Kapitel 2

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Nach dem Test unserer Fähigkeiten haben wir uns in einen der hier vorhandenen Beratungsräume zurückgezogen. Was danach folgte war jede Menge Papierkram. Und zum ersten Mal ist allen klar geworden, was nun auf uns zukommen wird. Neben einem Arbeitsvertrag mit einer festgelegten Probezeit haben wir nämlich ebenfalls unseren letzten Willen formulieren müssen. Das ist schon ein krasser Beginn, aber ich kann nachvollziehen, warum es so gehandhabt wird. Es ist eine Absicherung für alle Seiten. Als Held lebt man schließlich gefährlich.

Nachdem wir all das schließlich erledigt haben, geht es in eine andere Abteilung im hinteren Bereich der Heldenzentrale. Hier werden nun unsere Outfits zusammengestellt. Womit ich direkt vollkommen überfordert bin. Darüber habe ich mir noch überhaupt keine Gedanken gemacht. Diese ganzen Klamotten sehen doch immer nur so eng und unpraktisch aus.

„Ich will wie ein Superheld aussehen.", verkündet Nathan direkt enthusiastisch zu den beiden Personen, die versuchen unsere Wünsche in die Tat umzusetzen. „Lasst an den Armen etwas Haut offen, damit ich schnell und einfach meine Fähigkeit bei ihm einsetzen kann. Und er braucht Handschuhe, die seine Schläge so dämpfen, dass er sich nicht immer die Fingerknöchel aufschlägt.", mische ich mich ein und hoffe, dass ich ernst genommen werde. Irgendjemand von uns muss schließlich praktisch denken.

Die Frau in einem weisen Kittel zeichnet auf ihrem Tablett herum und scheint etwas zu skizzieren, was sie anschließend Nathan unter die Nase hält. „Da fehlt noch das Cape.", meint er aufgeregt, doch ich kann nur die Augen verdrehen. „Was willst du denn mit einem Cape? Es sieht hässlich aus und ist unpraktisch!", werfe ich ein und setze mich auf einen Drehstuhl, welcher am Rand steht.

„Was? Aber ich will ein Cape!", gibt Nathan zurück und ich hebe ergeben die Hände. „Mach doch was du willst. Machst du sowieso." Leopold und Robin grinsen breit und werfen sich einen wissenden Blick zu. Sie kennen uns schon ziemlich lange und wissen, wie wir uns manchmal kabbeln. Das gehört einfach dazu. Vor allem, wenn Nathan wieder dazu neigt sich wie ein Kindergartenkind zu benehmen.

Nachdem Nathan schließlich zufrieden ist, geht es mit Robin weiter. Meine Einwände sind immer ähnlich, doch den beiden überlasse ich die Wahl ihrer Outfits ansonsten selbst. Sie sind viel vernünftiger als mein Bruder. Und sie lehnen auch jegliche Capes oder anderen Schnickschnack prinzipiell ab. Und dann bin ich auch schon an der Reihe.

Ich stehe von dem Drehstuhl auf, auf welchem ich die ganze Zeit gesessen und mich im Kreis gedreht habe. „Ich will nichts eng Anliegendes. Und eher gedeckte Farben. Aufmerksamkeit ist nichts für mich und das brauche ich auch nicht. Ich bin nur zur Verstärkung im Hintergrund und muss so unauffällig wie möglich sein. Und ich brauche freie Hände.", teile ich direkt mit. Zum Glück hatte ich Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, während die anderen ihre Outfits zusammengestellt haben.

Die Zeichnerin nickt mit gerunzelter Stirn und mustert mich einen Augenblick, ehe sie beginnt etwas zu zeichnen. Immer wieder schaut sie nachdenklich in die Luft und löscht noch einmal etwas, ehe sie wieder weiter macht. Nach einigen Minuten der Stille nickt sie schließlich zufrieden und dreht mir den Bildschirm zu.

Die Abbildung zeigt mich mit einer Art Jeans und Stiefeln, die mir bis zu den Waden reichen. Das Oberteil scheint ein normales T-Shirt zu sein und darüber trage ich einen langen Mantel. Ich sehe gut aus und irgendwie so, als würde ich einfach nur zu einem Vorstellungsgespräch gehen. Die Hose ist dunkelblau, die Schuhe und das Oberteil schwarz und der Mantel ist braun. Das gefällt mir sehr gut. „Nehme ich so. Unauffälliger kann man kaum sein. Ich sehe aus wie ein Zivilist. Das ist sehr gut."

Nun schaltet sich der andere im Kittel ein. „Dann haben wir den ersten Teil geschafft und kommen nun zu den unterschiedlichen Funktionen." Nun zieht auch er ein Tablett hervor und mustert uns nacheinander. „Für Mister Gardier wird die Kleidung Stromdurchlässig sein. Damit die Funken zu allen Seiten eingesetzt werden können. Außerdem wird alles Hitzebeständig sein, damit die Kleidung nicht plötzlich beginnt Feuer zu fangen. Und leicht sollte sie auch sein. Je weniger Gewicht, desto besser."

Dieser Mann hat auf jeden Fall schon einiges an Erfahrung zu bieten. Ich bin gespannt, wie wir alle am Ende aussehen werden. Doch er macht direkt weiter und wendet sich Nathan zu. „Mister Bright benötigt dagegen robustere Kleidung, welche auch mal Splitter oder Steine aushält. Hier müssen wir nicht darauf achten, dass es vielleicht zu schwer werden könnte. Bei ihrer Stärke sollte das kein Hindernis sein." Breit grinst Nathan ihn an und schüttelt den Kopf. Das war einfach.

„Mister Scholl benötigt dagegen extraleichte Kleidung. Allerdings müssen die Schuhe sehr robust sein, damit sie diese Geschwindigkeit bei jedem Untergrund aushalten. Und eine gewisse Hitzebeständigkeit ist bei der Menge an Reibung sicherlich auch nicht verkehrt." Schnell schreibt er sich all das auf, was er uns gerade erzählt hat. Dann wendet er sich mir zu.

„Und dann haben wir noch Miss Voight. Ein schwieriger Fall. Wir fangen mit robustem, möglichst leichtem Material an, welches hitzebeständig und wasserabweisend ist. Im Laufe der Einsätze kann es sein, dass wir die Beschaffenheit oder das Material noch einmal anpassen müssen, aber das wird die Zeit zeigen." Nachdem er von seinem Tablett aufgesehen hat, mustert er mich über seine Brille hinweg eingehend.

„Ich will ehrlich sein. Wir haben ihre Fähigkeit hier noch nie gehabt. Es soll mal jemanden mit einer ähnlichen Kraft gegeben haben, aber diese Person stand auf der anderen Seite. Daher werden wir uns langsam herantasten müssen." Ich nicke zustimmend und mich überkommt ein mulmiges Gefühl. Bisher gab es also nur einen Bösewicht mit meiner Kraft. Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.

Vielleicht haben die anderen aber auch nicht herausgefunden, wie man diese Fähigkeit aktiviert. Das kann ich mir eher vorstellen, als dass es lediglich bisher zwei Menschen mit dieser Kraft gegeben haben soll. Alle anderen Fähigkeiten sind, wenn auch mit unterschiedlichen Abstufungen, durchaus öfter vorhanden. Egal auf welcher Seite. Gut und Böse ist hierbei komplett egal.

„Dann gehen wir weiter. Wir kommen zum vorerst letzten Punkt.", meint die Empfangsdame und geleitet uns wieder aus dem Raum heraus und in den nächsten, drei Türen weiter. Hier bekommen wir alle unsere technische Ausrüstung.

„Jeder bekommt ein Handy, welches immer bei sich zu tragen ist. Sollte ein Einsatz reinkommen, dann werden Sie alle gleichzeitig kontaktiert und ein Treffpunkt ausgemacht. Daher sind die Outfits entweder zu tragen oder zumindest dabei zu haben.", erklärt und die Empfangsdame und holt vier Rucksäcke aus einem Schrank, um uns jedem einen davon auszuhändigen. „Okay. Und was ist, wenn die Sachen in der Wäsche sind?", will Robin wissen und ich muss mir auf die Unterlippe beißen, um nicht zu lachen.

„Die Kleidung wird ausschließlich hier gewaschen und das dauert wirklich nicht lange. Da gab es bisher noch nie Probleme.", führt sie ungerührt fort, was uns alle etwas enttäuscht aussehen lässt. Die versteht aber auch wirklich keinen Spaß. Sehr schade. „Des Weiteren erhalten Sie alle von mir diese Ohrstecker, mit welchen sie untereinander oder auch mit anderen Teams kommunizieren können. Außerdem werden fremde Sprachen in Echtzeit übersetzt, damit es kein Kommunikationsproblem bei den Einsätzen gibt."

Das ist sehr praktisch und hätte ich schon gerne in der Schule gehabt. Dann wäre der Unterricht nicht so schwer gewesen und ich hätte wahrscheinlich auch etwas mehr verstanden. Aber sei es drum. Immerhin müssen wir jetzt nicht noch zig andere Sprachen lernen, sondern können einfach so los.

„Die restlichen Sachen besprechen wir, wenn die Outfits fertig sind. Wenn die Nachricht auf dem Handy eintrifft, sollten Sie sich umgehend auf den Weg hierher begeben. Ab diesem Zeitpunkt beginnt ihr Dienst offiziell."

Damit verabschiedet sich die Empfangsdame und wir folgen ihr noch bis ins Foyer. Dann machen wir uns auf den Heimweg. Dieser Tag hat wirklich alles verändert. Ob zum besseren oder schlechteren lässt sich nicht sagen. Aber eins ist sicher. Wir sind jetzt Helden und müssen uns dieser Aufgabe wohl stellen. 

Heldenepos - Team 42Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt