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>>>Alexander<<<

Mir war bewusst, dass sie es nicht gewohnt ist, so zu leben, aber war es in ihren Kreisen etwa normal, in Schlafsachen nach draußen zu gehen? Ich überlegte kurz ob ich sie nun schon so weit gebracht hatte, völlig durchzudrehen. Ich hätte bei ihr schlafen sollen. Verdammt.

„Ich werde ihr nachgehen und sehen, ob alles in Ordnung ist", informierte ich die anderen und setzte mich in Bewegung.
„Weil sie in Schlafsachen draußen war? Glaub mir, ihr geht es gut", wagte es Sebastians treuer Hund tatsächlich anzudeuten, sie wüsste was in ihr vorgeht. 
„Ich denke auch-"
„Sei nicht so dumm wie er, Bruder. Niemand von euch weiß was in ihr vorgeht, ich eingeschlossen. Deshalb werde ich jetzt nach ihr sehen", unterbrach ich Sebastian.

2 Sekunden hier und schon hatte er einen schlechten Einfluss auf ihn. Unfassbar.
Da sich keiner mehr einzubilden schien ein Recht darauf zu haben meine Entscheidung anzuzweifeln, machte ich mich auf den Weg.

>>>Layla<<<

Nicht zu fassen, wie ausgerechnet heute morgen ein Gast kommen musste. Verärgert über meine Entscheidung, mich nicht umzuziehen, kramte ich mir ein Kleid heraus, das um 9 Uhr morgens wohl ein gewisses Zeichen von Wohlhabenheit setzte.

Die Tür öffnete sich und Alexander kam auf mich zu.
„Entschuldigung, dass ich dir nicht die Möglichkeit gegeben habe, neben mir auf zu wachen." Mit diesen Worten gab er mir einen Kuss auf meinen Haaransatz.
„Ist alles in Ordnung?"
„Fragst du mich das gerade ernsthaft, weil ich in meinen Schlafsachen rausgegangen bin?"
Diese Familie war wirklich unglaublich. Jetzt tun die schon als hätte ich eine Schraube locker.
„Nein, ich wollte aber gerade deshalb schneller nachfragen, falls wirklich etwas sein sollte", rettete er sich oder sagte die Wahrheit.

Ich schnaubte und die Tatsache, dass ich den Reißverschluss nicht zu bekam, machte meine Laune nicht besser. Natürlich kam er mir sofort zur Hilfe, aber seine Anwesenheit frustrierte mich. Ich wusste nicht mehr wer wir waren, wer ich war.
Gerade als ich ehrlicherweise vorschlagen wollte ein paar Tage auf Abstand zu gehen, teilte er mir mit, dass er für einige Tage weg musste um Geschäftliches zu erledigen.
„Oh ok. Wann genau?", fragte ich und dachte darüber nach, ob ich es vielleicht trotzdem ansprechen soll, entschied mich aber dagegen. 
„Dienstag. Bist du so weit?"

Gemeinsam gingen wir in das Esszimmer, in dem sich der bislang noch unbekannte Besucher ausgiebig mit Sebastian unterhielt.
„Und brauchtest du einen Retter, Layla?", wandte er sich sofort mir zu, als er uns bemerkte.
„Letztendlich brauchte ich tatsächlich einen, ja. Kleider können manchmal wirklich schwere Gegner sein für eine Person allein", ging ich auf das Thema ein. Mein Gefühl war nun ein anderes. Er war nicht mehr der beeindruckende und elegante Reiter von eben. Er weckte in mir ein Gefühl von Unwohlsein, was mir nicht gefiel.

„Darf ich euch einander vorstellen?", fragte mich nun Sebastian etwas. Anscheinend war er tatsächlich sein Besuch, was mich verwunderte. Natürlich müssen Freunde einem nicht ähnlich sein, aber sie wirkten wie zwei völlige Gegensätze, zumindest was mein Gefühl bei ihnen anging.
„Ich denke nicht, dass das nötig sein wird."
Alexanders Ton war scharf und sowohl Sebastian als auch sein Besucher schien das nicht zu überraschen.
„So nachtragend?", fragte dieser auf eine Art, die mein mulmiges Gefühl nur noch verstärkte.

„Was auch immer hier das Problem ist, ich kann wirklich darauf verzichten. Macht das unter euch aus und wenn ihr alle der Meinung seid, dass ich diesen Mann kennenlernen soll, könnt ihr gerne zu mir kommen."
Ich war mindestens so überrascht über das Gesagte wie Alexander. Anscheinend hatte ich meine Grenzen wirklich erreicht und ich wollte einfach meine Ruhe.

Ich entschied mich dazu, mir meinen eigenen kleinen Raum zu suchen, in dem ich mich mit nichts von all dem beschäftigen musste. Mein Verschwinden schien die anderen nicht zu stören und so erkundete ich den Rest des Hauses. Neben vielen Bibliotheken und Partyräumen fand ich auch den Trakt für die Angestellten. Er war wie leergefegt, was angesichts der Tatsache, dass wohl alle arbeiteten, kein Wunder war. Aber irgendwas hier ließ mich mich gut fühlen. Es war ein Ort, der sich, auch wenn er Teil des Hauses war, nach meiner gewohnten Umgebung anfühlte.

Keine Gemälde oder prunkvolle Deko auf uralten Kommoden und Beistelltischchen. Es war einfach nur ein normaler Flur mit Türen, die wahrscheinlich zu kleinen Zimmern führte, die nicht über mehr verfügten als ein Bett, einen Schrank und vielleicht einen Schreibtisch.
„Layla?" Als hätte ich etwas verbrochen, drehte ich mich herum.
„Ich habe dich auf den Kameras gesehen und wollte schauen, ob alles in Ordnung ist", erklärte Leon seine Anwesenheit.
„Nicht wirklich. Ich beginne zu glauben, dass all das ein riesiger Fehler war", begann ich, ihm mein Herz auszuschütten.

Es war bestimmt mehr als eine halbe Stunde vergangen und mittlerweile saßen wir beide auf dem Boden und er schien mich wirklich verstehen zu können.
„Hör zu, du wirst von hier nicht gehen können, wenn er es nicht will, aber er ist jemand, der dir zumindest auf diesem Gelände den Abstand gewährt, den du für nötig hältst."
Wir drehten uns beide zu Victoria, die uns anscheinend schon seit längerem belauscht hatte. Ich hatte ihre Stimme zwar sofort erkannt, aber war trotzdem überrascht, als ich in ihr Gesicht blickte.

Erst gepaart mit ihrem Anblick fiel mir auf, wie auch Leon sein Strahlen verloren hat.
„Für euch ist auch alles anders, was?", fragte ich sie deshalb direkt.
Ich kannte ihren Ausdruck. Es schien noch keinem anderen ausgefallen zu sein. Was mich wunderte, denn Phillip hätte Leons Veränderung auffallen sollen. Gerade was so angeht, war er wirklich feinfühlig.
„Ja, es ist anders, aber auch eine große Chance und die einzige Möglichkeit, in seiner Nähe zu bleiben."

Erschrocken über meine eigenen Gedanken wendete ich den Blick ab. Victorias Worte haben dafür gesorgt, dass sich in meinem Kopf das Szenario von ihr und Alexander abgespielt hat. Wie die beiden wieder zueinander finden.
Bis ich ihn traf, schien er der einzige zu sein, der mir das geben kann was ich brauche, aber ich schätze, ich habe einer alten Erinnerung nachgejagt, die ich mit ihm nicht noch einmal haben werde. Wir haben uns verändert oder vielleicht habe ich ihn einfach nie gekannt.

„Hey hey, das wird schon alles wieder!", tröstete mich Leon und reichte mir ein Taschentuch. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich angefangen hatte zu weinen und auch wenn er es nicht verstand, Victoria den Grund zu kennen.
Ich hatte gerade angefangen, mit ihm abzuschließen und damit begonnen, ihr die Chance zu geben, ihn wieder zu bekommen.

Ist dies das Ende der beiden? Was glaubt ihr?

Enchained Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt