend aus Spanien kommender Lehrer vor.
„¿Eres de España?",versuchte ich bei dem Menschen zu Punkten der nicht nur für mein Abitur verantwortlich sein wird, sondern auch für meine Spanisch Note.
„Cierto, soy de España, pero por desgracia hace tiempo que no voy. El momento ideal para un viaje de curso. ¿No le parece?", versuchte er anscheinend herauszufinden, wie fließend ich sprechen konnte, aber bis auf irgendeine Zustimmung und etwas mit Reise verstand ich nicht, was ich von mir wollte.

„Keine Sorge, Sie lernen erst seit letztem Jahr und mit mir werden Sie in wenigen Tagen auf so etwas antworten können", unterbrach er die kleine Spanisch Lektion und ging mir voraus in das Arbeitszimmer.
Wir gingen gemeinsam den von ihm erstellten Stundenplan durch und er war mir jetzt schon lieber als das deutsche Schulsystem. Anstatt 1-2 Doppelstunden Politik gab es nur noch alle 2 Wochen eine 60 minütige Stunde, in denen wir nur an verschiedenen Beispielen das Urteil üben würden. Generell wurden die meisten Stunden auf 60min runter gestuft, da ja nur noch ich mich mündlich beteiligen würde. Desweiteren wurde Sport von einer Doppelstunde auf 3 Mal dreistündig erhöht, was mir erst einmal die Kinnlade runterfallen ließ, als er dann erklärte, dass darin auch Reitstunden enthalten sein würden, beruhigte sich mein Herz allerdings schnell wieder.

Wir klärten schnell, worin ich die meisten Schwierigkeiten hatte und worin meine Interessen lagen und ich bereute es bereits nicht schon viel früher so unterrichtet worden zu sein. Es gab sogar jeden Monat ein Treffen der Privatschüler in der Umgebung, bei dem wir uns austauschen konnten.

„So, ich denke, damit wäre das Wichtigste erst einmal geklärt. Kommen wir nun zum Punkt, der dir wahrscheinlich erst einmal nicht gefallen wird: Herr Danielis hat mich beauftragt, dich bestmöglich auf die Prüfung vorzubereiten und den Unterricht selbst nicht zu bewerten. Das werde ich nicht tun. Im normalen Abitur zählen Tests, Klausuren und die mündliche Note immerhin auch mit dazu. Aus diesem Grund wirst du von deinem iPad wieder zurück auf Papier wechseln und deine Hausaufgaben hier oder in der Bibliothek machen, damit ich überprüfen kann, dass sie ohne technische Hilfsmittel gemacht wurden."

Ich dachte einen Moment darüber nach. Bis jetzt war mir mein iPad wirklich oft eine Hilfe und viel schlimmer: Ich hatte niemanden mehr, bei dem ich mal eben die Hausaufgaben kopieren konnte, wenn ich keine Lust hatte sie zu machen. Aber vielleicht wäre es gar nicht so schlecht und endlich der Arschtritt, den ich brauchte. Zumindest für Spanisch und Geschichte... und Mathe. Es betraf wirklich viele Fächer.

„Ich denke, das ist sinnvoll", gab ich dem Konzept also meine Zustimmung und nahm mir Block und Stift zur Hand.

Was würde ich für so einen Unterricht tun...

Freue mich wie immer über Feedback :) Gibt es etwas, das ihr euch von dem Buch wünscht?

Enchained Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt