Am nächsten Tag haben wir uns auch wieder zusammengeschlossen und gemeinsam aufgeräumt, gekocht und gegessen. So langsam bekommen wir eine Routine und wissen, worauf wir uns bei den jeweils anderen verlassen können. Es fühlt sich zwar immer noch alles etwas neu an, doch es schleicht sich auch immer mehr eine Vertrautheit ein, welche mich sehr beruhigt. Wenn wir uns gegenseitig vertrauen und uns aufeinander verlassen können, dann werden uns die Schurken auch nichts anhaben können. Da bin ich mir sicher.
Doch trotzdem nagt diese Angst an mir, dass wir nicht stark genug sind. Oder dass unser Vertrauen zueinander nicht ausreicht und ich den anderen nicht helfen kann. Es ist belastend! Seufzend stehe ich mal wieder am Fenster und schaue nach draußen auf den Hof. Hier versucht Nathan gerade durch den Schild von Jasper zu brechen, welcher jedoch nicht gewillt ist nachzugeben. Ein schönes Bild.
„Wenn es dich so sehr belastet, dann erzähl ihnen doch alles.", reißt mich Leos Stimme plötzlich aus meiner Beobachtung und ich schrecke zusammen. „Erschreck mich doch nicht so, Leo!", zische ich ihn an und versuche mich zu beruhigen, was ihn entschuldigend Lächeln lässt. „Ich kenne dich schon eine Weile, Scarlett. Du machst dir mal wieder zu viele Gedanken. Sprich es aus und schau, was dabei herauskommt. Die drei scheinen vertrauenswürdig genug dafür zu sein.", gibt Leo von sich und zeigt mir damit, dass er mich wirklich gut kennt. Oder ich bin einfach nur sehr leicht zu durchschauen.
„Du hast wohl recht. Ich werde es ihnen sagen und wir warten auf ihre Reaktion. Sie sollen selbst entscheiden was danach folgt.", stimme ich zu und schlage den Weg nach draußen ein. Hier gesellen wir uns zu den anderen und warten darauf, dass Jasper oder Nathan endlich aufgeben. Doch das Kräftemessen geht noch eine ganze Weile weiter. Bis plötzlich beiden gleichzeitig die Puste ausgeht. Wer hätte das gedacht!
„Ich möchte kurz mit euch sprechen.", mache ich leise auf mich aufmerksam und lasse mich einfach auf den Boden sinken. Es ist zwar schmutzig, doch ich möchte das ganze weder in einem beengten Raum noch stehend hinter mich bringen. Da sitze ich lieber im Dreck.
Verwirrt setzen sich die anderen zu mir und ich schaue alle noch einmal an, bevor ich das ausspreche, was mir auf dem Herzen liegt. „Nathan und ich sind Geschwister. Unsere Eltern haben uns lediglich unterschiedliche Nachnamen gegeben, da sie selbst nicht verheiratet sind.", sage ich schnell, sodass es endlich raus ist. „Nicht, dass sie einfach so heiraten könnten.", gibt Nathan missmutig seinen Senf dazu und zieht eine Grimasse, welche ich erwidere. „Da hast du wohl recht."
Nun ist die Neugierde bei Jasper, Dante und Elaine geweckt, während Robin und Leo einfach daneben sitzen. Sie kennen die Geschichte schließlich bereits. „Unsere Eltern sind Schurken, welche absolut keine Ahnung davon hatten, wie man Kinder erzieht.", gebe ich erklärend hinzu und muss beobachten, wie alle drei blass werden. „Das tut mir so leid! Das muss ja schrecklich sein!", ruft Elaine aus und drückt erst mich und dann Nathan kurz an sich, ehe sie sich wieder hinsetzt. Damit habe ich nicht gerechnet, doch es macht mir das Ganze etwas einfacher.
„Mit Hilfe ihrer Fähigkeiten haben sie uns ruhiggestellt. Das ging so lange, bis unser Großvater eingeschritten ist. Er war ein ehemaliger Held und konnte das nicht akzeptieren, als er davon erfuhr. Er hat sich gegen seine Tochter und unseren Vater gestellt und uns ein gutes Leben ermöglicht.", erkläre ich weiter und sehe aus den Augenwinkeln, wie Nathan zustimmend nickt. „Dieser Mann hat uns gerettet. Wegen ihm sind wir Helden geworden."
„Wenn ihr dachtet, dass wir euch deswegen meiden, habt ihr eine falsche Vorstellung von uns.", meint Dante nach einer gefühlten Ewigkeit der Stille und sieht mir direkt in die Augen. „Ihr könnt nichts für eure Eltern oder ihre Taten. Ihr seid nur für euch selbst verantwortlich." Diese Ernsthaftigkeit in Dantes Stimme entlockt mir ein kleines Lächeln und ich spüre noch immer das Vertrauen zwischen uns. Wenn überhaupt, dann ist es noch gestiegen.
„Meine Eltern wurden von Schurken getötet, als ich gerade in der Schule gewesen bin. Sie waren einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Wäre ich bei ihnen gewesen, hätte ich sie vielleicht retten können. Doch so habe ich erst davon erfahren, als ich nach Hause gekommen bin.", ergreift Elaine das Wort und eine Träne rinnt über ihr Gesicht. Automatisch greife ich nach ihrer Hand, um sie zu trösten. Das muss wirklich hart gewesen sein.
„Erst bin ich bei meiner Tante untergekommen, doch sobald ich fertig mit der Schule gewesen bin, musste ich gehen. Ich erinnerte sie zu sehr an ihre verlorene Schwester. Das hat sie nicht verkraftet. Und so bin ich schließlich in dem Altenheim gelandet und habe da gewohnt. Wo ich schließlich Dante getroffen habe" Kurz Lächeln sich Dante und Elaine vertrauensvoll an, ehe sie sich wieder uns zuwenden.
„Ich habe gerade meinen Großvater besucht, welcher schon sehr alt gewesen ist und nicht mehr lange zu leben hatte. Doch er erzählte mir immer von Elaine und so haben wir einige Nachmittage gemeinsam verbracht. Schlussendlich hat es uns allen sehr viel Freude bereitet, bis er schließlich verstorben ist.", gibt Dante von sich und endlich bestätigt sich meine Vermutung, dass die beiden sich schon länger kennen. Sie wirkten von Anfang an so vertraut miteinander, dass es mich gewundert hat.
„Meine Eltern führen ein beschauliches Leben und wollen nichts von Schurken oder Helden wissen. Sie haben keinen Bezug dazu. Ich habe es ihnen bisher noch nicht mal gesagt.", führt Dante weiter aus und stößt ein Seufzen aus. Ich kann mir vorstellen, dass dieses Gespräch alles andere als angenehm werden wird. „Du solltest es ihnen sagen, bevor sie es auf eine andere Art und Weise erfahren. Das wäre viel schlimmer.", gebe ich leise von mir und Dante verzieht das Gesicht. „Ja, ich wollte sie heute Abend dazu sprechen."
„Wir sind Helden. Sie sollten stolz sein!", höre ich Nathan brummen und reiße entsetzt die Augen auf. „Nathan! Das sagt man nicht!", rufe ich empört und Leo schlägt ihm auf die Schulter. „Also wirklich!" Doch Dante winkt nur ab und beginnt mit Lachen. „Etwas anderes habe ich von unserem Helden gar nicht erwartet.", lacht er und auch wir anderen müssen lächeln. Das ist einfach typisch Nathan.
„Ich habe keine so traurige Geschichte zu bieten. Ich habe einfach eine Fähigkeit, mit der ich nichts weiß anzufangen, außer andere zu beschützen. Daher wollte ich ein Held werden. Ich habe bei meinen Eltern gelebt, die mich immer unterstützt haben und hatte keinerlei Probleme.", beinahe entschuldigend zuckt Jasper mit den Schultern, was mich die Augen verdrehen lässt. „Du tust gerade so, als wäre das verwerflich. Es ist doch schön, dass bei dir alles glatt gelaufen ist.", lacht Leo und boxt auch ihm in die Schulter.
„So meinte ich das nicht! Es ist nur so, dass ihr alle einen driftigen Grund hattet, um Helden zu werden. Ich hatte nur einfach keine bessere Idee.", murmelt er etwas verlegen, als müsste ihm das Peinlich sein. „Ich finde es sehr gut, dass du dich dazu entschlossen hast. Sonst wären wir vielleicht jetzt nicht mehr hier.", meint Robin versöhnlich und zwinkert Jasper zu. „Das stimmt wohl!"
Nun wird Jasper bei unseren Worten leicht rot und versucht krampfhaft das Thema zu wechseln, was wir ihm nach kurzem Zappeln auch durchgehen lassen. Gemeinsam verbringen wir noch den Nachmittag miteinander, ehe Dante aufbricht, um mit seinen Eltern zu sprechen. Ich hoffe es läuft alles glatt.
Das Band des Vertrauens zwischen uns ist seit diesem Tag noch einmal gestärkt und ich kann nun viel besser die Fähigkeiten von Jasper aktivieren. Das wäre zuvor nicht möglich gewesen. Daher falle ich am Abend müde ins Bett, aber wesentlich entspannter als noch in den letzten Tagen. Ich bin wirklich froh über mein Team. Wir sind Helden und wir stellen uns den Schurken entgegen mit allem, was wir zur Verfügung haben!
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Heldenepos - Team 42
FantasyScarlett Bright ist dabei eine Heldin zu werden. Nichts, was sie jemals werden wollte, doch sie kann schließlich ihren Bruder Nathan nicht alleine lassen. Wer soll diesen denn beschützen, wenn sie nicht dabei ist? Daher melden sich die beiden mit ih...