Kapitel 29

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Nach unserem Kampf kehrt erst einmal wieder Ruhe ein. Es ist, als wäre mit Paolos verschwinden alles zum Erliegen gekommen. Mir ist im Traum nicht eingefallen, dass es so einfach ist. Jedenfalls haben wir uns und den anderen Helden so die Möglichkeit verschafft sich mal so richtig auszuruhen. Und das machen wir auch. Paolo wird in der Heldenzentrale zu seinem Mentor verhört, gibt jedoch nichts Preis.

Wir haben uns währenddessen auf unseren Hof zurückgezogen und genießen einfach nur die Ruhe, ohne ständige Gedanken an einen bevorstehenden Angriff verschwenden zu müssen. Es ist wirklich toll, einfach mal die Seele baumeln zu lassen. Trotzdem überkommt uns alle immer wieder die Trauer. Keiner von uns hat es auch bisher geschafft die Wohnung von Elaine zu betreten. Wir alle vermissen sie noch zu sehr, um uns endgültig von ihr zu trennen.

Gerade liege ich hinter dem Haus auf der Wiese und schaue in den Himmel. Die Wolken ziehen vorüber und einige Vögel fliegen am Himmel. Es ist ein wirklich angenehmer Spätsommertag. Kaum zu glauben, dass wir nun schon seit einem halben Jahr diesem Job nachgehen. Die anderen sind mir inzwischen so ans Herz gewachsen, dass mir die Zeit viel länger vorkommt. Wir haben gemeinsam so viel erlebt.

Wir haben verloren und gewonnen, gemeinsam gelacht und geweint. Wir sind an unsere Grenzen und darüber hinaus gegangen. Doch am meisten freue ich mich über das Vertrauen, welches wir uns gegenseitig schenken. Ich spüre es immer und überall. Dieses Vertrauen gibt mir Kraft und Entschlossenheit. Das Band zu Jasper und Dante ist nicht kleiner als zu Nathan, Robin oder Leopold. Und Elaine wird nun immer ein Teil von mir sein. Das ist sicher.

„Was machst du denn hier?", höre ich Nathan fragen, welcher plötzlich über mir auftaucht. „Ich entspanne mich. Und denke nach.", ist meine ehrliche Antwort, was meinen Bruder dazu veranlasst sich ebenfalls zu mir ins Gras zu legen. Seinen Kopf an meinen Kopf. Gemeinsam schauen wir einfach nur schweigend in den Himmel. Das haben wir schon wirklich lange nicht mehr gemacht.

„Über was denkst du nach?", will Nathan nach einer Weile wissen, was mich zum Schmunzeln bringt. „Darüber, wie gut wir alle zusammen als Team funktionieren, obwohl wir uns teilweise noch gar nicht lange kennen.", gebe ich zurück und höre, wie sich weitere Schritte nähern. „Das stimmt. Wir sind im letzten halben Jahr so sehr zusammen gewachsen, dass es beinahe unheimlich ist. Als wären wir schon seit Jahren zusammen unterwegs." Auch Jasper legt sich neben uns ins Gras. „Obwohl ihr mir alle anfangs ganz schön suspekt wart."

Jaspers Worte bringen mich zum Lachen. „Das habe ich gemerkt. Dir hat es am Anfang ganz schön widerstrebt mir zu vertrauen. Aber was hat dich eigentlich dazu bewogen es doch zu tun? Das habe ich dich nie gefragt." Wieder herrscht eine Weile Ruhe, während Jasper scheinbar nach den richtigen Worten sucht.

„Ich hatte ursprünglich Angst vor deiner Fähigkeit. Es war mir unheimlich, wie es dir möglich sein sollte einen so grundlegenden Teil von mir ganz einfach zu beeinflussen. Doch dann habe ich unseren Kampf gesehen. Wie sehr du versucht hast alle zu beschützen. Auch uns. Und da ist mir klar geworden, dass du uns mehr Macht gibst, als sie für dich selbst zu nutzen. Das hat mich beruhigt und ich konnte an uns als Team glauben."

„Das freut mich zu hören.", gebe ich leise zurück, schaue dann jedoch zu ihm nach oben, wobei ich nur seine Haare ins Gesicht bekomme. „Wieso bist du dann nicht gegangen, als sich gezeigt hat, dass ich noch viel mehr daraus machen kann?" Es fällt mir sehr schwer zu glauben, dass Jasper das einfach akzeptieren konnte. „Du hast selbst nicht gewusst das du das kannst, geschweige denn wie du es steuern sollst." Das trifft es wohl ziemlich genau.

„Außerdem war es eher ein Gemeinschaftsprojekt. Du teilst unsere Fähigkeiten miteinander und nutzt uns nicht aus, um sie zu deinem eigenen zu machen. Das ist ein Unterschied.", steuert Dante dazu bei, welchen ich bisher noch gar nicht bemerkt hatte. Doch nun legt er sich auch mit auf die Wiese und wir schauen alle gemeinsam in den Himmel. „Ich könnte so etwas immer noch tun.", gebe ich leise von mir und habe gleichzeitig Angst, dass ich dadurch ihr Vertrauen wieder verliere.

„Das würdest du nie tun. Dazu bist du gar nicht fähig!", lacht Leo und schmeißt sich direkt zu uns ins Gras, während Robin ihm stolpernd folgt. Er hat noch immer einige Schmerzen und kommt auf sein eingegipstes Bein nicht klar. Es tut mir wahnsinnig leid, doch ich benötige eine Unmenge an Kraft, um diesen immensen Schaden zu heilen. Daher wird es wohl noch eine Weile dauern, bis er wieder richtig fit ist.

„Wir kennen dich inzwischen auch ein bisschen, Scarlett. Du bist niemand, der über Leichen geht. Viel eher müssen wir uns Sorgen machen, dass du dich nicht irgendwann für uns opferst. Das wäre eher dein Ding.", meint Jasper trocken und ich verziehe abwehrend das Gesicht. Prinzipiell hat er da schon recht, doch irgendwie klingt es ganz schön hart. Ich bin schließlich nicht selbstmordgefährdet oder so.

„Du opferst dich für andere auf. So, wie es Helden nun einmal machen. Manchmal übertreibst du nur ein bisschen.", lacht Leo und die anderen stimmen ihm zu. „Als wärt ihr besser.", gebe ich gespielt eingeschnappt zurück, was uns nun alle zum Lachen bringt. „Das sind wir nicht. Aber dafür sind wir ja alle Helden geworden. Das heißt ja, dass wir unseren Job ernst nehmen." Da hat Robin auch wieder recht.

„Wie sind schon eine Gruppe.", meint Leo lachend und ich will ihm gerade zustimmen, da höre ich ein leises Schnarchen. Überrascht stütze ich mich auf und sehe mir meinen Bruder an, welcher bei unserem Gespräch wohl eingeschlafen zu sein scheint. „Das ist nicht sein Ernst.", meint Robin etwas fassungslos, doch ich kann nur den Kopf schütteln. „Lass ihn ruhig. Wir alle haben uns eine kleine Auszeit verdient."

„Da hast du wohl recht. Wie geht es euch damit eure Eltern wiedergesehen zu haben?", will Dante leise wissen und ich kann die Sorge aus seiner Stimme heraushören. „Ganz gut, würde ich meinen. Sie sind jetzt in Gewahrsam, was für uns alle am besten ist. Ich bereue es nicht, dass wir es waren, die sie geschnappt haben. Außerdem hatten wir nie eine Bindung zueinander. Sie waren nie wirklich unsere Eltern."

„Es ist hart sowas zu hören. Aber ich verstehe es. Trotzdem tut es mir für euch leid.", meint Dante, weshalb ich ihm ein kleines Lächeln schenke, ehe ich mich wieder in den Rasen lege. „Mir nicht. Ohne sie wären wir heute nämlich nicht hier. Es ist alles genau so gekommen, wie es kommen musste. Ich bin glücklich damit.", gebe ich von mir und meine das auch genauso ernst, wie ich es sage. Weder Nathan noch ich wären sonst wahrscheinlich Helden geworden. Wir wären nie in die Fußstapfen unseres Großvaters getreten, wenn er uns nicht gerettet und aufgezogen hätte. Deshalb trauere ich meiner Kindheit auch kein Stück nach. Alles ist gut so wie es ist. Ich wöllte es nicht ändern.

„Es freut mich das zu hören." Ein lauter gewordenes Schnarchen von Nathan lässt mich zusammen zucken. „Wir sollten ihn vielleicht wecken. Nicht das uns jemand wegen Ruhestörung anzeigt.", meint Leo trocken und bringt uns alle zum Lachen, was auch Nathan aufweckt. „Was ist?", will er verschlafen wissen und bringt uns dadurch noch mehr zum Lachen.

Das war wirklich ein schöner, entspannter Tag. Ich befürchte nur, dass es nicht so bleiben wird. Denn in mir macht sich ein dumpfes Gefühl breit, dass mit dem Mentor von Paolo nicht zu spaßen ist. Es wird ihm sicherlich nicht gefallen, dass sein Protegé von uns festgenommen worden ist. Mit seiner Rache sollten wir auf jeden Fall rechnen. Doch erstmal können wir uns noch etwas erholen. Damit wir für das kommende gut gewappnet sind. 

Heldenepos - Team 42Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt