Kapitel 7

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Nachdem wir unsere Kleidung erhalten haben, wurden wir noch einmal auf einige Besonderheiten hingewiesen. Die Kleidung von allen wurde so ersetzt, dass ich sie mit meinen Fähigkeiten direkt durchdringen kann. Doch auch Elaine hat festgestellt, dass sie dadurch sehr viel besser heilen kann, was im Zweifelsfall auch das Leben von einem von uns retten kann.

Gemeinsam machen wir uns anschließend auf den Weg in den Trainingsraum, in welchem wir uns in der Mitte versammeln. Wir haben die gesamte Anlage für uns, sind aber erstmal etwas überfordert. Ratlos sehen wir uns gegenseitig an, ehe ich eine kurze Bestandsaufnahme mache. Elaine kann nicht so viel machen, solange niemand verletzt ist. Was wir ja erstmal nicht provozieren wollen. Daher ist Elaine erstmal nur die Versicherung für Trainingsunfälle.

Die Jungs müssen eigentlich alle ihre Fähigkeiten ausloten und versuchen zu verbessern. Jeder auf seine Weise muss versuchen das Potential zu erwecken, welches ich bei ihnen freischalten kann. Doch dorthin zu kommen ist nicht so einfach. Dafür müssen alle an ihre Grenzen gehen und das letzte aus sich heraus holen. Was an sich schon unglaublich harte Arbeit ist.

Und dann bin da noch ich selbst. Ich muss eigentlich mein Vertrauen mit Jasper und Dante vertiefen, damit ich ihre Fähigkeiten auch richtig verstärken kann. Bei Elaine hat es bereits ziemlich gut funktioniert, da habe ich keinerlei Bedenken. Doch die beiden Männer haben sich an dieser Stelle etwas schwer getan. Und das müssen wir noch überwinden, bevor es wirklich weitergehen kann. Weshalb es vielleicht einfacher wäre uns in kleinere Trainingsgruppen aufzusplitten und so vielleicht gezielter zu üben.

„Ich hätte einen Vorschlag, wie wir das ganze angehen könnten.", gebe ich von mir und ernte von allen ein breites Grinsen, welches mich direkt irritiert. „Darum haben wir dich zu unserer Leiterin gewählt. Du hast es einfach drauf.", lacht Leo und zwinkert mir zu, was ich mit einer Grimasse kommentiere. Ich gehe aber lieber nicht weiter darauf ein, sondern beschließe den anderen meine Idee mitzuteilen.

„Ich würde uns fürs erste aufteilen wollen, um an unterschiedlichen Sachen zu arbeiten." Ich warte kurz ab, bis alle zustimmend nicken, auch wenn der ein oder andere skeptisch aussieht. Sie können sich immer noch nicht vorstellen, worauf ich hinaus will. „Ich würde vorschlagen, dass Nathan und Leo versuchen sich mit Jasper zu messen und durch seinen Schutzschild zu kommen. Damit würdet ihr alle drei eure Fähigkeiten trainieren." Mit einem Schulterzucken erklären sich alle dazu bereit.

„Bei dir ist es etwas schwieriger, Robin.", beginne ich, was ihn zum Lachen bringt. „Einfach wäre doch auch langweilig." „Schön, dass du das so sagst. Ich wollte dir nämlich vorschlagen, dass du dich im Messerwerfen übst. Eine Waffe führen zu können wäre sicherlich von Vorteil." Stauend mustern mich alle, doch Leo ist der erste, welcher sich wieder fängt.

„Meinst du, dass Robin in der Lage ist Messer genauso schnell zu werfen, wie er laufen kann?" Etwas unsicher zucke ich mit den Schultern. „Ich habe da nur so ein Gefühl. Doch selbst wenn das nicht so richtig funktioniert, könnte er während des Laufes Messer aus allen Richtungen werfen und hätte dadurch schon einen unglaublichen Vorteil." Auch die anderen stimmen nachdenklich meinen Ausführungen zu, lediglich Robin scheint nicht wirklich überzeugt zu sein. „Du schaffst das schon.", spricht Leo ihm gut zu, bis er schließlich nachgibt. „Ich kann es ja zumindest mal versuchen."

Dann wende ich mich Dante zu. „Mit dir würde ich gerne ausloten, was wir alles erreichen können. Es hat ja bereits ganz gut funktioniert, aber ich weiß, dass wir noch nicht alles erreicht haben, was wir schaffen können." Kurz öffnet Dante den Mund, schließt ihn jedoch direkt wieder, ehe er doch noch antwortet. „Das war noch nicht alles?" Lachend schüttele ich nun ebenfalls den Kopf.

„Wir haben etwa die Hälfte von dem freigeschalten, was möglich gewesen wäre.", gebe ich trocken von mir und Dante zieht eine Grimasse. „Da ist definitiv noch Luft nach oben." „Und was ist mit mir?", schaltet sich nun auch Jasper neugierig ein, was mich erneut eine Grimasse schneiden lässt und ich ein Seufzen nicht mehr unterdrücken kann. „Wir beide haben noch einen ganzen Berg Arbeit vor uns. Mehr als ein viertel ging bei dir nicht freizuschalten. Wir können erst weitermachen, wenn wir mehr Vertrauen zueinander haben." Als hätte Jasper es geahnt nickt er mit einem traurigen Lächeln, welches ich jedoch gar nicht sehen will. Vertrauen braucht nun mal Zeit und die müssen wir uns einfach nehmen.

„Aber für die beiden sollte es vielleicht reichen.", gebe ich zurück und tippe ihm kurz auf die Schulter, um seine Fähigkeiten zu verstärken. „Hey!", beschweren sich Nathan und Leo, was mich wieder zum Lachen bringt. „Bei zwei gegen einen sollte das schon drin sein." Mit einem entschlossenen Blick macht Jasper sich auf den Weg in die Mitte der Trainingshalle und errichtet einen Schild, welcher etwa einen Durchmesser von neun Metern hat. Dann wandert sein herausfordernder Blick zu Nathan und Leo.

„Was habt ihr denn? Ich dachte ihr wolltet Helden werden? Wie wollt ihr das denn schaffen, wenn ihr nicht einmal gegen mich ankommt?" Diese Herausforderung lässt sich Nathan natürlich nicht entgegen und stürmt sofort los, um auf den Schutzschild von Jasper einzuprügeln. Und auch Leo lässt sich nicht lange bitten. Umringt von Funken stürmt er los und lässt seiner Elektrizität freien Lauf.

Eine Weile schauen wir dem Treiben zu, dann wende ich mich an Elaine. „Passt du bitte auf, dass sie es nicht zu sehr übertreiben?", will ich an sie gerichtet wissen, was sie mit einem unglaublichen Lächeln erwidert. „Aber sicher doch. Du kannst dich auf mich verlassen. Niemand wird nach diesem Training auch nur einen Kratzer haben. Dafür sorge ich." Ich nicke ihr zu, dann wenden Dante und ich uns ab und suchen uns eine ruhige Ecke, während Robin versucht mit einigen Wurfmessern ein von ihm aufgebautes Ziel zu treffen.

„Wieso willst du zuerst mit mir trainieren?", will Dante leise wissen, als wir uns in die Ecke setzen und eine Weile anschweigen. „Weil du an diesem Tag noch größere Probleme hattest mir Vertrauen zu schenken. Und dann hast du das einfach überwunden und mich machen lassen. Ich will wissen, wie du das geschafft hast, damit wir es dann gemeinsam Jasper zeigen können, wenn sonst nichts mehr hilft.", gebe ich direkt von mir und schaue ihm in die Augen. Ich muss Dante davon überzeugen, dass ich sein Vertrauen wert bin. Sonst werden wir niemals als Team funktionieren.

„Das verstehe ich. Aber ich kann dir leider auch nicht verraten, wie ich das gemacht habe. Ich war der Meinung, dass du es einfach ignoriert hast. Erst nach der Videoaufzeichnung wurde mir klar, wie viel du gegeben hast, um uns diesen Vorteil zu verschaffen." Seufzend schaut Dante an die Decke und scheint in seinen eigenen Gedanken zu versinken.

„Vielleicht probieren wir es einfach wieder und ich schaue mal, wie weit wir kommen. Dann können wir auf dieser Grundlage weiter machen.", schlage ich nach einigen Minuten vor und strecke ihm meine Hand entgegen, welche Dante ohne zu zögern ergreift. Ich schließe die Augen und konzentriere mich auf seine Kraft. Da ich es nicht zum ersten Mal mache, ist es viel leichter. Aber trotzdem stoße ich sehr schnell auf einigen Widerstand. Irgendetwas scheint Dante grundlegend nicht zu gefallen.

„Was genau fühlst du jetzt?", will ich leise wissen und versuche zu ergründen, wo das Problem ist. „Deine Fähigkeit ist wie eine Art streicheln in meinem Kopf. Es fühlt sich merkwürdig an." Ich höre, wie er mühsam nach Worten sucht und dann schließlich tief durchatmet. „Es ist, als wäre ich dir ausgeliefert, ohne etwas dagegen tun zu können. Wahrscheinlich stoße ich dich daher unterbewusst einfach von mir."

Vorsichtig öffne ich die Augen und treffe auf Dantes Blick. „Das ist in Ordnung. Damit können wir arbeiten." Kurz denke ich darüber nach. „In einer Extremsituation kannst du dich also auf die vermeintliche Gefahr einlassen, die von mir ausgeht. Das ist doch genau das, was einen Helden ausmacht. Du opferst dich sozusagen selbst auf, um anderen zu helfen." „So habe ich es bisher nicht betrachtet. Aber du hast wohl recht."

Mein Blick wandert zu den Jungs, welche sich wirklich abmühen einander die Stirn zu bieten. Mit einem Lächeln sehe ich dabei zu, wie sie einfach alles geben. Doch im Gegensatz zu purer Stärke, braucht Vertrauen einfach Zeit. „Dann lassen wir es langsam angehen, wenn es wirklich so unangenehm ist. Erst bauen wir Vertrauen auf, der Rest wird sich von allein ergeben. So war es bei den anderen schließlich auch."

Entschlossen lächeln wir uns an. Dante hat begriffen, dass ich nichts tun werde, dem er nicht zustimmt. „Dann erzähl mir doch etwas von dir. Durch nichts lässt sich Vertrauen besser aufbauen als durch Gespräche.", schlängt Dante vor und ich stimme ihm zu. Wenn ich schon will, dass er mich in seinen Kopf lässt, dann sollte ich auch etwas von mir Preis geben. Ein paar einfache Erinnerungen oder Interessen, über die man sich unterhalten kann. Vielleicht reicht das ja auch erstmal für den Anfang.

Heldenepos - Team 42Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt