Der Aufbruch

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Wolken hoch, der Nebel tief,

der Wald, wohin uns die Stimme rief,

liegt im Dunkeln, für uns verschwunden

und lockt uns fort

an einen finstren Ort

Ritualgesang aus den Unsterblichen Wäldern

In dieser Nacht hatte Juna geträumt.
Sie und Onkel Phil waren zu einem seiner Arbeitskollegen gefahren, da er Geburtstag hatte. Sie hatten vor, an einem kleinen Waldsee zu feiern, doch es war nicht der aus Junas Erinnerung, denn er war dunkel und lag unter einer Trauerweide. Niemand bemerkte den Unterschied. Irgendwann wurde die Feier langweilig und eintönig, da die Erwachsenen miteinander diskutierten und Juna allein auf einem Stein saß und sich im Wasser betrachtete. Nach einer Weile kam Onkel Phil zu ihr und sagte, dass vielleicht auch ihre Eltern vorbeischauen würden. Darüber freute sie sich sehr.

Juna dachte noch eine ganze Zeit lang über diesen Traum nach. Er war merkwürdig gewesen. Besonders, dass ihre Eltern darin vorkamen, beunruhigte sie. Sie hatte schon lange nicht mehr über sie nachgedacht oder gar von ihnen geträumt. Sie waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als Juna nicht einmal ein Jahr alt war.

Einige Tage später begleitete die Herrin Juna durch einen Torbogen hindurch. Allura folgte ihnen, während die Herrin der Formoris stolz voran schritt. Auf dem Kopf, rund um ihr mondweißes Haar trug sie einen Reif aus silbernen Blättern und kleinen Edelsteinen und ihr verbleibendes Geweih verströmte Macht und Anmut. Ja, sie war wahrhaftig die Königin der Wälder.

„Ich habe hier noch etwas für dich“, sagte die Herrin und holte eine Schriftrolle aus den Falten ihres langen fließenden Kleides hervor, „Das ist einer unserer letzten Zaubersprüche. Geh vorsichtig damit um, man kann ihn nämlich nur einmal anwenden.“
Juna nahm ihn entgegen und betrachtete ihn eine Weile.

„Ich kann aber gar nicht zaubern“, gestand sie, „Er wird mir nichts nützen.“

„Du musst ihn nur ablesen“, erklärte die Herrin, „Das ist der Vorteil an diesen Zaubern. Jeder ist in der Lage ihn zu wirken.“

Juna faltete die Rolle behutsam auseinander: „Und was bewirkt er?“

„Es ist ein Feuerzauber. Ich habe ihn für dich übersetzt, da du nicht fähig bist unsere Buchstaben zu lesen.“
Die Herrin deutete auf die Buchstaben: „Ich denke, irgendwann wird er sich noch als nützlich erweisen.“

„Danke“, sagte Juna und rollte den Zauberspruch wieder zusammen, „Das ist wirklich sehr nett.“

„Gib ihn am besten hier hinein“, die Herrin reichte ihr eine braune Tasche, „So wird er nicht beschädigt.“

Juna nickte und streifte sich die Tasche über.
„Hast du das Schwert?“

Wieder nickte Juna und wies auf das umgehängte Schwert. Es war gut unter ihrem grünen Mantel versteckt, sodass man es nur mit größter Mühe entdeckte.

„Gut“, die Herrin wirkte zufrieden, „Ich gebe dir meinen Segen.“
Sie legte Juna ihre Hand auf den Kopf.

„Möge das Licht der Monde deinen Pfad erhellen,
die Stimme der Bäume dir Weisheit erzählen.
Mögen die Sterne über dich wachen in der Nacht,
und die Seelen des Waldes dich beschützen mit ihrer Macht.
Möge die Sonne immer für dich scheinen,
und Caeli dich mit dem Glück vereinen.“

Das Schwert des ThanatosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt