"Ich war noch sehr klein, als es passierte.", begann Luciano. Emotionslos schaut er aus dem Fenster. "Meine Mutter hatte einen Bruder. Er sollte die Mafia übernehmen und den Platz meines Großvaters einnehmen. Er traf sich mit deinen Vätern auf Sizilien, um ein neues Abkommen zu treffen. Mein Onkel hatte vorgeschlagen, einige Bars und Clubs von ihrem Schutzgeld zu befreien. Außerdem sollten strengere Gesetze geschaffen werden, um Zwangsprostitution zu unterbinden."
Jetzt dreht Luciano seinen Kopf zu mir. In seinem Gesicht ist nach wie vor keine Gefühlsregung zu erkennen. "Deine Väter lehnten ab. Sie leben von Schutzgeldern und Nutten sind keinen Aufwand wert. Mein Onkel drohte ihnen damit, die Lieferkette mit Drogen dichtzumachen."
Er macht eine kurze Pause. "Dann haben sie ihn erschossen. Deine Väter haben meinen Onkel erschossen."Als er das erzählt koche ich beinahe vor Wut. Und ich kann nicht mal sagen, gegen wen sie sich richtet: gegen seine Lügengeschichte oder gegen meine Eltern, die einen liberalen Handel verhindert und einen Unschuldigen getötet haben?
"Das ist nicht wahr.", behaupte ich nicht mal im Ansatz so überzeugend wie ich eigentlich wirken wollte.
"Als meine Mutter davon erfahren hat, wollte sie ihren Bruder um ihr Leben rächen. Sie versuchte alles, um deinen Eltern das Leben zur Hölle zu machen. Auch, wenn sie wusste, dass dann nur noch ich in der Thronfolge bin. Meine Mutter hat das Kind der Albertos getötet und ist dafür selbst gestorben."
Ich weiß, dass es stimmt. Niemals werde ich es zugeben, aber ich weiß, dass jedes seiner Worte wahr ist. Und ich kann mir selbst nicht erklären, wieso ich ihm glaube.
Er sieht so entspannt aus, als ob er mir von seinem Mittagessen erzählen würde.
"Leider ist mein Großvater nicht mal im Ansatz so modern und liberal wie mein Onkel und meine Mutter es waren. Also werde ich ihr Erbe fortsetzen. Ich werde mächtiger als deine Eltern sein und mächtiger sein als Grischa es jemals war."Er beugt sich zu mir und sieht mich eindringlich an. "Ich werde es besser machen als unsere Vorfahren, Liah. Ich werde die Mafia von Zwangsprostitution, miesen Löhnen und Sklaverei befreien."
Ich halte seinen Blick. Er möchte entspannt wirken, doch in Lucianos Augen erkenne ich den Schmerz. Den Schmerz über seinen Großvater, der seine liberale Sichtweise nicht anerkennt. Luciano braucht mir nicht zu erzählen, dass er nie Zuspruch bei dem einzigen Familienmitglied, das er noch hat, bekommen hat. Und plötzlich verbindet uns etwas. Wir sind zwar sehr unterschiedlich, aber doch haben wir etwas gemeinsam. Wir haben uns in unseren Familien nie wirklich zugehörig gefühlt. Wir waren immer jemand anderes als unsere Eltern oder Großeltern es von uns verlangt haben.
Und ich weiß, dass er die Wahrheit ausspricht. Denn ich hatte immer das Gefühl, dass meine Väter mir nicht die ganze Wahrheit erzählen, um mich zu beschützen. Wie gerne ich jetzt mit ihnen reden würde. Sie damit konfrontieren würde.
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𝑈𝑛𝑑𝑖𝑠𝑐𝑙𝑜𝑠𝑒𝑑 𝐷𝑒𝑠𝑖𝑟𝑒- 𝑇𝑒𝑖𝑙 2
Roman d'amourDie Tochter der mächtigsten Männern der Welt. Nach der Fehlgeburt ihres Kindes reden Alina, Noah, Johann und Leon kein Wort mehr miteinander. Doch eines Tages wird Alina wieder schwanger. Ein gesundes Mädchen kommt zur Welt- doch auch die Feinde d...