Episode 11

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Unschlüssig war ich im Türrahmen verharrt und hatte unsicher von Laura zu Chen und wieder zurück gesehen.
Hätte ich jemals geahnt, dass Laura um diese Uhrzeit zurück kommen würde, und auch noch Chen im Schlepptau hatte, hätte ich mich nicht schon frühzeitig in mein riesiges, weißes Schlafshirt begeben.
Doch weder Laura noch Chen schien das wirklich zu interessieren, stattdessen sahen sie mich weiter abwartend an.
Was hatten sie nochmal gesagt? Achja, genau.
"Ehm, klar kann Chen hier übernachten... Ich glaube nicht, dass Misa irgendwas dagegen hat."
Lauras Gesicht hellte auf und auch bei Chen strahlte durch sein eigentlich recht entspanntes Lächeln ein aufgeregtes Strahlen hindurch.
"V-vielen Dank!", bedankte sich Laura überschwänglich und wurde sogar ein wenig rot - oder bildete ich mir das nur ein?
"Ich hab' es dir doch gesagt, das wäre kein Problem", wandte sich Chen Laura zu und drückte ihr ganz beiläufig einen kurzen Kuss auf die Stirn, wobei er sich beugen musste, selbst nach dem Kuss unten bei Laura auf Augenhöhe blieb und ihr tief in die Augen sah.
Der Blick, den sie austauschten, strahlte etwas aus, was ich nicht verstand, nicht in Worte fassen konnte. Eine Ruhe, aber doch war dort etwas aufgeregtes. Liebe?
"Kommt ihr endlich rein oder soll auch noch die letzte Person auf der Welt mitkriegen, dass ich im weißen Shirt schlafe?", unterbrach ich Laura und Chen hastig, als ich hinter ihnen auf der Straße einen Fahrradfahrer vorbeifahren sah, der etwas perplex im Vorbeifahren zu uns starrte. Zum Glück war mein weißes Shirt beinahe so lang wie ein Kleid.
"Ach, wieso nicht?", lachte Chen, richtete sich auf und ging an mir vorbei hinein, tatsächlich ohne mich mit seiner grauen Tragetasche zu streifen, die er bei sich trug.
"Ist doch total stylisch!", pflichtete Laura lachend bei, doch ich unterbrach sie lachend.
"Verscherz es dir nicht! Ich kann mich immer noch umentscheiden!"
"Jaja", auch sie folgte Chen hinein und kurze Zeit später war die Tür auch schon geschlossen und zu dritt schlenderten wir in den Esszimmer Bereich.
Aus dem großen Fenster konnte ich erkennen, dass auf der Straße der Fahrradfahrer von eben noch einmal vorbeifuhr, mit einem noch perplexeren Ausdruck als zuvor, den Kopf schüttelte und weiterfuhr. Ich biss mir auf die Unterlippe. War er eventuell ein Fan und hatte Chen erkannt? Hoffentlich nicht.
Meine dunklen Gedanken wurden von Laura unterbrochen, die sich neben mich stellte und unsicher an meinem Shirt zupfte.
"Du? Chris?", fragte sie zaghaft und legte eine Engelsstimme auf, die sie eigentlich nur nutzte, wenn sie etwas verbrochen hatte oder etwas bestimmtes wollte.
"Jaa? Was ist?", antwortete ich gedehnt, sah vom Fenster zu Laura und schlug meine Augen auf.
"Was hast du kaputt gemacht?"
"Diesmal nichts, ich schwöre!", verteidigte sie sich sofort empört, besinnte sich aber sofort wieder auf ihr eigentliches Anliegen.
"Also, Chen übernachtet ja heute hier..."
"Ja?", ich kniff meine aufgeschlagenen Augen wieder ein wenig zusammen und musterte Laura. Für meinen Geschmack wurde sie in den letzten Minuten, die sie hier war, viel zu häufig rot, es war schon fast zu auffällig.
"Und wir schlafen ja eigentlich zusammen auf unserem Doppelbett, nh?", fuhr Laura fort und senkte peinlich berührt ihren Blick. Da fiel der Groschen bei mir und ich lachte laut auf, zu Lauras Verwunderung. Nun starrte sie mich fragend an, die Röte in ihrem Gesicht verstärkte sich nur.
"Natürlich kann ich auf der Couch schlafen und Chen bei dir, kein Problem!", lachte ich.
Misa würde mich umbringen, wenn sie herausfand, was ich gerade alles erlaubte. Ich sah sie schon bildlich vor mir, wie sie nach Hause kam, noch gut gelaunt von einem spaßigen Nachmittag mit Sehun, Chen sah, aufgeklärt wird und daraufhin die Hände über dem Kopf zusammen schlägt, während sie "Chris, du bist so naiv!" ruft, den Kopf schüttelt und sich in ihr Zimmer verkriecht.
"Und?", unterbrach Laura meine Gedanken auf ein Neues.
"Ehm, ja?", sagte ich einfach, um nicht zuzugeben, dass ich ihr nicht zugehört hatte. Ungläubig starrte mich Laura an.
"Im ernst? Du bist wirklich super, Chris!", strahlte sie, verbeugte sich dankbar vor mir und drehte sich zu Chen, der in der Küche derweile nach etwas zu Trinken suchte.
"Hast du das gehört? Du kannst mehrere Tage bei mir übernachten! Ist das nicht super?"
"Echt?", Chens Blick hob sich, sah erst erstaunt zu Laura, dann zu mir. Langsam hob er seine Hand und streckte mir einen nach oben gerichteten Daumen entgegen.
"Dankeschön! Sehr nett von dir, Chris."
Dann wandte er sich wieder um.
"Übrigens haben wir das Gruppenbild vom Fotoshooting ergattert, auf das wir euch gezogen haben. Ich legs euch hier hin!", verkündete er noch, doch ich hörte nur halb zu.
Ich brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, wie überrascht und überrumpelt ich im Moment aussah.
Doch bevor ich irgendwas einwenden konnte, klingelte mein Handy vom Esstisch nach meiner Aufmerksamkeit.
Schnell warf ich noch einen Blick zu Laura, die gut gelaunt zu Chen in die Küche tapste und das Mysterium um den Aufenthaltsort unserer Getränke löste. Sie sahen Beide so unglaublich glücklich aus, ich wollte meine Zusagen von eben einfach nicht mehr zurück nehmen. Es würde schon nichts passieren.
Hoffte ich.
Mit diesem Gedanken schnappte ich mir mein Handy und verließ den Essbereich, um im Flur in Ruhe telefonieren zu können.
"Si?", meldete ich mich am Hörer, woraufhin mir Gelache entgegen kam.
"Sziii? Ist das dein ernst?!", lachte mir die Stimme von Misa aus dem anderen Ende der Leitung entgegen und imitierte meinen spanischen Akzent mitsamt der Begrüßung.
"Haha, sehr witzig. Ich lege auf", seufzte ich, doch eine Stimme aus dem Hintergrund hielt mich auf.
"Nein, nein, nicht auflegen! Nein!"
War das die Stimme von D.O oder täuschte ich mich gerade gewaltig? Warum war er bei Misa?
"Sie legt nicht auf, keine Sorge", hörte ich dumpf die abgewandte Stimme von Misa antworten, sodass ich beinahe demonstrativ aufgelegt hätte, doch dann folgte ein Aufschrei, der mich aufhielt.
"Hey! Sehun! Gib mir mein Handy wieder! Sofort! Ich befehle es!"
"Entspann dich", antwortete Sehuns Stimme lachend dumpf, dann hörte ich ihn deutlicher, da er anscheinend sich nun das Handy ans Ohr hielt.
"Chris?", fragte er. Im Hintergrund hörte man Misas empörtes Rufen und ganz leise auch D.Os Gelache.
"Mein Name?", entgegnete ich, wofür ich wieder Lachen erntete.
"Du bist doch gut mit Incheon Gal befreundet, oder?", fragte Sehun weiter. An seiner Stimme konnte man deutlich erkennen, wie ihn Misas Lachen ansteckte, er es jedoch krampfhaft unterdrückte.
Incheon Gal war der Spitzname, den sie Ji gegeben hatten. Warum fragte ich mich schon die ganze Zeit über. Ji war so kurz, dass sie eigentlich keinen Spitznamen bräuchte. Und trotzdem hatte sie einen super Langen.
Wenn wir mich statt Cristina Chris nannten oder eventuell manchmal statt Laura Lou, dann konnte ich das ja noch verstehen, aber bei ihr?
"Ehm, geht. Ich helfe ihr manchmal, bei euch zu Putzen", überlegte ich laut. War ich eigentlich gut mit ihr befreundet? Es stimmte schon, dass in den letzten Tagen, in denen Misa und Laura mich mit EXO Männern im Stich gelassen hatten, viel Zeit mit ihr verbrachte. Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr wurde mir klar, dass wir schon irgendwie Freundinnen waren. Doch ich verbrachte nicht nur ausschließlich Zeit ihr. Von Chanyeol zum Beispiel würde ich eher behaupten, gut mit ihm befreundet zu sein, wenn nicht sogar am Besten, wenn man Misa uns Laura außen vor ließ...
Chanyeol...
"Hörst du mir überhaupt zu?"
"Natürlich!", antwortete ich aufgeschreckt Sehun sofort. Aus dem Hintergrund lachte Misa nur noch lauter, wenn das mittlerweile überhaupt noch möglich war.
"Die Antwort ist nein, Chris ist mal wieder total abgespacet", hörte ich sie noch aufjapsen, dann holte Misa tief Luft und lachte munter weiter. Was für Drogen hatte sie genommen, dass sie so viel lachte?
"Also nochmal", räusperte sich Sehun geduldig und ging anscheinend ein paar Schritte von Misa weg, denn ihr Lachen rückte nur noch weiter in den Hintergrund.
"Ich habe ein Bild aus Incheon Gals Kindheit."
"Ja und? Ist das abnormal?", jetzt lachte ich. War das alles, der Grund zum anrufen?
Wir wohnten nebenan, wenn sie mir ein Bild zeigen wollten, könnten sie genauso gut herkommen!
"Lass mich doch ausreden!", Sehun seufzte, wechselte ein paar unverständliche Worte mit Misa oder D.O und wandte sich dann wieder an mich.
"Chanyeol ist auch auf dem Foto. Die Beiden kennen sich, vermuten wir, schon aus der Kindheit. Aber ich glaube, Incheon Gal erinnert sich nicht so."
Überrascht hob ich meine Augenbrauen ein wenig an. Sie kannten sich aus der Kindheit? Das würde einiges erklären...
Doch warf es mir nur noch mehr Rätsel auf. Wie standen die Beiden zueinander? Was waren sie damals füreinander und was sind sie jetzt füreinander? Und warum fragte ich mich soetwas?
"Und was soll ich machen?", fragte ich weiter. Sie erzählten mir das bestimmt nicht umsonst, da war ich mir sicher. Irgendetwas musste dahinter stecken.
"Könntest du sie das nächste Mal, wenn ihr euch trefft, unauffällig... Naja, aushorchen? Sie fragen, ob unsere Vermutungen stimmen? Ihr seid ja beide Mädchen...", nun war D.O am Handy.
Unsicher biss ich mir auf die Unterlippe. Eigentlich war dabei kein Problem, es wäre ein Klacks für mich.
Doch eigentlich...
Misas empörtes Aufruf aus dem Hintergrund unterbrach meinen Gedankengang.
"Hey! Ich bin auch ein Mädchen! Ich könnte das eigentlich auch machen!"
"Das weiß ich doch...", entschuldigte sich D.O sofort bei ihr, weswegen Misa nur laut auflachte. Sie nahm soetwas nicht allzu ernst und das D.O sich so betroffen entschuldigt hatte amüsierte sie wahrscheinlich zutiefst.
Ein Schmunzeln huschte über meine Lippen.
"Kann ich machen, wieso auch nicht?"
Doch eigentlich wollte ich Ji , wenn sie ihn tatsächlich aus der Kindheit kannte, nicht daran erinnern. Wer weiß, wie sich alles danach ändern würde?
Ist das die Selbstsucht, von der Laura mir mal erzählt hatte? Aber kam soetwas, Lauras Erzählung nach, nicht eigentlich, wenn man...
verliebt war?

EXO Next Door AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt