Zuhause.
Ob das ein Ort oder eine Person ist…
Das vermag ich nicht zu beantworten, aber dennoch,
so gern ich auch auf Reisen bin und Abendteuer erlebe,
so gern bin ich auch wieder daheim.
Zuhause, in meinem kleinen Häuschen am Leuchtturm.
Die Entdeckungsreisen des großen Mandulin
Aus der kaiserlichen Bibliothek des Östlichen Reiches
Der Raum sah noch genauso aus, wie sie ihn verlassen hatte. Tränen liefen über Junas Wange und sie weinte bitterlich. Würde sie Adara jemals wiedersehen?
Draußen war es dunkel. Anscheinend regnete es wieder. Oder immer noch. Juna wusste nicht, wie lange sie fort gewesen war. Aber wer sagte denn, dass die Zeit an beiden Orten gleich verlief? Sie wischte sich ihre Tränen fort. Sollte sie eigentlich nicht glücklich sein? Wie viel sie nur getan hatte, um wieder zurückzukehren.
Juna taumelte auf die Tür zu und öffnete sie.
Kein Wald war dahinter, keine Bäume. Nur die knarrende Treppe. Fast war sie enttäuscht.
„Onkel Phil?“, rief sie zittrig, „Ich bin wieder da! Onkel Phil?“
Sie stieg die Treppen hinab. Das Schachbrettmuster in der Eingangshalle war immer noch dreckig.
„Juna?“, fragte plötzlich eine Stimme, „Juna, bist du das?“
Juna drehte sich um: „Ja ich bin es! Ich bin wieder da, Onkel Phil! Ich bin wieder da!“
Sie lief auf ihn zu. Er stand vor der Tür des Arbeitszimmers. Seine Augen waren eisblau wie früher und seine Hakennase so höckerig wie in Erinnerung. Juna war unbeschreiblich froh darüber. Erneut liefen ihr Tränen über die Wangen. Er hatte sich überhaupt nicht verändert.
„Ich bin wieder da!“, flüsterte sie und umarmte ihn, „Ich bin wieder da.“
Zaghaft nickte er, als könnte er nicht glauben. Als würde er sie für einen Geist halten. Er betrachtete Juna ungläubig.
„Ich bin froh, dass du wieder da bist“, sagte er. „Du bist alles, was ich noch habe.“
Und dann umarmte er auch sie.
Juna saß auf dem Fenstersims des Buntglasfenster und sah hinaus. Die Sonne schien zum ersten Mal seit einer Woche wieder und tauchte die Welt in Licht. Aber Juna war darüber nicht wirklich glücklich. Sie presste das Buch, das sie hätte lesen wollen, eng an sich.
Wie sich Adara wohl entschieden hat?, fragte sie sich. Wie viel Zeit ist in der anderen Welt schon vergangen? Ebenfalls eine Woche, oder schon Monate oder gar Jahre?
Juna schüttelte sich und klappte das Buch auf. Doch konzentrieren konnte sie sich nicht. In den vergangenen Tagen war sie immer wieder aufgewacht und hatte gedacht irgendwo in Asurien unterwegs zu sein. Zusammen mit Adara und Finnian. Aus Gewohnheit hatte Juna angefangen, die dunklen Ecken nach Finnian abzusuchen und hatte geglaubt Adaras goldene Augen irgendwo leuchten zu sehen. Sie musste sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass sie nicht mehr da waren.
Juna umfasste die Kette und dachte an Adaras Spruch.
Freunde sind wie Sterne, hatte sie gesagt, sie sind immer da, auch wenn man sie nicht sehen kann.
Entschlossen klappte Juna das Buch wieder zu und stand auf. Sie warf den Bildern an der Wand und dem Spiegel einen schnellen Blick zu, dann ging sie nach unten.
Onkel Phil hatte ihr versprochen wie in den letzten Tagen zusammen mit ihr Abend zu essen. Sie hatte ihm ihre ganze Geschichte erzählt und er ihr von Fayra, Thanatos Geliebten und seiner Großmutter. Vielleicht war all das ein Grund, warum er die Welt draußen so gefährlich sah. Juna wusste es nicht genau, aber hatte vor es herauszufinden. Sie würde Salims Rat befolgen und ihm die Augen öffnen. Zeigen, wie gut sie allein zurechtkam. Zeigen, wie die Welt draußen wirklich war. Sie würde Onkel Phils Fesseln der Zurückgezogenheit lösen.
Und dann würden sie endlich frei sein.
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Das Schwert des Thanatos
FantasyWird überarbeitet Juna Montera, ein Mädchen, das nichts kennt außer dem Alleinsein und der ewigen Einsamkeit. Nichts außer unerfüllter Hoffnungen und verlorengegangener Träume. Ihr strenger Onkel verbietet ihr nämlich unter jeglichen Umständen das...