Kapitel 35

5 1 0
                                    

Der restliche Tag ging etwas an mir vorbei. Die anderen Helden haben sich um die Sicherung und Verwahrung der Schurken gekümmert, während ich einfach nur auf dem Boden gelegen und geatmet habe. Umgeben von meinem Team, welches sehr besorgt aussah. Ich hätte sie ja gerne beruhigt, doch ich war einfach so fertig, dass ich nicht einmal ein tröstendes Wort herausbekommen habe.

Auch Nathan hat es schwer erwischt, doch ich konnte einfach nicht die Kraft aufbringen mich in diesem Augenblick um ihn zu kümmern. Mir tat alles weh und ich hatte schlicht keine Kraft mehr übrig. Deshalb haben mich die anderen Helden erstmal auf die Krankenstation in der Heldenzentrale gebracht. Hier liege ich immer noch in meinem Bett und starre an die Decke. Alle kennen nun meine Fähigkeit und ich habe Angst mich ihnen zu stellen. Was werden sie denn nun von mir halten?

Da ich jedoch nicht ewig hier rumliegen kann beschließe ich aufzustehen, auch wenn mein kompletter Körper schmerzt. Außerdem will ich nach Nathan sehen. Er hat es sicherlich auch nicht leicht nach diesem Kampf. Und ich will mich vergewissern, dass der Angriff von Drago Widera keinen bleibenden Schaden angerichtet hat.

Glücklicherweise haben meine Kameraden meine normale Kleidung hier auf dem Stuhl platziert, weshalb ich mich schnell umziehen kann und anschließend das Zimmer verlasse. Auf dem Flur begegne ich niemandem, was mich sehr wundert. Eigentlich sind ja auch einige andere verletzt gewesen. Es sollte also zumindest irgendetwas los sein. Doch wie es scheint, haben sich alle gerade zurückgezogen. Wobei ich auch keine Ahnung habe, wie spät es gerade ist. Vielleicht ist ja gerade Mittagspause oder so?

Langsam laufe ich weiter und folge dem Band, welches mich mit Nathan verbindet. Kurz klopfe ich an und betrete dann das Zimmer. Er liegt in dem Bett und scheint zu schlafen. Auf den ersten Blick fallen mir keine Kratzer oder andere Verletzungen auf, doch das hat nichts zu sagen. Und als ich meine Hand auf seinen Arm lege wird mir klar, dass es eine tiefergreifende Veränderung gegeben hat.

Eine Hand auf meiner lenkt mich von meinen Gedanken ab und ich schaue in Nathans Gesicht. „Du sollst dich doch ausruhen und keine Krankenbesuche veranstalten.", brummt er noch etwas müde, was mich leicht zum Lächeln bringt. Doch ich werde schnell wieder ernst. „Es tut mir leid, dass du verletzt worden bist. Ich bin deine große Schwester. Ich hätte auf dich aufpassen müssen.", gebe ich von mir und kann die Schuldgefühle nicht verhindern, welche in mir aufsteigen.

„Mach dir doch nicht solche Gedanken! Ich wollte ein Held sein und habe es auf diese Weise auch geschafft. Also gib dir nicht die Schuld an etwas, für das du nichts kannst." Langsam setzt Nathan sich auf und umarmt mich. Eine Weile bewegen wir uns nicht und genießen einfach nur den Augenblick. Wir haben den Kampf gewonnen und niemand ist gestorben. Doch trotzdem hat Nathan etwas verloren.

„Ist dir klar was passiert ist?", will ich leise wissen und spüre ein Nicken neben mir. „Ein Arzt hat es mir verraten. Ich habe etwa sieben Jahre meiner Lebenszeit eingebüßt. Die hat dieser Schurke mir gestohlen." Mühsam dränge ich die Tränen zurück. Ich habe als große Schwester versagt. Da kann Nathan sagen, was er will. Diese Schuld werde ich auf ewig mit mir herumtragen.

„Ich bin jetzt sozusagen dein großer Bruder und muss nun dich beschützen." Erschrocken lache ich bei Nathans Worten auf und löse mich etwas von ihm. „Das kannst du direkt wieder vergessen! Das körperliche Alter hat überhaupt nichts mit der Erfahrung zu tun! Ich bin dir immer noch einige Jahre voraus!" Wir lächeln uns gegenseitig an und endlich kann ich wieder etwas unbeschwerter atmen.

Einige Tage verbringt Nathan noch in der Heldenzentrale, um einige abschließende Tests zu absolvieren. Die Fähigkeit, welcher er zum Opfer gefallen ist, wurde bisher nämlich noch nie registriert. Ich durfte direkt gehen und wurde daher von meinem Team nach Hause begleitet. Gemeinsam haben wir uns um den Hof gekümmert und wieder zu etwas Normalität gefunden.

Als Nathan schließlich ebenfalls wieder für geheilt erklärt wird, werden wir wieder in die Heldenzentrale bestellt. Die Schurken verhalten sich verdächtig ruhig. Wobei das auch dem Fehlen so vieler starker Persönlichkeiten zuzuschreiben ist. Wir haben einen heftigen Schlag gegen die Unterwelt austeilen können. Und durch den Wegfall eines so alten Schurken werden sich sicherlich auch im Untergrund einige Kämpfe um die neue Machtposition abspielen.

Wir betreten gerade das Foyer, da ertönt ein lauter Applaus aus allen Richtungen. Ich werde weiter nach drinnen geschoben, da ich überrascht stehen geblieben bin, und lande im Zentrum. Alle Helden, die bei dem großen Kampf dabei gewesen sind, haben sich hier versammelt. Mir gegenüber steht Antonio und lächelt mich breit an, während ich mich noch vollkommen überfordert fühle.

Mein Blick wandert zu meinem Team, welches sich zurückgezogen hat und ebenfalls breit lächelnd applaudiert. Diese Idioten wussten also, was hier geplant gewesen ist. Da hätten sie mich aber auch ruhig etwas vorwarnen können! Das bekommen sie zurück!

Als Antonio die Hand hebt verstummt schließlich der Applaus und eine gespannt Stille kehrt ein. „Wir haben uns heute hier versammelt, um eine besondere Heldin zu ehren. Eine Frau, die dem Bösen trotzt und uns Helden vereint hat wie niemand sonst." Ich spüre, wie ich langsam rot werde, weil diese Situation einfach so unangenehm ist. „Scarlett Voight, wir danken dir für deinen Einsatz! Nur dank dir sind alle Helden lebend zurückgekehrt. Wenn du nicht gewesen wärst, hätten die Schurken wahrscheinlich nicht besiegt werden können."

Wieder ertönt Applaus und ich habe keine Ahnung, was ich dazu sagen soll. Doch das muss ich glücklicherweise auch nicht. Plötzlich taucht nämlich Clarissa auf. Sie und einige ihrer Kopien verteilen Getränke und Essen. Diese unangenehme Situation verwandelt sich so langsam in eine kleine Feier, was direkt viel angenehmer ist.

Entspannt kann ich nun mit einigen Helden sprechen und mich vergewissern, dass sie noch immer Vertrauen in mich haben. Ich hatte eine Zeitlang Bedenken, dass sie Angst haben und sich von mir abwenden. Oder mich einsperren wollen, weil ich zu gefährlich bin. Doch das ist nicht der Fall. Und ich bin wirklich sehr erleichtert. Es wird zwar nicht mehr so sein wie zuvor, doch das muss es ja auch nicht. Solange ich meine Kameraden an meiner Seite habe, werde ich mich allem stellen können.

Da können die Unfälle, Naturkatastrophen und Schurken nur kommen!

Heldenepos - Team 42Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt