Das Kloster

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Schon seit Jahrhunderten, teilt man die Raelyn in drei große Gruppen ein.

In die Seher, die all jenes wahrnehmen und fühlen, was anderen verborgen bleibt.

Die Wandler, die bereits vorhandene Materie nutzen und diese manipulieren.

Und die Beschwörer, die mit ihren bloßen Gedanken Neues erschaffen können.

Aus den Archiven des Klosters

Von Varius Valar

Der Schlitten kam zum Stehen, als es schon dunkel war. Keiner der beiden Monde war zu sehen. Dafür wuchsen hier rotglühende algenartige Pflanzen, die sich wanden, als stünden sie Unterwasser. Mono Sengrai, wurde sie genannt, das wusste Finnian. Es bedeutete so viel wie Roter Traum. Wahrscheinlich wegen ihres Giftes, das einen einschlafen ließ und dann tötete.

Er stieg vom Schlitten. Der frisch gefallene Schnee knirschte.

„Wir sind da“, flüsterte er.

Juna und Adara sprangen ebenfalls vom Schlitten.

„Na endlich“, sagte Adara, „Wurde auch Z-Zeit, ich bin total durchge-gefroren.“

Ihre Zähne klapperten unkontrolliert aufeinander. Sie sah sich um. Ihre goldenen Augen leuchteten schwach.

„Und was jetzt? Wir sind hier im Ni-Nichts.“

„Folgt mir“, sagte Finnian leise.

„Willst du uns nicht endlich erklären, wohin wir gehen?“, fragte Juna.

Finnian antwortete nicht.

In der Gegend des Großen Speers kannte er sich gut aus. Nachdem er Samoria verlassen hatte, hatte er dort gelebt, bis die Morganen ihm den Auftrag übergeben hatte. Hier in der Nähe stand ein uraltes Kloster, das schon von Thanatos benutzt worden war. Es war der Ort, an dem Finnian gelernt hatte seine Schattenmagie zu beherrschen und zu kämpfen. Es war der Ort, an dem Raelyn aus der ganzen Welt lebten und von den Morganen ausgebildet wurden. As Vanora, nannte man ihre Gemeinschaft, das Auge. Es war ihr Symbol gewesen, das die Morganen in den Schnee gezeichnet hatten. Das Symbol, das er am unteren Handgelenk trug.

„Manchmal würde ich echt gern meinen Falken Soren auf dich hetzen“, bemerkte Adara.

Finnian wusste nicht, ob er diesen Ort gernhaben oder hassen sollte. Einerseits war er hier immer sicher gewesen und war nie von Hexenjägern, die es vereinzelt noch in Asurien gab, geschnappt worden. Es hatte nie wirklich in Gefahr bestanden. Anderseits hatte er eine schreckliche Ausbildung durchlaufen müssen. Sein Lehrmeister hatte sich niemals um sein Wohlergehen gekümmert. Für ihn hatte bloß gezählt Finnian immer besser, schneller und gefährlicher zu machen. Er hatte Finnian gelehrt, dass jede Berührung tödlich sein konnte, dass jedes Geräusch ihn verraten würde. So war er zum perfekten Schatten geworden. Vor manchen seiner Methoden hatte Finnian noch heute schreckliche Angst.

Die rotglühenden Algen, beleuchteten einen fast unsichtbaren Weg durch den Schnee, vorbei an den Ausläufern des Großen Speers. Finnian würde ihn sogar mit geschlossenen Augen finden. Er versuchte ruhig zu bleiben und tastete nach seinem Tattoo. Er ahnte nicht, was ihn erwartete, sobald er zurückkam. Niemand im Kloster wusste, was er getan hatte, nur sein Lehrer. Und der würde hoffentlich schweigen.

Finnian blieb ruckartig stehen. In der Ferne, zwischen einigen Bäumen stand etwas. Ein Wesen. Ein schneeweißes Tier mit silbernem Geweih auf dem Kopf. Es schaute sie direkt an.

Das Schwert des Thanatos Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt