Episode 12 || 4

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Lange hatten wir nicht mehr vor dem Eingang gestanden, da die Hoffnungslosigkeit siegte, dann waren wir auch wieder in den besser beleuchteten, größeren Raum zurück gegangen.
Selbst durch das Schweigen und die Anspannung die in der Luft lag, konnte ich spüren, dass wir alle ungefähr das Selbe dachten:
Wir würden hier die Nacht verbringen müssen, ob wir wollten oder nicht.
Zögerlich ließ ich mich neben Ji vor dem Schreibtisch auf den Boden sinken. Ein Schauer durchzog mich, der Boden war kalt. Nein, kalt war definitiv untertrieben, er war eiskalt. Selbst im Pyjama hatte ich in der Nacht letztens draußen nicht so gefroren wie gerade in diesem Moment.
Und selbst der schwarze Pullover, den ich trug und dessen Ärmel ich mir über die Hände gezogen hatte, wärmte nicht viel.
Reiss dich zusammen, redete ich mir gedanklich selbst zu und lehnte mich dabei mit meinem Rücken gegen den Schreibtisch, um es mir so bequem wie nur möglich zu machen, wenn man hier überhaupt von Bequemheit reden konnte.
Schnell warf ich einen Seitenblick zu Ji, die ganz offensichtlich ebenfalls von Kopf bis Zehenspitze fror. Ich tat es ihr gleich und schlang meine Arme ebenfalls um meine Beine, wärmer wurde mir dadurch jedoch auch nicht. Immerhin war es etwas bequemer als zuvor und ich wusste nun auch, wohin mit meinen in den Pullover Ärmeln gehüllten Händen, die ich ineinander verhakte.
"Ist dir nicht auch super kalt?", fragte mich Ji, die meinen Blick bemerkt hatte und sah mich an. Zögerlich hielt ich inne, schüttelte dann jedoch meinen Kopf. Stark bleiben, keine Schwäche zeigen, ich hatte es mir doch fest vorgenommen.
Jetzt nicht auf der Lippe herumkauen!
"Nein, mir ist ganz normal warm. Keine Sorge, wird dir bald bestimmt auch", brachte ich hervor und versuchte mich an einem warmen Lächeln, was mir anscheinend irgendwie gelang, Jis Ausdruck entspannte sich ein wenig.
"Du hast Recht, danke. Ich sollte auch positiver denke-"
"Platz da, hier komme ich!", unterbrach Chanyeol uns lachend und quetschte sich einfach zwischen Ji und mich an den Schreibtisch.
"Hey!", beschwerte sich Ji noch, doch Chanyeol ignorierte ihren Protest und kuschelte sich in seine graue Jacke.
Hätte er sich nicht einfach am Rand dazusetzen können?
Hätte er sich zu Ji oder doch zu mir an die Seite gesetzt? Mein Herz machte einen Sprung.
"Doch gut, dass sie die Jacke mitgenommen hat?", merkte ich belustigt an und sah neidisch auf die Jacke, die ihn wahrscheinlich wenigstens etwas wärmte.
"Wenn sie die Jacke nicht mitgenommen hätte, hätten wir gar nicht erst dieses Schlamassel", entgegnete Chanyeol bloß und vergrub sein Gesicht in der Jacke.
Ob ihm wohl warm war? Ich traute mich nicht, näher zu ihm zu rücken, ihn zu berühren, um es herauszufinden. Der Abstand zwischen uns war sowieso viel zu gering für meinen Geschmack. Es erinnerte mich an den Balkon bei dem Fotoshooting, als er ganz nahe an mich ans Geländer getreten war...
Allein schon beim Gedanken erschauderte ich wieder, oder schauderte ich doch eher vor Kälte? Momentan ließ sich soetwas schlecht feststellen.
Entschlossen biss ich mir auf die Unterlippe. Keine Schwäche zeigen, beherrsch dich, dachte ich mir und löste meine Zähne wieder von meiner Unterlippe.
"Wir müssen hier wirklich die ganze Nacht warten?", unterbrach Ji das Schweigen. Ich starrte vor mich auf den Boden.
Wir müssen hier die ganze Nacht warten. Stunden. Minuten.
Wie lange würde es dauern, bis man uns finden würde? Würde man uns überhaupt finden?
"Hier ist keine Heizung", hörte ich Ji unbeirrt weiter reden und aus einem Augenwinkel konnte ich sehen, wie sie demonstrativ ihre Hand nach vorne auf den Boden ausgestreckt hatte. Ihre Hand ruhte dort jedoch nicht lange, da sie sie sofort wieder wegzog. Je weniger Körper die Eiseskälte berührte, desto besser wahrscheinlich.
"Komm näher", hörte ich daraufhin Chanyeol und stockte. Was hatte er gesagt?!
Zögerlich drehte ich meinen Kopf nach rechts, doch Chanyeol hatte anscheinend mit Ji gesprochen.
"Was?", Ji hatte genauso wie ich reagiert, vermutete ich, auch wenn ich ihren Gesichtsausdruck nicht sehen konnte, da uns ja Chanyeol trennte. Doch im Gegensatz zu mir hatte Chanyeol sie angesprochen, das war der Unterschied.
"Komm einfach näher", wiederholte Chanyeol noch einmal langsamer, diesmal wieder etwas genervter. Noch bevor ich meinen Blick abwandte, konnte ich erkennen, wie er ihr etwas von seiner grauen Jacke überlegte.
"Es ist ein Notfall", murmelte Chanyeol noch hinzu, schniefte einmal und vergrub sein Gesicht wieder in der Jacke auf seinem Schoß vor sich.
"Richtig, ein Notfall", wiederholte Ji murmelnd.
Schnell starrte ich wieder vor mich auf den Boden, um nicht ausersehen Chanyeols Blick zu begegnen. Einfach nicht weiter daran denken. Denk an etwas Anderes, etwas Schönes.
Heiße Schokolade, Sommer, Sonne, Strand, Spanien...
"Ist dir nicht auch kalt?", hörte ich Chanyeols Stimme sachte meine Gedanken unterbrechen.
"Der Sweater reicht nicht für drei Leute, aber wenn du willst, können wir tauschen."
Ich stockte. Für einen Moment wollte ich sein Angebot annehmen, doch ich schüttelte meinen Kopf und starrte weiter stur geradeaus.
"Nein, schon gut, mir ist warm", log ich. Die Starke bleiben war verdammt anstrengend, hoffentlich würde sich das auszahlen.
Wozu machte ich das eigentlich nochmal? Warum eigentlich immer ich?
Mein Inneres schrie danach, alles rauszulassen, meine Panik, meinen Missmut. Doch nein, ich konnte nicht, wir mussten alle positiv und gut gelaunt bleiben so gut es nur ging.
Einen Moment lang kehrte Ruhe ein, doch dann spürte ich plötzlich, wie Chanyeol seinen Arm um mich legte und mich näher zu sich zog.
"Lügner", murmelte er ganz leise, hauchte er beinahe nur, während er auch noch seinen anderen Arm um mich zu einer Umarmung legte.
So wie ich jetzt war, in seinen Armen vorgebeugt und zu ihm gezogen, konnte ich nicht mehr anders, als ihn anzusehen.
Sein Lächeln und sein Blick wärmten mich augenblicklich. Mein Herzrasen setzte wieder ein.
Schnell sendete ich stille Gebete zum Himmel, er würde mein Herzrasen nicht bemerken und dieser Moment würde nie enden, doch ich besinnte mich schnell wieder.
"Wirklich, mir ist warm!", diesmal war es auch nicht gelogen, meinen Körper durchzog durch Chanyeols Aktion gerade ein Hitzeschwall sondergleichen.
"Ich glaube dir nicht", entgegnete Chanyeol mit einem neckischen Grinsen und vertiefte die Umarmung nur.
Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt zum sterben.
Irgendwie schaffte ich es, mich zu befreien und erstmal 5 Zentimeter Abstand zu nehmen. Erst der Abstand beruhigte mich wieder, ließ mein Herzrasen jedoch nicht abklingen.
Was war gerade passiert?!
"Wie du meinst, Chris...", Chanyeols Ausdruck war für einen kurzen Moment unlesbar, irgendwie verletzt. Dann drehte er sich um und sah zu Ji.
Viel Zeit nachzudenken blieb mir nicht mehr, denn Chanyeol neben mir erhob sich rasch und starrte zu Ji.
"Und was dich eingeht, Einfallspinsel", fing er an. Auch Ji hatte sich reflexartig erhoben, warf mir immer wieder Blicke zu, die ich nicht deuten konnte.
Gebannt saß ich hier unten und sah zu Chanyeol nach oben. Von Herzrasen keine Spur mehr, als wäre das eben nie passiert. Gebannt schnappte ich jedes Wort auf.
"Hör mir zu..."

EXO Next Door AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt