-8- ➳ Zwei Uhr nachts

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„Ich kann doch jetzt nicht einfach mitkommen. Schau doch, wie ich aussehe!" versuchte ich mich halbherzig herauszureden, doch Leo ließ keinen Widerspruch gelten.

„Ach was, die sollen sich hier mal nicht so anstellen. Außerdem sehe ich nicht viel besser aus."

„Doch." Erwiderte ich trotzig, aber Leo seufzte nur auf und meinte: „Nun hör schon auf so ein Theater zu machen. Wir holen doch nur das Buch, aber wenn du so weiter machst werden wir noch von einem Wächter aufgehalten..."

Dann führte sie mich durch die große Halle vom Sektor 15a und mir blieb nichts anderes übrig als zu verstummen.

Niemals hätte ich gedacht, dass die Halle von einem Teilsektor a schon so eindrucksvoll sein konnte.

Der Boden war aus hellen Steinen zusammengepflastert und in der Mitte war ein kleines Beet mit Kunstblumen angelegt wurden. Drum herum standen Bänke, auf denen ganze Familienbanden saßen und lachten.

Und als ich meinen Blick zu der Decke hob, strahlte mir die strahlend blaue Simulation eines Himmels entgegen.

„Echt schön, oder?" fragte Leo mich, doch ich konnte nur nicken.

Nur am Rande nahm ich wahr, wie mich alle musterten, aus Neugierde oder aus Missbilligung, das war mir momentan egal, da ich nur Augen für den Himmel hatte.

„Komm, wir müssen in diesen Korridor."

Ich folgte Leos ausgestreckter Hand, die auf einen Gang zeigte, der mit der Ziffer 5 gekennzeichnet war.

Überall sah man die Unterschiede.

Und da man sie schon von 2a zu 2b deutlich sah, war der Unterschied von 2b zu 15a unglaublich. Selbst in den Korridoren hingen Gemälde und an den Seiten standen kleine Blumenkübel mit künstlichen Tulpen. Die Wohnungstüren waren weiter auseinander, was darauf schließen ließ, dass die Wohnungen deutlich größer waren als die in den unteren Sektoren. Dies war aber auch nicht weiter verwunderlich, da jeder wusste, dass die Wohnungen mit steigender Etage immer größer und qualitativ besser wurden.

Irgendwann hielt Leo vor einer Tür an und kramte in ihrer Tasche herum.

„Ich habe einen Schlüssel, nur für den Notfall gedacht. Aber bevor Syra auf der Couch liegt und dann aufstehen muss, wenn ich klingle, schließe ich lieber selbst auf." Erklärte sie mir, als sie einen roten Schlüsselanhänger hervorzog.

„Klingel?" Mein Blick huschte zu dem kleinen Knopf neben der Tür, über den in geschwungenen Buchstaben der Familienname stand.

Knowles.

Ich schluckte, als mir erneut klar wurde, dass die Sektoren einfach viel zu viele Unterschiede hatten, um alle gewusst haben zu können.

Leo schloss die Tür auf und schlüpfte in den Flur. Ich folgte ihr und drückte die Tür hinter mir mit einem leisen Klick in das Schloss.

„Syra? Ich bin da!" rief Leo und zog sich ihre Jacke aus.

Der Flur war schmal, aber die Wände waren in einem hellen gelb gestrichen und an der Wand hingen viele Fotos in Bilderrahmen. Sie zeigten hauptsächlich eine glückliche Familie. Auf einem erkannte ich sogar eine deutlich jüngere Leo mit Zahnlücke, aber als mein Blick auf ein Foto traf, dass anscheinend auf einer Geburtstagsfeier aufgenommen wurde, sah ich weg.

Am Ende des Flures gab es drei Türen und man konnte leise Musik im Hintergrund hören.

Unsicher, ob ich meine Jacke auch ausziehen sollte oder nicht, da ich eigentlich nur das Buch ausleihen wollte, tapste ich von einen Bein auf das andere und vergrub meine Hände in meine Jackentaschen.

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