Der Mann aus dem Spiegel saß Phil gegenüber und hatte eine Decke um sich geschlungen. Er zitterte am ganzen Leib. Er war immer noch so blass wie Schnee. Phil betrachtete ihn besorgt. Wie konnte man einen Mann in einen Spiegel sperren und ihn anschließend wieder befreien? Phil wusste darauf keine Antwort. Man musste nicht besonders schlau sein um zu wisssen, dass das eigentlich unmöglich war.
„Wie bist du da reingekommen?“
Der junge Mann sah auf und zog die Decke enger um sich. Fast so, als wolle er sich darin verkriechen, wie eine Schildkröte in ihren Panzer.
„Das weiß ich nicht mehr“, sagte er, „Ich muss es wohl vergessen haben. Es ist schon sehr lange her.“
Phil lehnte sich schweigend in den alten Stuhl zurück. Er knarzte.
„Hat man dich einfach so eingesperrt oder gab es einen Grund dazu?“
Der Mann zog seine Füße auf den Stuhl, die dann ebenfalls unter der Decke verschwanden: „Das möchte ich lieber nicht sagen.“
„Verstehe“, sagte Phil, obwohl er gar nichts verstand.
Er kannte diesen Mann. Er wusste nur nicht mehr woher, es wollte ihm nicht einfallen.
„Was hast du jetzt vor?“
„Ich will zurück nach Hause“, die Stimme des Mannes hatte einen traurigen Unterton.
Er stand auf und legte sorgfältig die Decke zusammen. Er setzte sie behutsam zurück auf den Stuhl. Jede seiner Bewegungen war vorsichtig und durchdacht. Ganz so, als gebe er Acht niemanden zu verletzen.
„Es ist mitten in der Nacht und es regnet“, bemerkte Phil, „Ich halte es für ungünstig jetzt aufzubrechen.“
„Danke für die Warnung, aber ich werde für meine Reise nicht rausgehen müssen.“
So merkwürdig und anders seine Stimme am Anfang auch geklungen hatte, jetzt fand es Phil sehr angenehm ihm zuzuhören.
Der junge Mann verließ die Bibliothek und ging in die Eingangshalle. Phil folgte ihm. Auf dem schwarz- weißen Fußboden klackerten ihre Schritte. Zu seiner Überraschung stieg der Mann die Treppe hoch. Vor der Tür blieb er stehen.
„Ich möchte mich nocheinmal herzlich bei dir bedanken“, sagte er, „Ich werde nie vergessen, was du für mich getan hast.“
Er verneigte sich kurz, was Phil nur noch mehr verwunderte. Dann betrat der Mann den Raum und schloss die Tür hinter sich.
Phil wartete eine Weile, doch der Mann kam nicht wieder. Er stöhnte. Der Mann hatte wohl wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Er hätte einen Arzt rufen sollen. Phil riss dir Tür auf. Er stutze. Der Mann war nicht mehr da. Da fiel es Phil wieder ein. Jetzt wusste er wieder, woher er ihn kannte. Er griff sich an den Kopf und taumelte. Das konnte unmöglich wahr sein. Das war unmöglich.
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Das Schwert des Thanatos
FantasyWird überarbeitet Juna Montera, ein Mädchen, das nichts kennt außer dem Alleinsein und der ewigen Einsamkeit. Nichts außer unerfüllter Hoffnungen und verlorengegangener Träume. Ihr strenger Onkel verbietet ihr nämlich unter jeglichen Umständen das...