Kapitel 48

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Wincent

,,Shay, wer war das?", frage ich nachdem sie aufgelegt hat. Da sie nicht mitbekommen hat, dass ich wach bin, schreckt sie leicht zusammen. ,,Das war Herr Simon. Er war eben draußen, da er ein schwaches Licht gesehen hat. Fine ist da, bei Seppl", erzählt sie und augenblicklich beginnt mein Herz doller zu pochen. ,,Das müssen wir dahin, auf der Stelle", erwidere ich und kämpfe mich aus der Decke hervor. ,,Wince, warte", murmelt Shay und hält mich am Arm fest. ,,Was?" ,,Er meinte, Fine sieht sehr mitgenommen aus", sagt sie vorsichtig, ,,Wie mitgekommen?" ,,Sie hätte viele Schrammen, sie redet aber nicht. Sie wäre total verängstigt." ,,Scheiße, wir müssen uns beeilen." Ich springe auf, ziehe mir die erstbesten Klamotten über und renne rüber ins Gästezimmer zu Mama. ,,Mum, wacht auf", rufe ich und schüttle sie leicht. ,,Was ist passiert?" ,,Der Hofbesitzer hat Shay angerufen. Er hat Fine gefunden. Wir müssen auf der Stelle dahin. Sie wäre total verängstigt und verletzt", rattere ich runter. ,,Oh nein", murmelt sie und steht ebenfalls auf. Eine viertel Stunde später sitzen wir im Auto und wenn ich geblitzt werde, verliere ich mit Sicherheit meinen Lappen, aber das ist mir gerade sowas von egal. Nach etwa 20 Minuten kommen wir am Reiterhof an und so schnell es geht, steige ich aus. ,,Wincent, warte mal kurz", hält mich Mum auf. ,,Mach jetzt bitte langsam. Wir wissen nicht, in welch einer Verfassung sie ist, deswegen müssen wir jetzt ganz behutsam sein", spricht sie und schaut mich besorgt an. ,,Ja, du hast ja recht", murmle ich und im nächsten Augenblick kommt schon Herr Simon auf uns zu. ,,Hallo, gut das ihr da seid", sagt er und lächelt uns leicht an. ,,Sie sitzt bei Seppl in der Box, aber sie erzählt nicht was passiert ist. Ihr Gesicht ist voll mit Schrammen und sie muss total unterkühlt sein, ist ja kein Wunder bei der Kälte." ,,Vielen Dank, das sie uns informiert haben", antworte ich. ,,Das ist doch selbstverständlich."

Auf schnellstem Weg gehen wir zur Box und sachte nähern wir sie. Der Ehemann von Herrn Simon sitzt bei ihr und redet sanft auf sie ein. Als ich sie sehe, zucke ich regelrecht zusammen. Sie sieht aus, als wäre sie zusammengeschlagen worden oder sonst was. ,,Fine", sage ich leise und sofort blickt sie zu mir und fängt an zu weinen. ,,Hey, es wird alles gut, hörst du?" Leicht nickt sie und vergräbt ihr Gesicht in den Händen. ,,Darf ich zu dir kommen?", frage ich vorsichtig und warte gespannt auf eine Reaktion. ,,Ja", haucht sie kaum hörbar. Vor ihr gehe ich in die Hocke und lege eine Hand auf ihren Arm. ,,Es tut mir so leid, ich wollte das doch gar nicht", weint sie und schaut mich reumütig an. ,,Ich weiß und dir muss gar nichts leid tun. Ich bin dir auf keinem Fall böse oder sonst was. Was ist dir denn passiert?" ,,Sie standen plötzlich draußen von dem Haus", flüstert sie und fixiert die Wand hinter mir. ,,Wer?" ,,Fans, drei Stück." ,,Vor unserem Haus?", frage ich vorsichtig weiter, worauf sie leicht nickt. ,,Als ich einkaufen fahren wollte, haben sie mich abgefangen und mir gedroht. Sie haben mich einfach g..ge..ges", versucht sie zu sagen, aber ihre Stimme bricht immer wieder. ,,Ist schon gut", flüstere ich und ziehe sie vorsichtig in meine Arme. ,,Am nächsten Tag standen sie wieder vor mir und haben mir wieder gedroht und dann konnte ich einfach nicht mehr. Ich hatte so Angst. Die waren sogar auf dem Grundstück", wimmert sie. ,,Fine, wir müssen zur Polizei. Das geht doch nicht." ,,Ich weiß. A..aber", weint sie und schaut mich aus erschöpften Augen an. ,,Ja?" ,,Es tut mir so leid. Ich wollte mich doch nicht trennen. Dafür liebe ich dich doch zu sehr. Ich wusste aber nicht mehr weiter." ,,Ganz ruhig. Mach dir bitte keine Vorwürfe", flüstere ich und hauche ihr einen Kuss auf die Schläfe.

,,Wince, sollten wir nichtmal nach Hause fahren?", fragt Mama leise. ,,Ja, ich habe eine Frage Fine. Wo sind deine Krücken?" ,,Die haben sie mir angenommen mit den Worten: Ich soll nicht so nach Aufmerksamkeit geiern." ,,Was macht dein Fuß?", frage ich besorgt. ,,Der tut so weh", wimmert sie leise und krallt sich in meine Jacke. ,,Wir gehen morgen direkt zum Arzt. Aber jetzt fahren wir erstmal nach Hause. Darf ich dich tragen" Leicht nickt sie, worauf ich aufstehe und sie vorsichtig hochhebe. ,,Mama, kannst du vielleicht fahren?", frage ich sie, als ich Fine hinten ins Auto setze. Als wir zu Hause ankommen, ist es kurz nach 2:00 Uhr. ,,Willst du vielleicht duschen gehen? Du bist eiskalt." ,,Ja, hilfst du mir?" ,,Natürlich", lächle ich und hauche ihr einen Kuss auf die Stirn. Gesagt getan helfe ich beim Duschen und beim anschließenden Anziehen. Im Schlafzimmer setze ich sie auf dem Bett ab und sofort kuschelt sie sich in die Decke. ,,Schau mal Mäuschen, ich hab dir einen Tee gemacht", sagt Mum und kommt mit einer Tasse ins Zimmer. ,,Danke", haucht Fine und nimmt ihr die warme Tasse ab. ,,Und ich verspreche dir eines Fine, ich werde immer für euch und auch dich da sein. Ich bin mir sicher, wir schaffen das alle zusammen okay? Und nun werde ich mal deine Oma anrufen und sie über die guten Nachrichten informieren. Euch beiden wünsche ich eine gute Nacht. Schlaft gut, das braucht ihr jetzt", lächelt sie und lässt und wieder allein.

,,Wince?", wispert sie leise und schaut mich mit einem so unfassbar traurigen Blick an. ,,Ja?" ,,Bist du mir arg böse?" ,,Nein Süße, vergiss das bitte ganz schnell okay?" ,,Ich versuch es", haucht sie und schaut mich an. ,,Wollen wir uns mal um dein Gesicht kümmern?" ,,Ja." ,,Okay, bin gleich wieder da", sage ich und gehe nach unten in die Küche. Da hole ich den Verbandskasten und gehe wieder hoch. Im Badezimmer hole noch noch Wasser und einen Lappen. Fine hat sich zwischenzeitlich auf die Bettkante gesetzt. ,,Ich mach ganz vorsichtig okay?!", sage ich leise und knie mich vor sie hin. Zuerst säubere ich es ein bisschen, creme die Wunden mit Wundschutzcreme ein und mache auf die zwei größere Wunden am Kinn und an der Schläfe ein Pflaster. ,,Leg dich schonmal nach hin, ich gehe nochmal schnell nach unten." Unten hole ich ein Kühlpack und etwas zu trinken. ,,Halte das mal bisschen ans Auge", murmle ich, reiche ihr das Kühlpack und deute auf ihr Veilchen. ,,Danke, ich war so unfair zu dir und nun kümmerst du dich so lieb um mich. Das hab ich doch gar nicht verdient", flüstert sie und kämpft schon wieder gegen die Tränen an. ,,Du sollt jetzt aufhören dir ein schlechtes Gewissen einzureden", seufze ich und ziehe sie an meine Brust.

,,Versuch jetzt ein bisschen zu schlafen. Morgen sieht die Welt schon anders aus", flüstere ich und hauche ihr einen Kuss auf die Stirn. Da es schon so spät ist und sie viel durchgemacht hat, dachte ich, sie schläft relativ schnell ein, aber Fehlanzeige. Auch am frühen Morgen liegen wir noch hellwach im Bett. ,,Soll ich uns eine Serie anmachen?" Als sie sachte nickt, schalte ich den Fernseher an. Immer wieder streichle ich ihr über den Rücken. Eine weitere Stunde später, nehme ich einen gleichmäßigen Atem wahr. ,.Endlich", seufze ich und lege mich ein bisschen bequemer hin. Auch ich erlaube es mir endlich meine Augen zu schließen. Irgendwann werde ich wieder wach und da ist es schon kurz vor 12:00 Uhr. Vorsichtig löse ich mich von Fine und gehe nach unten. ,,Morgen", murmle ich und gehe zur Kaffeemaschine. ,,Habt ihr gut geschlafen?", fragt Mum und schaut mich an. ,,Sind kurz vor 6:00 Uhr erst eingeschlafen. Fine schläft noch." ,,Dann lass sie das auch mal noch. Shay und ich fahren dann auch mal nach Hause und lassen euch allein. Glaub das braucht sie jetzt auch." ,,Danke das ihr da wart", lächle ich und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. ,,Das ist doch selbstverständlich", schmunzelt sie und trinkt ihren Kaffee leer. Eine halbe Stunde später sind die beiden auch gefahren. Ich mache Fine und mir ein leckeres Frühstück und bringe es nach oben. Im Türrahmen bleibe ich einen Moment stehen und beobachte sie. Sie so verletzt und ängstlich da liegen zu sehen, bricht einfach nur mein Herz. Und zu wissen das sie all das nur durchgemacht hat, weil sie mit mir zusammen ist, tut noch mehr weh.

Seufzend stelle ich das Tablett auf der Kommode ab und wecke Fine sanft. ,,Morgen Süße, hast du Hunger?" ,,Guten Morgen, ja sehr sogar", lächelt sie scheu und setzt sich auf. ,,Dann habe ich ja gute Neuigkeiten", lache ich und hole das Tablett her. Ich setze mich wieder neben sie und gemeinsam essen wir. Und von Sekunde zu Sekunde merke ich, dass sie immer mehr auftaut und meine Nähe sucht. ,,Wir machen uns dann fertig und fahren zum Arzt und Polizei okay?", sage ich nachdem wir zu Ende gefrühstückt haben. ,,Okay", murmelt sie und steht langsam auf. ,,Hey Schatz, schau mich mal an", erwidere ich und halte sie am Arm fest. ,,Wir schaffen das okay?", spreche ich und schaue sie intensiv an. ,,Ja", haucht sie leise und nickt. Schnell gehe ich ins Badezimmer und springe unter die Dusche. Als ich wieder zurück ins Schlafzimmer komme, steht Fine vor dem Fenster und starrt nach draußen. An ihrer Körpersprache sehe ich das etwas nicht stimmt. ,,Schatz?", frage ich vorsichtig und trete näher. ,,Da", wimmert sie und deutet nach draußen...

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