Kapitel 57. Unbekannter Ort

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Ihr Körper rührte sich nicht. Ihre Arme und Beine hefteten am Boden - schwer wie Blei, als hätte man sie mit etlichen Kunai am Grund festgepinnt. Sie spürte jedoch keinen Schmerz, also war sie lediglich nicht Herr ihres Körpers. Was nun der günstigere Fall war, fragte sie sich erst gar nicht, denn in diesem Zustand war sie den Gefahren schutzlos ausgeliefert.

Mit größter Mühe kämpfte sie gegen ihren eigenen Gliedmaßen an. Sie spürte weiterhin keinen Schmerz, als es mehrere Versuche brauchte, um sich auf den Bauch zu drehen. Der rauchige Boden schabbte an ihrer Wange, doch überrascht riss sie die Augen auf und ihr Gefühl in den Fingern kehrte zurück. Es kribbelte unheimlich wie die Stiche von Senbonnadeln unter ihrer Haut. Kein Wasser. Keine Kanalisation. Vor ihr erstreckte sich ein tiefer Tunnel aus grauem Stein und nur kleine Flammen auf dem Boden erhellten die verschnirkelten Wände.

Wo war sie?

Die Frage raste durch ihre Gedanken, während sie sich aufrichtete und sich in Abwehrhaltung stehend umsah. Sie war nicht in ihrem Unterbewusstsein. Das sah anders aus - weniger gruselig, mit tropfenden Wasserrohren und der flachen Wasserschicht. Nichts an ihrer Umgebung erinnerte sie daran, doch wo - außer in ihrem Unterbewusstsein - sollte sie sonst sein?

Yuno blieb nichts anderes übrig, als einen Schritt vor den anderen zu setzen und dem Tunnel zu folgen. Ihr Instinkt leitete sie und führte sie an unzähligen kleinen Flammen vorbei. Sie musterte die steinernen Wände - die vielen Rillen und das darin tropfende Wasser. Gab es eine Verbindung von hier bis zu ihrem bekannten Unterbewusstsein? Die Wege verzweigten sich genauso oft, doch sie überlegte nicht, sondern folgte weiter ihrem Gefühl.

Sollte sie umdrehen? Wo würde sie enden? Unweigerlich schüttelte sie diese Gedanken ab und bügte sich durch eine Enge des Tunnels hindurch. Die Decke näherte sich immer weiter dem Boden, doch noch passte sie hindruch. Wie alt waren diese Tunnel? Nie hatte sie die Verwitterung und verändernden Kräfte in ihren Körper gespürt, doch es nun zu sehen, jagte ihr einen Fels den Rücken hinunter.

Gab es überhaupt eine Chance zu entfliehen?

Der Durchgang wurde enger, die Flammen weniger, das Wasser verschwand. Ein Licht erchien am Ende des Stollen, doch kaum dass sie den Durchgang erreichte, blieb sie stehen. Die Öffnung reichte ihr bis zu den Knien, war so schmal wie ein einfacher Riss im Gestein. Genervt knurrte sie die Wut in sich hinein, überlegte, wie sie dort hindurchpassen sollte.

Kurzerhand hatte sie sich das Katana von den Hüften geschnallt, die Schutzweste entfernt. Zurück in der Realität würde sie diese zurückerhalten, doch nun behinderten sie ihre Taten. Stumpf fiel die Weste zu Boden, wurde nicht weiter beachtet, als sie durch den Zugang spähte und keinerlei Gefahr sah: Ein großer und hell erleuchteter Raum erstreckte sich auf der anderen Seite der Luke, in welchen sie zuerst ihr Katana schob. Dieses würde sie nicht zurücklassen. Vielleicht brauchte sie es noch, auch wenn sie hoffte, es nicht zu brauchen.

Kaum ruhte es, legte sich Yuno selbst auf den Boden, zog tief die Luft in ihre Lunge. Sie wandt und zwängte sich mit großter Mühe und Anstrengung durch die Öffnung - der Sauerstoff bis zum Anschlag in ihren Lungen half ihr großzügig. Die Kanten und Ecken stachen in ihre Haut, doch sie schaffte es hindurch, konnte jedoch auf der anderen Seite nicht einmal tief durchatmen, da erschien vor ihr eine Hand.

Vor Schreck erstarrt, löcherte sie die Hand mit ihrem Blick, sah den Körper dazu nur verschwommen. Ihr Blut rauschte unaufhörlich in ihren Ohren, dämpfte die Worte ihres Gegenübers, doch sie hörte sie - wenn auch schwach. ,,Darf ich dir aufhelfen, Wächterin?" Lediglich ein verdattertes Nicken brachte sie zustande, ergriff die ihr angebotene Hand und ließ sich auf die Beine ziehen.

Kaum das sie stand, sah sie ihr Katana in seinen Händen und schnappte es sich. Flink band sie es sich zurück um die Hüfte, bevor sie es schaffte ihrem Helfer in die Augen zu sehen. Nussbraun traf auf ihre meerblauen. Sie kannte diese Augen. Er hatte sich nicht verändert, trug noch immer seinen grünen Schal und die feuerroten Haare bis zu den Schultern. ,,Ryuga", entfloh es ihr voller Erleichterung, ein bekanntes Gesicht in dieser eintönigen Welt zubegegnen. Es gab ihr die Bestätigung: Sie befand sich in ihrem eigenen Körper.

,,Du bist tatsächlich hier", entgegnete er voller Stolz, doch den Hauch Trauer konnte er nicht überspielen. Er wusste, was es hieß: In der Realität war die Hölle los. ,,Wir dürfen keine Zeit verlieren", drängte der erste Wächter und übersprang das freudige Wiedersehen gekonnt. Die Zeit drängte und jeder Tropfen davon war kostbarer als der andere.

Ein Beben jagte durch die Halle, erzitterte die beiden Wächter. ,,Es spürt dich." Sie schluckte. ,,Seit dem Ausbruch in meiner Zeit ist es durch Ashura in diesen unteren Katakompen des Wächters gefangen und versiegelt - genau wie ich. Durch das Chakra der Bijuu hat es sich manifesiert und möchte wüten. Du gewinnst nur, wenn du es unter deine Kontrolle bringst", ratterte Ryuga ernst runter und beobachtete sie, wie sie sich umsah.

Das Licht entsprang nur einer Wand voller Flammen, während der hintere Teil der glorreichen und prungvollen Halle reinster Finsternis glich. Leises Schaben von Krallen erklang - schrill und schmerzlich kam es ihnen näher. ,,Was ist es?" Eine Frage, die sie bereits vor Jahren gestellt hatte. ,,Es versteckt sich noch in der Dunkelheit, aber es beobachtet uns. Es wartet und schätzt ab." Auch diesmal konnte er ihr nicht verraten, welches Wesen sie überwältigen sollte.

,,Ich soll einen Bijuu besiegen? So stark wie der Jyubi?", hinterfragte sie ein letztes Mal und wandte ihrem Vorgänger den Rücken zu, wandte sich zur Kreatur. ,,Lass dich nicht unterkriegen. Bleib standhaft", gab er ihr einen letzten Rat. ,,Ich kann dich im Kampf nicht unterstützen, sondern nur zusehen." Wieder schluckte sie, doch fasste Entschlossenheit und den Mut den ersten Schritt zu gehen.

Wieder erklang das Schaben, doch es blieb nicht das Einzige. Es war schwer in Worte zu fassen, doch dieses einzigartige Geräusch hatte sie noch nie gehört. Eine Mischung aus majestetisch und durchdringend. Ein Schrei, der ihr durch Mark und Knochen ging. Schrill und anmutig zugleich - nicht wie der des Jyubis.

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Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und wir lesen uns nächste Woche zum großen Finale, das im Laufe des Wochenendes erscheinen werden^^

Die Wächterin der Bijuu - Dark and Light (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt