Kapitel 44. Schlaflos I

31 3 0
                                    

Still lag das Dorf Konohagakure in der Dunkelheit der Nacht. Lediglich der Mond erhellte die provisorischen Zelte in seinem sanft weißen Licht, doch die Bewohner schlummerten. Sie schliefen friedlich in ihren Schlafsäcken - kurzerhand aus den umliegenden Dörfern angeschafft. Kein Ton flutete die Umgebung, doch in den Ruheplätzen herrschte leises Treiben.

Yuno horchte dem ruhigen Atem des Hataken neben sich - stetig, friedlich, aber dennoch weit entfernt von ihrer Haut - was durch das penetrante Schnarchen ihres Bruders übertönt wurde. Sie schmunzelte über diese umfangreiche Geräuschkulisse in dieser ersten gemeinsamen Nacht seit Jahren, die der kühle Wind außerhalb erweiterte.

Trotz der Wärme ihres Schlafsackes überzog eine leichte Gänsehaut ihren Körper, ließ sie erzittern und unruhig auf den Rücken legen. Sie fühlte eine für sie unerklärliche Enge, die ihr nicht die Erlaubnis für Schlaf erteilte. Es schnürte ihr die Brust zusammen, verhinderte ihr zu atmen.

Sie sollte sich wohlfühlen - endlich wieder Daheim zu sein. Sie sollte sich zurücklehnen und die Rückkehr genießen. Doch sie fühlte Schmerz, Verrat und ein klaffendes Loch.

Sie gab auf, in den Schlaf zu finden, richtete sich auf und sah zu Kakashi. Er hatte sich neben ihren Schlafplatz einquartiert, verblieb in ihrer Nähe, doch merkte ihre Unruhe nicht. Ihr Blick schwenkte zu Naruto, der auf der anderen Seite des Zeltes lag. Er wollte den beiden etwas Privatsphäre geben, doch sein Schnarchen hallte deutlich bis zu ihr. Auch er lag zufrieden quer in seiner Decke, da er sich in einem Schlafsack nicht ausreichend bewegen konnte.

Stolz erfüllte sie, als sie zurück an seine vollbrachte Tat dachte. Er hatte gesiegt und das Dorf beschützt. Doch - Was hatte sie dazu beigetragen? Sie war starr gewesen, hatte sich nicht wehren können. Sie war gestorben. Sie hatte ihn allein gelassen - hatte alle verlassen. Doch nun lebte sie und hielt der Enge nicht mehr stand.

Geschickt huschte sie lautlos aus dem Umfeld der beiden Shinobi, ließ sie erneut allein und trat hinaus in die Nacht. Der Wind umspielte ihre Glieder, verstärkte die Gänsehaut, doch sie ließ sich davon nicht stören und lief durch die kleinen Gassen.

In den Zelten herrschte Stille, liebliche und wohltuende Stille. Ihre Lunge füllte sich mit der frischen Luft, vertrieb die Enge und ließ sie endlich erleichtert aufatmen. Sie kappte all ihre Verbindungen, genoss den Seelenfrieden - nur für diesen einen Moment.

Ihre Gedanken stoppten, ruhten an Ort und Stelle und brachten ihr erwünschtes, inneres Gleichgewicht. In den nächsten Wochen würde sie solche Momente nicht mehr erleben können, dessen war sich sich hundertprozentig bewusst. Akatsuki würde vorwärtsrücken und sie konnte ihre Schützlinge nicht mehr wiederbeleben. Sie hoffte, die Verbliebenen würde ausharren und sich in Sicherheit halten, bis ihr einfiel, dass lediglich Naruto sowie Kakashi die letzten Jinchuuriki auf freiem Fuß waren. Killer Bee wurde von seinem Bruder bereits abgeschottet und somit in Sicherheit gehalten.

Frustriert schüttelte sie den Kopf. So durfte sie gar nicht denken. Dort draußen, in Kyoyama, befanden sich weitere fünf Bijuuträger, die geschwächt und lediglich von einem Arzt bewacht wurden. Niemand befand sich in Sicherheit - Alle waren in Gefahr.

Nicht einmal in Konoha konnte von Schutz gesprochen werden. Tsunade lag im Koma und ein neuer Hokage stand derzeit zur Debatte. Wenn sie dem Dorftratsch Glauben schenken konnte, standen Kakashi und Danzou zur Auswahl. Innerlich wusste sie bereits, wer sich durchsetzen und den Titel einheimsen würde und wenn dies geschah, dann galt der Kampf bereits als verloren.

Sie lief weiter und gelang immer weiter an den Rand des Dorfes, sodass sie sich letztendlich auf die Mauer setzte und in den Wald hineinblickte. Wie aus Geisterhand formte sie gewohnte, doch lang nicht mehr angewandte Fingerzeichen, ehe es neben ihr puffte. ,,Uhuu", erklang es freudig, als die grüne Eule auf und ab sprang. Sie hatte ihre Meisterin seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen und freute sich nun umso mehr, sie endlich wiederzusehen.

,,Midori", schmunzelte die Wächterin und strich ihr liebevoll über die flauschig, weichen Federn, was die Eule sich anschmiegen ließ. ,,Duhu bist wie zuhurück", uhute sie in ihrer hellen Stimme mit einem Blick über das zerstörte Dorf, was mit einem Nicken beantwortet wurde. ,,Lange Geschichte, aber deshalb habe ich dich nicht gerufen", begann die Namikaze, doch die Neugier des Vogels war geweckt.

,,Wie geht es dir uhund deinem Bruhuder?" Midori legte gespannt den Kopf schief und schlug einmal fordernd mit ihren kräftigen Flügeln. ,,Es geht allen gut, aber deswegen bist.." begann sie, doch der Vogel war noch nicht am Ende. Sie fragte, fragte, fragte und fragte. Sie fragte und es nahm kein Ende, entlockte der Namikaze somit Unmengen an Seufzern, bis sie letztendlich den Schlussstrich zog.

,,Eine Frage habe ich noch." Ihre großen, runden Augen strahlten und starrten sie an, sodass sie ein erneutes Mal seufzte und widerwillig mit dem Kopf nickte. ,,Eine letzte", stimmte sie zu und weitete ihre Augen, als die Worte den Schnabel des Vogels verließen.

Schließlich senkte sie den Kopf, blickte auf ihre Füße. Was sollte sie antworten?

Sie wusste die Antwort nicht. Würde sie ausweichen, würde die Eule es direkt merken. Es lag in ihrem Gespür. Sie legte bereits den Kopf schief, spürte, wie die Namikaze nach einer Lösung suchte. ,,Wie geht es Kakashi? Wie geht es ihm wirklich?", wiederholte sie ihre Frage, blinzelte einmal und starrte anschließend weiter.

Schulterzuckend, mied sie den Blickkontakt. Wie sollte es ihm gehen nach einem mörderischen Angriff auf das Dorf, bei dem er alles verloren hatte? Einem Angriff, den er durch ein Wunder überlebt hatte.

Yuno verweigerte die Antwort, schwenkte ihren Blick über den Wald außerhalb der Mauern, ehe sie der Eule ihren Auftrag erteilte. Immerhin war sie deshalb gerufen worden. Midori brummte unzufrieden, erhob sich jedoch widerwillig in die Lüfte. Die Namikaze erkannte: Ihr gefiel die Aufgabe keinesfalls, dennoch führte sie diese aus. Sie sah den grünen Flügelschlägen hinterher, bis sie in der Ferne verschwammen und letztendlich verschwanden.

Auch die Wächterin verließ ihren Hochsitz nach wenigen Minuten des tiefen Durchatmens auf der Mauer und schlich gemächlich zurück zu ihrem Zelt. Sie wusste dennoch, sie konnte noch nicht schlafen und würde für den Rest der Nacht wachliegen und die Decke anstarren, dabei den Atem des Hataken lauschend. Ein Schmunzeln erschien sanft auf ihren Lippen, verschwand jedoch sofort wieder, als sie durch den Eingang ihrer Unterkunft trat.

Trotz des sperrlichen Lichtes erblickte sie den Jinchuuriki, wartend. Er saß aufrecht in seinem Schlafsack, musterte sie, als sie auf ihn zukam und sich auf ihrem eigenen Platz niederließ. ,,Kannst du nicht schlafen?", hatte er gefragt und den Blick nicht von ihr genommen. Er erinnerte sie just in diesem Moment an Midori, die genauso unbeharrlich gestarrt hatte. Auch diesmal seufzte sie, doch schüttelte mit dem Kopf und schloss die Augen. Diese Entfernung zu ihm hing ihr schwer in der Brust, machte das Atmen anstrengend. Sie wollte - musste - es beseitigen - jetzt. ,,Wir müssen reden, Kakashi."

1121 Wörter

Die Wächterin der Bijuu - Dark and Light (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt