Episode 3 || 3

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Immernoch verwirrt und perplex saß ich neben Misa auf der Couch und sah zu Sehun hinüber, der drängend auf Antworten auf Chanyeol einredete.
Ich bekam aus dieser Entfernung nicht mit, was genau er ihm sagte, doch Chanyeol kühlte das anscheinend nicht ab, denn sein Gesichtsausdruck veränderte sich von einem zum anderen Moment in pure Fassungslosigkeit. Ohne Sehun auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen drehte er sich auf der Stelle um und verschwand dorthin, von wo er gekommen war, nämlich die Treppe wieder hinauf.
Ratlos sah Sehun ihm noch hinterher, dann zu uns und zuckte mit den Schultern. Anscheinend fand er das Ganze genauso merkwürdig wie wir. Das war definitiv nicht das Verhalten von Chanyeol, wie er sonst sein würde. Was könnte ich bloß tun?
Kurzerhand erhob ich mich von der Couch und ging auf die Treppe zu, die Chanyeol eben noch hochgeflüchtet war.
"Ich kann... mal gucken?", murmelte ich Sehun im Vorbeigehen zu, auch wenn ich mir selbst unsicher war, was ich erreichen könnte oder überhaupt sagen könnte, um zu helfen. Chanyeol und ich hatten bis jetzt nicht ein Wort gewechselt, und ob ich irgendwas tun konnte stand somit stark in Frage. Doch besser als nichts zu tun, oder? Oder war gerade nichts tun und ihn in Frieden lassen die Lösung? Normalerweise würde ich mich für Zweiteres entscheiden, doch aus irgendeinem Grund zog es mich nach oben.
Außerdem hatte ich nichts zu verlieren.
Unsicher erklomm ich die ersten Treppenstufen nach oben, möglichst langsam, falls ich aufgehalten werden würde, doch das wurde ich nicht. Über meine Schulter hinweg konnte ich noch leicht die Stimmen von Misa und Sehun hören, die aufgeregt in gemäßigter Lautstärke gemeinsam diskutierten, was eventuell passiert war. Flüchtig schnappte ich Theorien wie eine Alieninvasion auf, die wahrscheinlich von Misa erfunden worden waren, aber natürlich vollkommener Schwachsinn waren.
Mit jedem Schritt entfernten sich die Stimmen und wirren Theorien und plötzlich war ich auch schon oben angekommen.
Ratlos sah ich mich auf dieser Etage um. Welche der Türen sollte ich nehmen? Welche war die Richtige? Bevor ich die Tür zu meiner rechten öffnen konnte, vernahm ich jedoch aus einem der anderen Zimmer gedämmt eine Stimme, die vor sich hin fluchte.
Zögerlich ließ ich von meinem eigentlichen Ziel ab und ging stattdessen zu der Tür, aus der ich die Stimme hörte. Und tatsächlich war ich hier richtig.
Nachdem ich die Tür geöffnet hatte stand ich auch schon mit halben Fuß in dem Zimmer, welches allem Anschein nach Chanyeol gehörte. Es sah sehr bequem aus, doch aus irgendeinem Grund lagen alle Instrumente in dem Raum auf dem Boden verteilt, dazwischen noch mehr Chaos aus Blättern und sonstigem Kram. Es sah aus wie auf einem Schlachtfeld direkt nach einem Bombeneinschlag, bloß ohne Trümmerteile.
Das muss entweder ein heftiger Streit oder ein heftiger Unfall gewesen sein, anders konnte ich mir das riesige Chaos nicht erklären.
Auf dem Boden etwas weiter von mir entfernt hockte Chanyeol, der gerade eifrig ein paar Blätter zusammensuchte, dabei leise Flüche murmelte und mich anscheinend nicht bemerkte. Von weitem konnte ich ungefähr erkennen, dass es sich um Blätter voll mit Noten und Notizen handelte.
Vorsichtig räusperte ich mich, doch anscheinend nicht laut genug, denn Chanyeol sah weder auf, noch hörte er mit seinem Gemurmel auf.
Kurzerhand ließ ich mich langsam auf die Knie sinken und begann mit gesenktem Blick ebenfalls ein paar Blätter in der Nähe von mir zusammen zu sammeln, die größtenteils auch unter und auf die verschiedenen Instrumente gerutscht waren.
Meine Beobachtung wurde beim genaueren Hinsehen bestätigt, es waren tatsächlich Blätter mit Musiknoten. Vorsichtig krabbelte ich ein Stück weiter in die Richtung eines Gitarrenkoffers.
Wie merkwürdig, die Gitarre dort drüben schien dem Aufdruck nach Matilda zu heißen...
Erst jetzt wurde ich bemerkt. Überrascht über Chanyeols tiefe Stimme zuckte ich zusammen, mein Herz begann leicht zu klopfen, dennoch sah ich nicht auf.
"Hm? Was machst du da?", fragte Chanyeol. In seiner Stimme klang etwas Genervtes mit sich, was ich gekonnt einfach ignorierte.
"Ich... helfe?", murmelte ich knapp das Allererste und Erstbeste, was mir in diesem Moment einfiel, ohne mit dem Aufsammeln der Blätter aufzuhören. Daraufhin hörte ich nichts. Stille. Unangenehme Stille.
Merkwürdig.
Neugierig hob ich meinen Kopf nun doch, um zu sehen, was Chanyeol schweigend tat, ob er weiter aufräumte, als ich sofort wieder für einen kurzen Moment zusammenzuckte. Chanyeol beobachtete mich schweigend mit seinen braunen Augen aufmerksam und ich war so hypnotisiert von ihnen, dass ich meinen Blick nicht mehr senken konnte und seinem Blick nur schweigend mit meinem entgegnete.
Es war nichtmal irgendwie unangenehm, ich hätte ewig so bleiben können und ihm in die Augen sehen können, doch Chanyeol brach den Blickkontakt als Erster ab und sammelte weitere Blätter zusammen.
"Du musst mir nicht helfen, ich schaffe das auch alleine", merkte er an, ohne nochmal aufzusehen.
Einen Atemzug lang sah ich ihn noch an, dann wandte ich mich ebenfalls wieder an das Aufsammeln der letzten Blätter.
"Stimmt, muss ich nicht. Ich will aber", antwortete ich, stark darum bemüht, möglichst gelassen zu klingen, doch das war ich gerade leider nicht wirklich, im Gegenteil. Allein schon Chanyeols Anwesenheit brachte mein Herz zum rasen und ich fragte mich, ob man das wohl hören konnte. Innerlich kreuzte ich meine Finger und betete, dass dem nicht so war.
Die größte Frage jedoch war, warum? Vermutlich lag es daran, dass ich alleine war und somit unsicherer. Oder? Je mehr ich darüber nachdachte, umso unsicherer wurde ich.
Kurz nachdem ich meinen Satz beendet hatte, spürte ich Chanyeols Blick wieder auf mir ruhen. Schnell biss ich mir ein wenig auf die Unterlippe, um mich zu beherrschen.
Mit einem geschickten Handgriff klopfte ich meine Blätter zu einem sauberen Stapel zusammen und erhob mich.
"Die Blätter sind jetzt vielleicht nicht in der richtigen Reihenfolge, aber immerhin...", versuchte ich einfach irgendwas zu sagen, um sowohl die Stimmung als auch die Stille irgendwie zu lockern, während ich schnurstracks an Chanyeol vorbei über so manch ein Instrument zu dem Schreibtisch tapste, darauf bedacht, mich nicht noch einmal in seinen Bann ziehen zu lassen, und die Blätter vorsichtig dort neben das Keyboard ablegte. Auf dem Schreibtisch verteilt lagen noch mehr Blätter, die ebenfalls zum Teil aus Noten und zum Teil aus Text bestanden, die hier und dort durchgestrichen worden waren.
"Schon okay."
Ich musste schlucken. Chanyeols Stimme hatte sich gerade erstaunlich sanft verglichen zu eben angehört, oder hatte ich mir das bloß eingebildet?
Vorsichtig drehte ich mich vom Schreibtisch weg wieder zu Chanyeol, der mir aber schon längst den Rücken zugekehrt hatte und damit begonnen, behutsam eines der Musikinstrumente wieder aufzustellen. Doch ohne eine Person, die die Halterung festhielt, erwies es sich als schwierig, denn diese rutschte immer wieder weg.
Kurz bevor Chanyeol sein Schimpfen wieder aufnehmen konnte, ließ ich mich auf die Knie sinken und half ihm dabei, indem ich die Halterung aufstellte und festhielt, bis das Instrument wieder sicher und stabil stand.
Schweigend räumten wir auch noch den Rest des Zimmers auf.
Schweigend wurden wir damit fertig. So langsam wurde das Schweigen doch irgendwie unangenehmer. Meine Kehle war schon wie zugeschnürt und nicht einmal Schlucken half.
Alles war nun wieder aufgeräumt, sollte ich einfach gehen?
Zögerlich warf ich Chanyeol noch einen Blick zu, der mich aufmerksam ansah und setzte dann einfach einen Fuß vor den Anderen Richtung Zimmerausgang.
Hier konnte ich nichts mehr tun, dachte ich mir.
Gerade als ich nach der Türklinke griff, hielt ich jedoch inne.
"Chris, nicht wahr?", fragte mich Chanyeol. Überrascht schlug ich leicht die Augen auf, warf einen Blick über meine Schulter zu ihm und nickte.
Noch im selben Moment drückte ich die Türklinke herunter und Chanyeol huschte ein kurzes Lächeln über das Gesicht, bevor ich schon aus dem Zimmer gehuscht war und aufgeregt die Tür hinter mir schloss.

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