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Die Umgebung, in der Jungkook sich jetzt befand, war das exakte Gegenteil zu der Umgebung vom Vortag. Hohe Mauern schmückten die Straßen und sorgten auf den dahinterliegenden Grundstücken für maximalen Schutz und Privatsphäre. Dafür hatte man auf der Straße keine mehr. An jeder erdenklichen Hausecke war eine Kamera angebracht, die rund um die Uhr alles filmte.

Auch das Haus von Yoongis Grundschulliebe war eines der wohlhabenderen und der Blondhaarige kam nicht darum herum, angewidert das Gesicht zu verziehen. Wie konnte ein Mensch, der aus Spaß die Seele eines anderen zerstört hat, nur so verdammt gut leben. Das, was er hier sah, stand eigentlich alles Yoongi zu, zumindest wäre das nur fair gewesen.

Doch was war schon fair. Man wurde verurteilt, in Schubladen gesteckt und am Ende war es hier auch nicht besser als in irgendeinem anderen Ort, Land oder Kontinent. Es galt das Prinzip: ‚Habe eine reine Seele und du wirst belohnt'. Natürlich hatte sich auch das Prinzip: ‚Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer.' durchgesetzt.

Schnaubend, nachdem er noch mal das große Eingangstor begutachtet hatte, drückte der 23-Jährige auf die Klingel. Ob diese nun in dem Gebäude einen Ton von sich gegeben hatte oder nicht, konnte er nicht sagen. Doch aufgrund dessen, dass nach kurzer Zeit ein leises Surren ertönte, hatte sich diese Frage auch erübrigt.

Erstaunt, dass er einfach so reingelassen wurde, lief er den Kiesweg, der bei jedem Haus mit viel Geld vorhanden war, entlang und drückte die nur angelehnte Haustür auf. Entweder Kagan fühlte sich unbesiegbar oder aber er war einfach nur lebensmüde.

„Stell es wie immer auf die Kommode!" – die Stimme eines Mannes klang von irgendwo her aus dem Haus und gab dem Ankömmling einen Befehl. – „Das Geld wird dann automatisch überwi-... wer sind sie?!"

Ein sehr athletischer, gleichzeitig auch zierlicher Mann mit dem gleichen Blond-Ton wie Jungkook stand in dem Rundbogen, der vermutlich aus der Küche in den Eingangsbereich führte, und starrte den für ihn unbekannten Mann mit aufgerissenen Augen an. Er hatte offensichtlich eine vertraute Person erwartet, doch dass ein Fremder um diese morgendliche Uhrzeit aufkreuzen könnte, hätte er nicht gedacht.

„Raubst du mich aus?" - da Jungkook immer noch nichts gesagt hatte, machte er einen waghalsigen Schritt auf den deutlich Stärkeren zu, zuckte jedoch zurück, als dessen Handy anfing zu klingeln.

Ohne draufzusehen drückte der Blondhaarige den Anruf weg und lief auf den Hauseigentümer zu, der zu dessen Erleichterung kleiner war. Somit fühlte der Jüngere sich automatisch stärker und grinste hämisch. – „Ich will reden."

„Reden? Ich habe keine Zeit für solch einen Kinderkram!" – Kagan wollte schon nach einem Gegenstand greifen, ob er ihn schmeißen oder nur mitnehmen wollte, war nicht ganz klar.

„Lass es mich anders formulieren." – Jungkook machte noch einen Schritt auf den bereits verheirateten Mann zu. – „Min Yoongi."

Schlagartig wich dem Mann die Farbe aus dem Gesicht. Der gebräunte Teint wirkte nun fast normal und die Augen verdoppelten sich auf das Dreifache.

„Du erinnerst dich an ihn." – mit der Zunge schnalzend lief der Größere an dem Hauseigentümer vorbei und gelangte zu seinem Erstaunen nicht in die Küche, sondern in ein recht offenes Wohnzimmer. An den Wänden standen große, teuer aussehende Sessel und auch der Teppich war nicht ganz billig. Doch all der Glanz war dem Blondhaarigen egal. Er spazierte mit seinen Straßenschuhen über den Teppich, wischte sie beim Gehen darauf noch ab und ließ sich einfach auf einen der Sessel fallen. Anschließend drehte er sich zu Kagan zurück, dem nur die Kinnlade auf dem Boden hing.

„Wissen sie, wie teuer das ist?!"

„Nichts auf der Welt kann das wieder gut machen, was sie angerichtet haben." – an einem Faden ziehend, zerstörte er etwas den Sessel. – „Billigproduktion." – immer weiter öffnete er die Nat des Sessels und genoss dabei den fast schon gequälten Ausdruck des Mannes. Warum er nicht einfach auf Jungkook losging, war unverständlich. – „Setzten sie sich. Das wird ein Weilchen dauern. Ist ihre Frau daheim?"

„Woher wissen sie davon." – sich nicht von der Stelle rührend, krampfte Yoongis Grundschulliebe die Hände zusammen.

„Ich weiß mehr, als du denkst. Aber keine Sorge. Wir reden und ich werde gehen."

Geschlagen nickte der Mann. Dass Jungkook nur bluffte, konnte er ja nicht ahnen. Sein Geheimnis, dass er seine Frau mit einem Mann betrog, würde, selbst wenn er sich weigerte zu reden, sein Geheimnis bleiben.

„Was willst du wissen."

„Min Yoongi, alles über ihn." – sein Handy herauskramend, drückte er auf Aufnahme, dabei sah er, dass Taehyung derjenige war, der versucht hatte, ihn anzurufen. Im Moment hatte er jedoch einfach keine Zeit für seinen besten Freund. Er hatte eine Quelle vor seiner Nase, die er erst wieder gehen lassen würde, wenn er alles wusste. Danach würde Tae seine vollste Aufmerksamkeit bekommen.

„Er war ein einfacher Klassenkamerad." – Kagan stand noch immer mit gehörigem Abstand zu dem Eindringling, jedoch sprach er in einer Lautstärke, dass man ihn dennoch gut verstehen konnte.

Der ungläubige Blick Jungkooks reichte aus, dass nach einer Zeit weitergesprochen wurde. – „Er war komisch. Er hatte die hellste Haarfarbe, die ich je gesehen habe, aber... es war eben auch gruselig."

„Fangen wir anders an." – ein leises Knirschen ging von dem Jüngeren aus. – „1. Klasse, was weißt du davon?"

„Nichts."

„2. Klasse?" – eine Augenbraue hochziehend, wartete er nun auf mehr Fakten.

„Wir kamen in eine Klasse. Er war still und hat niemandem etwas getan."

„Aber?"

„Er wurde schon damals die Treppen runter geschubst. Er hat schließlich weiße Haare. Außerdem war da immer ein Mädchen an seiner Seite. Sie klebten praktisch aneinander und kämpften. Es war ganz lustig." – der Ältere erinnerte sich offensichtlich gerade daran und zu Jungkooks erschrecken lächelte der Mann. – „Er hat sich so sehr gewünscht, Freunde zu haben. Er hat sich sogar vor uns ausgezogen." – lachend legte der Mann den Kopf in den Nacken.

„3. Klasse!" – Kagan konnte vom Glück sprechen, dass der Größere ohne Waffe gekommen war.

„Da hatte er gefurzt und alle haben erzählt, er würde mich lieben. Armselig, oder?"

Gerade als der Jüngere darauf antworten wollte, klingelte das Handy des Hausbesitzers.

„Wir müssen uns beeilen. 4. Klasse war nichts. Aber in dem Jahr danach wurde er von der Oberstufe sexuell.. naja. Eine Schülerin hat es mitbekommen und gepetzt. Daraufhin mussten sie sich bei ihm entschuldigen. Sie haben ihm irgendwelche Süßigkeiten gegeben. Einige der Produkte waren schon offen. Ob er sie gegessen hat, weiß ich nicht. Aber wie dem auch sei, trotz der Entschuldigung wurde er jähzornig und hatte so viel Hass in sich." – der Mann zog einen Ärmel nach oben. Der Arm war von einer langen Narbe gegenzeichnet. Sie startete an der Schulter und verlief längs bis kurz vor das Handgelenk nach unten. – „Das war er. Mit einer Metallstange. Ich werde ihn also niemals vergessen. Dafür hat er gesorgt." – der Kleinere schnappte sich seine Tasche. – „Die 6. Klasse war genauso. Die Abschlussfeier war ganz okay, ich glaube, jeder war froh, ihn los zu sein. Und jetzt geh. Wir sind quitt." 

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<3

𝑩𝒍𝒂𝒄𝒌 𝑻𝒐 𝑾𝒉𝒊𝒕𝒆 /ʸᵒᵒⁿᵏᵒᵒᵏ/Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt