Kapitel 1

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Wincent

,,Mal dir 'ne Karte für den Fall, dass ich mich wieder mal verlauf
Ich kreuz dir an, da wo ich bin und hoff, du findest mich dann auch", summe ich vor mich hin und schreibe mir die Notizen in mein Handy. Seufzend schaue ich nach oben und beobachte die Bäume, die vom Wind hin und her schwanken. Seit gestern bin ich wieder hier in Tirol und versuche runter zu kommen. Runter von all dem Stress den ich so habe. Die letzten Wochen wurden wieder zu viel und ich konnte meine eigenen Gedanken nicht mehr ordnen. Daher musste ich von meinem Alltag ausbrechen und habe hier Zuflucht gesucht. Die letzten Male in denen ich hier war, habe ich mich immer sehr wohlgefühlt und hier habe ich auch als Person des öffentlichen Lebens die Möglichkeit in aller Ruhe runter zu kommen. Gerade liege ich noch im Bett und genieße die Stille, die ich so lange nicht ertragen konnte. Gestern habe ich nicht mehr viel gemacht, als einzuchecken und ein bisschen Sport zu machen. Am Abend habe ich noch kurz mit Amelie, meiner besten Freundin telefoniert um sie auf den neuesten Stand zu bringen. Irgendwann lege ich mein Handy wieder weg und stehe auf. Da ich mir schon am frühen Morgen der Kopf raucht, ziehe ich mir meine Sportklamotten an und gehe runter in den Fitnessbereich. Unten angekommen mache ich mir gleich Musik an und stelle meine Sachen an der Seite ab. Zum Aufräumen gehe ich erstmal eine Runde aufs Laufband. Zu meinem Glück ist um diese Uhrzeit hier nicht viel los und ich habe quasi meine Ruhe. Die wird aber jeher gestört, als die Tür aufgeht und eine junge Frau mit langen braunen Haaren, die sie zu einem Zopf gebunden hat hereinkommt. Als sie mich bemerkt, grüßt sie freundlich und baut ein paar Meter vor mir etwas auf. Ich kann es nicht verhindern das mein Blick immer mal wieder zu ihr geht. Als sie an mir vorbei zu einem Schrank läuft und diesen aufschließt, schließe ich daraus, dass sie hier arbeitet. Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und überlege. Hier gesehen habe ich sie noch nie. Was mich aber wundert, denn sie schaut nicht schlecht aus. Wincent, weg mit diesen Gedanken.

Kopfschüttelnd mache ich meine Musik lauter und beobachte sie im Augenwinkel. Sie ist relativ groß, schlank und lange braune Haare. Im Großen und Ganzen ist sie sehr natürlich, aber das macht sie so besonders. Als die Tür aufgeht, dreht sie sich augenblicklich um. ,,Morgen Tony, da bist du ja", lächelt sie und ein kleiner Junge kommt auf sie zu. Kurz reden sie miteinander, bevor sie ein paar bestimmte Übungen machen. Immer mal wieder geht mein Blick zu ihr. Als ich mich endlich zusammenreißen möchte, erwidert sie mein Blick und lächelt mich an. Ich kann gar nicht anders als zurück zu lächeln. Als es mir aber zu viel wird, schnappe ich mir meine Sachen und verlasse den Fitnessraum. Scheiße Wincent, was war das eben? Mit schnellen Schritten gehe ich wieder hoch in mein Zimmer und gehe auf direktem Weg duschen. Da ich Hunger bekomme, gehe ich runter ins Restaurant und bestelle etwas zu essen. Gerade als ich anfangen möchte zu essen, flitzt die junge
Frau von heute Morgen an mir vorbei in Richtung Theke. Dahinter steht die Inhaberin des Hotels. ,,Morgen Mama, hab dich heute in der Früh gar nicht gesehen", höre ich sie sprechen. Sie ist also die Tochter des Hotelbesitzers. Warum ist sie mir bei den vergangen Aufenthalten nicht aufgefallen? Vielleicht weil du eine Freundin hattest du Idiot. Okay, aber nicht die ganze Zeit. ,,Hey Wincent, was machst du denn hier?", werde ich plötzlich aus meinen Gedanken gerissen. Als ich mich aufsetze, kommt Lena auf mich zu. ,,Bisschen Urlaub vor den Konzerten und du?", grinse ich und ziehe sie kurz in meine Arme. ,,Mädelstrip mit meinen Freundinnen", lächelt sie und deutet auf ihre Freundinnen. ,,Ach schön", sage ich und winke ihnen kurz.

,,Nochmal Glückwunsch zu deinem Sieg", kichert sie und pickst mir in die Seite. ,,Danke, mein Team war halt klasse", lache ich und erinnere mich an das The Voice Kids Finale von vor ein paar Wochen. Kurz unterhalten wir uns noch, bevor sie wieder zu ihren Freundinnen geht. Ich hingegen esse zu Ende und gehe anschließend wieder hoch ins Zimmer. Dort schreibe ich kurz mit meiner Managerin Anna um die nächsten Termine abzustimmen. Da ich mir noch ein bisschen die Füße vertreten möchte, ziehe ich mich wieder an und fahre mit dem Aufzug runter. Grade als ich um die Ecke biege, spüre ich einen Zusammenstoß und etwas nasses auf meinem Pulli. ,,Oh mein Gott, entschuldigen sie", höre ich eine zarte Stimme und als ich aufblicke, sehe ich die junge Frau von heute Morgen mit aufgerissenen Augen vor mir stehen. ,,Es tut mir so leid", stammelt sie immer wieder. In ihrer Hand erkenne ich ein Glas und jetzt weiß ich auch wie das Wasser auf meinen Pullover gelandet ist. ,,Es ist alles gut. Ich hätte ja aufpassen können", lächle ich leicht. ,,Ich bin manchmal echt ein Tollpatsch", schmunzelt sie und reicht mir ein Taschentuch. ,,Ach halb so schlimm. Es ist ja nur Wasser", winke ich ab. ,,Kann ich das irgendwie wieder gut machen? Sie können den Pulli gerne in die Reinigung schicken." ,,Das ist wirklich nicht nötig. Aber vielleicht können wir es ja bei einem Trink an der Bar wieder ausgleichen", schlage ich vor und darüber bin ich selbst überrascht. Warum habe ich das jetzt vorgeschlagen? Mensch Wincent, schalte doch öfters mal deinen Kopf ein. Unsicher schaue ich in ihr Gesicht, welches genauso überrascht ausschaut.

,,Ja, gerne", stammelt sie und schaut mich lächelnd an. ,,Wann wollen wir uns treffen?", redet sie weiter. ,,Mir ist es relativ egal, aber vorher möchte ich gerne was klarstellen", sage ich und halte ihr meine Hand hin. ,,Ich bin Wincent", lächle ich. ,,Ich weiß", murmelt sie, schüttelt aber meine Hand. ,,Ich bin Josephine", lächelt sie mich nun und dieses Lächeln kann einem wirklich nur umhauen. ,,Schön dich kennenzulernen, also wann passt es bei dir?" ,,Heute ist es blöd. Bist du morgen noch da?", fragt sie und schaut mich unsicher an. ,,Ja, bin noch ein paar Tage da." ,,Gut, dann morgen Abend so gegen 20:00 Uhr?" ,,Das klingt gut", lächle ich und atme unhörbar aus. ,,Okay, dann bis morgen", sagt sie einen Hauch schüchterner und geht an mir vorbei. ,,Bis morgen", lächle ich und schaue ihr mit einem dummen Grinsen nach. Scheiße Wincent, was hat das hier gerade zu bedeuten. Gar nichts, ich treffe mich einfach für ein Trink, mehr nicht. Kopfschüttelnd laufe ich weiter und verlasse das Hotel. Ich schlendere einfach ein bisschen in der Gegend herum und verfalle wieder in meinen Gedanken. Nach meinen ausgiebigen Spaziergang gehe ich wieder zurück und verbringe meinen restlichen Abend im Wellnessbereich. Da ich heute keine Lust auf Menschen habe, bestelle ich mir mein Abendessen einfach aufs Zimmer und ziehe mir währenddessen eine Serie rein. Relativ früh gehe ich ins Bett und schreibe noch ein bisschen mit meiner kleinen Schwester hin und her. Die letzten Wochen hat sie sich immer mal wieder Sorgen um mich gemacht und das möchte ich gerne vermeiden.

Als der Schlaf mich einholt, holen mich aber auch wieder meine Alpträume ein. Immer und immer wieder träume ich den gleichen Scheiß. Ich inmitten der Fans, werde fast erdrückt und bekomme keine Luft mehr. Schweißgebadet wache ich auf und ringe nach Luft. Kurz muss ich mich orientieren um festzustellen das ich hier in Tirol im Bett liege und nicht dort. Eigentlich ist die Bühne und die Musik mein zu Hause, aber gerade macht es mir irgendwie Angst. Überfordert wegen meinen eigenen Gedanken, fange ich an zu weinen. Ich möchte dieses Gefühl nicht haben, aber ich kann sie nicht verhindern. In Momenten wie diesen fühle ich mich einfach so alleine und verloren. Eigentlich sollte man meinen, ich habe alles wovon ich nur träumen kann. Aber was bringen mich all die Auszeichnungen und der Erfolg, wenn mir das wichtigste fehlt, nämlich die Liebe.

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