Hol mich ab

Kapitel 46

Wincent

Seit meinem Auftritt in der Elphilaharmonie sind schon wieder knapp drei Wochen vergangen. Und ich hatte wirklich die Hoffnung das der Hate rund um Fine besser wird und sich legt, aber leider war das nicht der Fall. Immer noch bekommt sie jeden verdammten Tage irgendwelche Kommentare. Wenn nicht über ihr Account, dann über meine Kommentare. Seit dieser Woche bin ich nun schon in Berlin, da wir die Battles von the The Voice Kids drehen. Die komplette Woche hat sich Fine nicht oft gemeldet, aber ich habe den Anschein das es diese Woche bei ihr einigermaßen gut geht. Sie hat sich viel abgelenkt und war auch oft unterwegs. Morgen haben wir den letzten Drehtag und dann geht es auch endlich wieder nach Hause zu ihr. Ich lüge nicht wenn ich sage, dass ich sie unheimlich vermisse und ich es kaum erwarten kann sie wieder in meine Arme zu ziehen. ,,Kommst du? Es geht weiter", reißt mich Annas Stimme aus den Gedanken. ,,Ja, komme sofort", erwidere ich und stehe auch. Schnell schnappe ich mir noch meine Sachen und folge ihr nach unten ins Studio. Kurz unterhalte ich mich noch mit Lena, bevor die Aufzeichnungen beginnen. Und auch diesmal ist es ein nahelos perfekter Durchgang und mal wieder konnte ich mich fast nicht entscheiden. Die Kids zu enttäuschen tut einfach unfassbar weh, aber ich muss eine Entscheidung treffen, anders geht es gar nicht. Um kurz nach 21:00 Uhr verlasse ich das Studio und schreibe wie jeden Tag noch ein paar Autogramme. Total erledigt komme ich eine Dreiviertel Stunde später im Hotel an und wähle schonmal Fines Nummer, aber rangehen tut sie nicht. Verwirrt lege ich auf und gehe ins Badezimmer. Nachdem ich mich bettfertig gemacht habe, lege ich mich ins Bett und versuche nochmal Fine zu erreichen. Doch auch diesmal geht sie nicht dran.

Ich muss wohl irgendwann eingeschlafen sein, denn ich werde erst wieder am nächsten Morgen durch meinen Wecker geweckt. Mein erster Griff geht zu meinem Handy, um Fine eine Nachricht zu schreiben. In der kompletten Zeit, in der ich mich fertig gemacht habe, hat sie mir aber nicht geantwortet. So langsam mache ich mir echt Sorgen. Doch Zeit dafür habe ich nicht, denn ich bin schon wieder viel zu spät dran. Leicht abgehetzt komme ich im Studio an und begrüße erstmal die anderen. ,,Du sollst gleich rüber in die Maske kommen", teilt mir Anna mit, als ich in meine Garderobe komme. ,,Okay", seufze ich und schäle mich aus meiner Jacke. ,,Morgen", lächle ich und schließe die Tür hinter mir. ,,Guten Morgen Wincent, setzt dich", antwortet die Visagistin freundlich und deutet auf einen der Stühle. Während sie mir die Haare macht, schaue ich nochmal auf mein Handy, aber nichts zu sehen. Überhaupt kein Lebenszeichen von Fine. Paar Minuten später bin ich schon wieder auf dem Weg zurück und währenddessen versuche ich sie nochmal anzurufen. ,,Hast du was von Fine gehört?", frage ich Anna und setze mich zu ihr. ,,Sie ist doch deine Freundin", kichert sie und schaut von ihren Unterlagen auf. ,,Haha", brumme ich und entsperre mein Handy. ,,Aber zurück zu deiner Frage, sie hat sich gestern krankgemeldet", spricht sie und schreibt sich etwas auf. ,,Hä?", sage ich verwirrt und schaue zu ihr. Warum sagt sie aber nichts? ,,Keine Ahnung Wince. Sie meinte nur, sie wäre vorerst diese Woche krankgeschrieben. Sie würde sich Montag bei mir melden." ,,Okay, ich fahre ja heute Abend noch nach Hause, dann sehe ich sie ja."

Da ich gleich ein Interview habe, mache ich mich fertig und gehe mit Anna dorthin. ,,Ich habe alle möglichen Fragen rund um Fine gestrichen", sagt sie, während wir laufen. ,,Danke", lächle ich und meine es auch so. Ich habe wirklich keinen Nerv darüber zur reden. Am liebsten würde ich wirklich mal eine Stellungnahme dazu machen, aber das nicht über ein Interview. Und Gottseidank hat sich die Reporterin an Annas Bedingungen gehalten und es werden keinerlei Fragen rund um Fine gestellt. Zurück in meiner Garderobe ziehe ich mich um und schon ist es Zeit für die letzte Aufzeichnung. ,,Das Ganze ging mal wieder viel zu schnell vorbei", seufzt Lena am Abend, als wir alle zusammen nach oben laufen. ,,Da hast du recht, aber es war mal wieder wundervoll", lächle ich und auch die anderen stimmen mir zu. Und nun ist es schon Zeit alles einzupacken. Kurz nach 21:00 Uhr verabschiede ich mich von allen und schmeiße meine ganzen Sachen ins Auto. ,,Ab nach Hause", grinse ich und starte den Motor meines Auto. Auf der kompletten Autofahrt gröle ich zur Musik und bin bei jeden Kilometer glücklicher endlich zu Fine zu kommen. Kurz bevor ich unsere Heimat erreiche, fängt es an zu schütten und dies zieht sich bis nach Hause. Nach etwa drei Stunden fahre ich in die Einfahrt und sehe, dass das ganze Haus danke ist, also muss Fine wohl schon schlafen. Ist ja auch kein Wunder, es kurz vor halb 1.

Leise betrete ich das Haus und stelle meine Sachen im Flur ab. Sofort habe ich das Gefühl zu Hause zu sein und ich muss sagen, es ist ein wunderschönes Gefühl. In der Küche trinke ich erstmal einen Schluck, bevor ich auf leisen Zehenspitzen nach oben gehe. Im Schein der Straßenlaterne sehe ich, dass das Bett leer ist. Stirnrunzelnd schalte ich das Licht aus und das Bett ist wirklich leer. ,,Schatz?", rufe ich und schaue mich um. Sofort schaue ich im ganzen Haus nach, doch Fine ist nicht hier. Mit zittrigen Händen wähle ich ihre Nummer, doch sie geht nicht ran. Auch auf meine Nachrichten antwortet sie nicht. Kurz übelrege ich und will auf Instagram schauen, aber ich finde ihr Profil nicht mehr. Hat sie nun ihr Profil komplett gelöscht? Geistesabwesend wähle ich Mamas Nimmer, die ein paar Sekunden später auch schon abnimmt. ,,Wince? Ist etwas passiert?", fragt sie verschlafen. ,,Ist Fine bei euch?" ,,Nein, warum sollte sie hier sein?" ,,Ich bin eben nach Hause gekommen, aber sie ist nicht da." ,,Wie sie nicht da?", fragt sie verwirrt und ich höre das Rascheln der Bettdecke. ,,Das Haus ist leer. Ich habe überall nachgeschaut, sogar im Keller", rattere ich runter. ,,Beruhig dich Schatz. Soll ich mal versuchen sie anzurufen? Vielleicht geht sie bei mir oder Shay ran." ,,Das kannst du gerne machen." ,,Gut, dann bis gleich", erwidert sie und legt auf. Ich hingehen gehe wieder nach unten und als ich in die Küche laufen will, sehe ich einen Briefumschlag auf dem Esstisch liegen. Sofort spanne ich mich an und greife danach. Ich setze mich hin und mit zittrigen Fingern reiße ich ihn auf. Schon bei den ersten Zeilen zerbricht mein Herz in tausend Teile.

,,Lieber Wince, wenn du das hier liest, hast du wohl gesehen das ich nicht mehr bei dir bin. Ich kann einfach nicht mehr Wincent. Ich halte diesen ganzen Hate nicht aus. Ja, ich liebe dich und meine Gefühle für dich sind so unfassbar stark, aber wahrscheinlich komme ich in deiner Welt nicht zurecht. Ich habe versucht damit klarzukommen, aber ich schaffe es nicht. Und du hast jemanden verdient, der damit klarkommt. Ich habe solche Angst und trau mich schon gar nicht mehr raus, da ich diese Woche auch schon zwei Begegnungen hatte, die nicht schön waren. Bitte glaub mir wenn ich dir sage, ich liebe dich aus ganzen Herzen. Niemals hätte ich gedacht, dass ich jemals so sehr lieben werde. Aber du hast es mir gezeigt und dafür werde ich dir immer dankbar sein. Sei mir bitte nicht böse, finde dein wahres Glück und zeige ihr wie wundervoll du bist. Denn das bist du Wincent und noch viel mehr! In Liebe Fine."

,,Nein", schluchze ich und vergrabe mein Gesicht in meinem Arm. ,,Nein, nein, nein", wimmere ich immer wieder. Schon wieder habe ich es nicht geschafft. Geistesabwesend mache ihr eine Sprachnachicht. ,,Schatz bitte, komm zurück. Wir schaffen das. Ich weiß weiß nicht wie, aber irgendwie schaffen wir das. Ich liebe dich doch so sehr", hauche ich und beende die Nachricht. Starr blicke ich aufs Handy und sie geht sogar online. Ich sehe das sie die Nachricht abgehört hat, aber antworten tut sie nicht. Wimmernd lasse ich mich auf den Boden sinken und drohe zu ertrinken. Noch nie in meinem Leben habe ich solch einen Scherz empfunden. Ich weiß nicht wie lange ich hier sitze, aber irgendwann wird es mir ganz schwarz vor Augen. Das wars wohl, Fine hat es geschafft mich abzuholen, aber nun ist da niemand der mich auffängt...