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Wir unterhielten uns nicht viel während des Spaziergangs, aber trotzdem war es angenehm, jemanden dabei zu haben. Alleine schien man hier allerdings nie zu sein, denn auch mit Nicolai folgte uns einer der Wachmänner, sobald wir das Haus verließen.

Das Haus war wohl schon seit Jahrzehnten im Besitz der Familie Danielis und in dem Moment in dem er mir erzählte, dass die Geschichte des Anwesens und auch ein paar Teile der Familiengeschichte niedergeschrieben in einer Bibliothek im zweiten Stock standen war klar, wo ich als nächstes hingehen würde, wenn ich nichts zu tun habe.

„Ich denke, wir müssen uns langsam auf den Rückweg machen. Es gibt gleich essen", unterbrach er die angenehme Stille und führte uns zurück, wo er mich wieder in Leons Obhut gab.
„Bis gleich", sprach er mir noch zu bevor er ging.
Leon brachte mich zurück in mein Zimmer, wo ich die Zeit nutzte, um mich frisch zu machen und mir etwas anderes anzuziehen. Irgendwie hatte ich ein unschönes Gefühl bei dem Gedanken, in den Klamotten zu essen, in denen ich auch im Flugzeug saß.

Ich entschied mich für eine Jeans, T-Shirt und Strickjacke. Damit konnte man wohl nichts falsch machen. Etwas traurig sah ich das Schuhregal an der Tür an. Es war ja verständlich, in einem Haus mit so vielen Leuten Schuhe zu tragen, aber der Gedanke, ab jetzt jeden morgen Schuhe anzuziehen, wenn ich frühstücken wollte, gefiel mir nicht wirklich und war bei Alexander nicht nötig gewesen, obwohl dort auch einige herumliefen.

„Darf ich reinkommen?", fragte Alexander von draußen, was mich dazu veranlasste, zur Tür zu laufen und sie zu öffnen.
„Du fragst? Bist du krank?", legte ich spaßeshalber meine Hand auf seine Stirn.
„Sehr witzig", reagierte er auf meine Geste und verschaffte sich Zutritt indem er die Tür einfach samt mir weiter aufdrückte.

„Nicht schlecht. Ich würde sagen du hast mehr Luxus abbekommen als ich", ging er beeindruckt durchs Zimmer und öffnete prüfend jede Tür. Etwas überrascht von der Information schaute ich mich noch einmal um und entschloss mich dazu, das hier niemals als selbstverständlich anzusehen und mich noch einmal bei Nicolai und Amalia zu bedanken.

„Dann lass uns mal gehen", forderte er mich auf und hielt mir die Tür offen. Er schien sich hier schon sehr gut auszukennen und ich fragte mich, was er wohl die letzten Stunden gemacht hat.
„Nach dir", ließ er mich zuerst den Raum betreten, der sich als riesiges Esszimmer herausstellte.
An den Tisch passten mit Sicherheit 20 Leute, was mir irgendwie absurd vorkam. Sie hatten doch bestimmt auch einen kleineren Raum.

„Sind wir zu früh?"
„Warum flüsterst du? Nein eigentlich nicht vielleicht kommen die anderen zusammen", beantwortete er meine Frage und sorgte gleichzeitig dafür dass ich mich dumm fühlte.
Gerade als ich mich setzen wollte, hielt er mich zurück.
„Warte noch bis die anderen hier sind." Ich wusste nicht, ob dass was ich gerade bemerkte, tatsächlich Aufregung war, aber die Vorstellung gefiel mir angesichts der Tatsache, dass er sich sonst nie etwas anmerken ließ.

„Nervös?", versuchte ich also mein Glück.
Doch daraufhin entspannte sich sein ganzer Körper und er sah mir direkt in die Augen, was mir eine Gänsehaut verpasste.
„Nein, ich habe nur Angst, dass wir im falschen Raum sind und gleich den Zorn meiner Mutter ernten."
Durch seine Erklärung lief es mir direkt eiskalt den Rücken runter. Sie schien mich eh schon nicht zu mögen, da wollte ich nicht gleich am ersten Tag einen falschen Eindruck machen.

In dem Moment begann man Stimmen zu hören und Alexander atmete erleichtert aus. Ich allerdings, hatte Angst zu ersticken, als eine Menschenmenge hereinkam und alle schick gekleidet und gestylt waren.
„Warum hast du mir nicht gesagt, dass ich absolut unpassend gekleidet bin?", fauchte ich leise in Alexanders Richtung, der allerdings nicht zu verstehen schien, was ich meinte.

„Alles gut, es gab keinen Dresscode. Du siehst toll aus", versuchte er mich anscheinend zu beruhigen, was allerdings eher dazu führte, dass ich wütend wurde. Passend dazu sagte mir Sebastians kleines Lächeln im Gesicht, dass es sehr wohl einen Dresscode gibt der nur nicht ausgesprochen wurde.

Entgegen Sebastians Reaktion schaute mich Nicolai so freundlich an, wie er es bis jetzt immer getan hatte.
„Layla, richtig?", forderte ein Unbekannter meine Aufmerksamkeit, so dass ich mich zu ihm drehte und es lächelnd bejahte.
Moment. Den kenne ich doch irgendwoher. Angestrengt versuchte ich alle Leute in meinem Kopf abzurufen, die ich in den letzten Tagen getroffen hatte, doch es gelang mir nicht.

„Kann es sein, dass wir uns kennen?", fragte ich also ehrlich, worauf er mich verwirrt ansah. 
„Interessant, dass du Beteiligte von der Aktion so schnell vergisst", gab er mir den Hinweis, der mich sofort rot werden ließ und dafür sorgte, dass Alexander auf uns zu kam.
„Du kennst Liam?", fragte er mich. Natürlich kannte ich Liam und ich fragte mich, wie man überhaupt den Menschen vergessen konnte, der dabei war, als ich fast den Skandal des Jahres auf deren Familienfeier verursacht hatte.

„Ähm ja, flüchtig. "Victoria hatte uns auf der Familienfeier bekannt gemacht", antwortete mein damaliger Retter für mich. 
Da sich die ersten hinsetzten, sah ich mich nach genug freien Plätzen um, sodass Alex, Sebastian und ich beieinander setzen konnten.
„Layla, komm setzt dich zu mir", kam es etwas lauter von Nicolai, so dass alle ihre Gespräche unterbrachen und mir dabei zusahen, wie ich auf ihn zuging. Eigentlich hätte ich in so einem Moment stolpern müssen, aber zu meinem Glück schien mein Schicksal heute mal auf meiner Seite zu sein. Zumindest wenn man von meinem Outfit absah.

„Schön, dass wir nun endlich alle zusammen sind, auch wenn ich wünschte, es wäre unter netteren Umständen", begann er eine kleine Ansprache, während ich durch den Raum sah und die vielen Leute betrachtete, die mittlerweile Platz genommen hatten.
Sie gehörten also alle zum engeren Kreis der Familie.
„Wo ist Victoria?", unterbrach er sich selbst und sah dabei zu Alexander, der überrascht über die Frage zu sein schien.
„Ich werde nach ihr suchen lassen, Vater", übernahm Sebastian worauf er aufstand und ging.

Wie damals auch begannen alle erst nach Nicolai zu essen und auch die Gespräche gingen erst dann los.
„Ist Amalia nicht hier?", stellte ich die Frage, die mir schon die ganze Zeit im Kopf herumschwirrte.
„Nein, leider nicht. Sie hat einen wichtigen geschäftlichen Termin", antwortete er mir freundlich, worauf ich nur verständnisvoll nickte und mich dann ebenfalls dem Essen widmete.

„Du bist also die, die ihr ganzes Leben hinter sich gelassen um Alexander zu begleiten und dass ohne einen Ring am Finger? Ziemlich gewagt, oder?", sprach mich ein mir fremder Mann an.
Und damit hatte ich wieder die ganze Aufmerksamkeit.
„Ähm ja, das bin ich. Layla", stellte ich mich ihm vor.
„Vincent. Vincent Dubois", tat er es mir gleich.

„Nur angeheiratet."
Mit einem Mal blickten alle zu Victoria, die zu meinem Pech genau so schön gekleidet war, wie alle anderen.
„Victoria, ich bitte dich. Er ist genau so aufgewachsen wie du es bist. Hör endlich auf, dich als etwas besseres zu sehen", setzte sich nun Liam für ihn ein.
„Hier geht es nicht um Blut, sondern um Werte und sein Verhalten, Liam. Selbst du als sein Cousin hast es mehr verdient einen Platz in der Familie zu haben als er."

Ok es schien also in jeder Familie auch solche Momente zu geben.
„Ich würde mal darüber nachdenken, warum ich vor dir an diesem Tisch saß. Schwesterherz."
Das war zu viel des Guten. Ich versuchte so gut es geht zu unterdrücken, dass ich mich gerade verschluckt hatte, was mir nur mittelmäßig gelang.
„Danke Layla. Ich weiß schwer zu glauben, dass sowas mit mir verwandt ist", nutzte Victoria meine Reaktion für ihre Zwecke.

„Victoria setzt dich hin und lass diese ständigen Zickereien", kam es von Nicolai, der nur noch Kopfschüttelnd sein Weinglas nahm und einen Schluck trank.
Den restlichen Abend hörten sie zwar nicht auf, aber trugen es weniger öffentlich aus. Ich konnte wirklich nicht fassen, dass die beiden zusammen aufgewachsen sind. Sebastian erzählte, dass die beiden erst mit 9 und 11 Jahren erfahren haben, dass sie nicht blutsverwandt waren und sie sich auch erst mit 14 und 16 angefangen haben zu hassen und niemand weiß wieso.

Wer erinnert sich noch an Liam? Ob die Nacht noch einmal zum Gesprächsthema wird? Im nächsten Kapitel verbringen Alexander und Layla die erste Nacht zusammen.

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