Kapitel 25

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Trotzdem wache ich vor den anderen auf. Die Sonne geht gerade auf und ich liege einfach nur da und sehe zu, wie die Strahlen langsam das Zimmer erhellen. Auch die anderen werden langsam wach und fangen an sich zu bewegen. Als Dante jedoch plötzlich vom Stuhl kippt und auf dem Boden aufschlägt sind auf einen Schlag alle wach und schauen zu ihm. Fluchend liegt er am Boden und ich kann mir ein Lächeln nicht mehr verkneifen.

„Darauf warte ich schon seit Stunden. Wie hast du es nur geschafft in dieser Position so lange zu schlafen?", gebe ich von mir und ziehe damit alle Blicke auf mich. Mit großen Augen sehen mich alle an und ich kann sehen, dass sie ihren Augen nicht trauen. „Tut mir wirklich leid, dass ich euch solche Sorgen bereitet habe.", gebe ich von mir und richte mich langsam auf, damit ich mich ans Bettende lehnen kann.

„Scarlett, du lebst!", höre ich Robin im Bett neben mir sagen und sehe, wie auch er sich aufrichtet. Daher schenke ich ihm ein Lächeln. „Natürlich tue ich das. Ich kann euch doch nicht alleine lassen. Wer weiß, was ihr dann anstellt." Und dann sind da plötzlich Nathan und Leo, welche mich einfach nur ganz fest umarmen, als würde ich sonst verschwinden. Eine Weile rühren wir uns nicht, ehe wir uns schließlich doch wieder voneinander lösen.

„Dann sagt mal, was ist alles passiert und wie lange war ich weggetreten?" Vorsichtig lockere ich meine Muskeln, welche durch die schmerzhaften Wellen sehr verspannt sind. Doch ich kann auch spüren, wie Elaines Fähigkeit dafür sorgt, dass ich mich schnell wieder gut fühle. Wenn ich es genau bedenke, dann ist es gar nicht mehr Elaines Fähigkeit. Sie gehört nun mir. Dieses Geschenk habe ich angenommen und zu meinem Eigen gemacht. Es ist nun meine Fähigkeit. Schließlich sind beide Kräfte in mir miteinander verschmolzen.

„Du bist vier Tage weg gewesen.", beginnt Dante leise und an seiner rauen Stimme kann ich erahnen, was es sie alle an Kraft gekostet hat in dieser Situation nicht einfach aufzugeben. „Das wird nie wieder vorkommen. Versprochen!" Sie scheinen mir nicht zu glauben, doch die Hoffnung siegt schließlich. Ich spüre das Vertrauen durch unsere Verbindung, welches sie mir entgegen bringen. Und es macht mich so glücklich, dass zu spüren.

„Die Schurken greifen nun täglich an. An den unterschiedlichsten Orten. Es ist, als wäre mit unserer Niederlage die letzte Angst gefallen, dass wir Helden sie besiegen können." Bei Leos Worten verziehe ich missmutig das Gesicht. Das klingt gar nicht gut. „Es gibt entsprechend viele Verletzte. Die Versorgung ist schwierig. Zudem wurden dadurch einige Teams gemischt, damit noch genügend Kampfkraft bleibt, um die Schurken aufzuhalten. Doch es reicht nicht.", meint Robin und schaut traurig auf sein Bein, welches noch immer nicht funktionsfähig ist.

„Paolo ist entkommen.", höre ich Nathan leise sagen und unsere Blicke treffen sich. So niedergeschlagen habe ich meinen Bruder selten gesehen. Es wird Zeit, dass wir unsere Stärke zurückerlangen. Ich lasse meinen Blick über mein Team schweifen. Es wird schwer sich von diesem Kampf zu erholen. Doch ich bin mir sicher, dass wir es schaffen werden. Unser Vertrauen ineinander ist groß.

„Dann sollte ich wohl langsam mal aufstehen und das Bett räumen. Scheinbar wird es für andere gebraucht.", gebe ich von mir und schaue an mir herunter. Nur, um festzustellen was ich da Schreckliches an habe. „Ein Krankenhauskittel? Wie schrecklich! Hat jemand meine Kleidung gesehen?" Mit einem Lächeln reicht mir Leo ein Bündel Klamotten. „Wir warten draußen auf dich."

Gemeinsam verlassen die Männer den Raum, damit ich mich in Ruhe umziehen kann. Endlich wieder in meiner eigenen Kleidung strecke ich mich noch einmal ausgiebig, um meine Muskeln zu lockern. Dann verlasse ich das Krankenzimmer, nur, um plötzlich im vollkommenen Chaos zu stehen.

An den Wänden lehnen verletzte Helden, welche darauf warten versorgt zu werden. Einige von ihnen sitzen auch auf dem Fußboden, weil ihnen wohl die Kraft zum Stehen fehlt. Hier und da sind Betten auf dem Gang, in welchen die stärker Verletzten liegen. Es sieht aus, als wären wir mitten in einem Kriegsgebiet. Es ist furchtbar!

Langsam laufe ich durch den Gang und kann nicht anders, als bei allen stehen zu bleiben. Die Männer helfen mir und gemeinsam beginnen wir damit die leicht Verwundeten mit Bandagen zu versorgen. Zusätzlich dazu steht meine Fähigkeit nicht still. Ich bin zwar noch nicht wieder fit, doch Elaines Geschenk lässt mich hier nicht einfach so zuschauen. Trotzdem versuche ich den Zwang zu unterdrücken alle direkt zu heilen. Lieber konzentriere ich mich auf diejenigen, die sonst ihr Leben lassen würden.

Die anderen Heiler beachten uns kaum, so sehr sind sie auf das fokussiert, was sie vor sich haben. Ich glaube, dass sie uns auch nur am Rande bemerken. Daher freue ich mich, dass wir ihnen etwas von ihrer Last abnehmen können. Doch vor allem freuen sich die anderen Helden uns zu sehen. Vielen von ihnen haben wir bereits Rückendeckung gegeben. Mit manchen haben wir trainiert und mit anderen lediglich im Foyer gesprochen. Doch allen ist anzusehen, dass unser gemeinsamer Auftritt ihnen Hoffnung schenkt. Seit wann sind wir denn das Aushängeschild der Helden? Das scheine ich verpasst zu haben.

Nach einer Weile muss ich einsehen, dass ich nicht annähernd genug tun kann, um allen zu helfen. Doch ich spreche trotzdem mit allen und knüpfe so eine Verbindung. Vielleicht brauche ich diese ja noch. Ich könnte beispielsweise die Heilung aus der Ferne einsetzen, wenn ich wieder ausreichend Kraft gesammelt habe. Doch nun führt uns unser Weg erst einmal wieder ins Foyer der Heldenzentrale.

Hier treffen wir auf weiteres Chaos und eine überforderte Clarissa, welche ihr möglichstes versucht, um alles wieder zu strukturieren. Eine Weile sehen wir uns das Schauspiel an, ehe ich Nathan einen Blick zuwerfe. Er holt einmal tief Luft und brüllt. „Ihr seid Helden, benehmt euch gefälligst auch wie welche!" Aller Streit, die Diskussionen und sogar leichte Handgreiflichkeiten stoppen auf der Stelle. Niemand rührt sich mehr, alle starren uns nur an.

„Ihr werdet euch nun zusammenreißen. Wenn wir zurück sind, benehmt ihr euch hoffentlich auch wie Helden!", gebe ich von mir und schaue zu meinen Kameraden. „Wir gehen Elaine besuchen.", gebe ich von mir und mein Blick wandert zu Clarissa. Kurz nicke ich ihr zu. Wenn wir das erledigt haben, dann werden wir einen Plan schmieden. Doch erstmal will ich mich von meiner Kameradin und Freundin verabschieden. So viel Zeit muss sein. Und die anderen brauchen diese Zeit vermutlich auch, um sich wieder zu sammeln.

Wir machen uns auf den Weg und verlassen die Heldenzentrale. Draußen herrscht eine gespenstische Stille. Kaum ein Mensch ist zu sehen, doch das ist kaum verwunderlich. Momentan haben wahrscheinlich alle zu viel Angst davor, dass aus dem Nichts heraus Schurken auftauchen und sie töten wollen. Diese Angst können wir aber heute noch nicht nehmen.

Mit dem humpelnden Robin, welcher von Dante gestützt wird, kommen wir nur langsam voran. Doch das ist nicht schlimm. So habe ich die Zeit meine Gedanken zu ordnen und mich auf das Bevorstehende vorzubereiten. Doch als wir den Friedhof betreten verlassen mich alle meine guten Vorsätze.

Elaines Grab ist so schön, wie ich es mir vorgestellt habe. Der Grabstein ist wunderbar verziert mit Schnörkeln und Blumen. Davor sind eine Menge Blumen abgelegt. Hier müssen bereits einige andere Helden gewesen sein, um ihr zu danken. Elaine hat nicht nur unsere Herzen erhellt, sondern mit ihrer Art auch viele andere erreicht. Niemand wird sie jemals ersetzen können.

Doch das muss auch nicht sein. Wir tragen sie alle in unseren Herzen und dort werde ich die Erinnerungen auch immer aufbewahren. Keine einzige Träne verlässt mein Gesicht. Geweint habe ich bereits genug. Daher schenke ich dem Grab ein kleines Lächeln und hoffe, dass Elaine es irgendwie erfährt. Denn ich bin mir sicher, dass sie über uns wacht.

„Ich danke dir für alles, was du für uns getan hast. Du hast uns mehr als einmal gerettet, Elaine.", gebe ich leise von mir und ein leichter Wind kommt auf. Es ist, als wöllte Elaine mir etwas zuflüstern und mein Lächeln wird breiter. „Ich habe dein Geschenk erhalten. Und ich werde es in Ehren halten. Versprochen." Dann wende ich mich ab und laufe mit den Männern zurück. Sie sind am Eingang geblieben, um mich in Ruhe trauern zu lassen. Nun müssen wir anfangen nach vorne zu sehen.

Heldenepos - Team 42Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt