Kapitel 41. Ein Licht in der Finsternis

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Sie hechtete über die Trümmer und toten Shinobi hinweg, spürte ihre Atmung rasseln und ihr Herz aussetzen. Sie würde zu spät kommen. Ganz sicher. Kakashi würde tot sein, wenn sie ihn erreichte. Tränen rannen in Strömen über ihr Gesicht. Kein Ende war in Sicht. Eher verstärkten sich ihre Tränen, als sie Pain erblickte.

Der Leader stand vor ihm - stand vor ihrem Kakashi! Seine Hand erhoben, schleuderte er ein kleines Objekt in dessen Richtung, doch Yuno konnte es nicht aufhalten. Sie war zu spät. Kakashi Kopf warf sich vor Wucht in den Nacken und kraftlos sackte er in sich zusammen. Ihr Herz splitterte häftiger als je zuvor. All ihre Energie schien ihren Körper zu verlassen, sodass sie sich lediglich taumelnd in seine Nähe ziehen konnte. Sie schluckte, wimmerte leise mit geröteten Augen. Er lag nur wenige Schritte von ihr entfernt, regungslos.

Yuno war zu spät.

Schlaff fiel sie vor dem Trümmerhaufen auf die Knie. Er steckte bis zur Brust zwischen dem Schutt der Hauswände, den sie entkräftet und mit zittrigen Finger versuchte zu entfernen. Sie schaffte es nicht. Immer mehr Tränen flossen aus ihren Augen, weshalb sie bereits Kopfschmerzen plagten. Sie schaffte es nicht!

Nur ein kleiner Bruchteil löste sich unter ihrer hoffnungslosen Arbeit und sie schluchzte laut auf, als sie seine behandschuhte Hand erblickte. Reglos, wie versteinert, klemmte sie zwischen den Backsteinen, die sie einer nach dem anderen vorsichtige entfernte, um ihn nicht zu verletzten. Sacht umfasste sie seine kalten und leblosen Finger, nahm sie in ihre bebenden Hände auf, um sie vergebens zu wärmen. Staub mischte sich zwischen ihre Lippen, als sie einen letzten, zarten Kuss auf seine Hände hauchte.

Sie wollte es nicht wahrhaben. Die Welt schien stillzustehen, indessen sie einen weiteren Kuss auf seine starren Hände gab. ,,Ich bin zu spät", wimmerte sie leise und drückte sich an seinen letzten Anker. Wie ein Mandra wiederholte sie diese wenigen Worte, schluchzte immer mehr und wurde immer leiser. Ihre letzten Reserven verbrauchte sie allein dafür, bis ihre Stimme letztendlich nicht mehr als ein Flüstern war und schließlich brach.

,,Ich bin zu spät."

Ihre Glieder gefroren, wurden taub und selbst ihre Sinne schalteten sich vollständig ab. Sie spürte nicht, wie Pain sich zu ihr gesellte, sie von hinten musterte. Gedämpft hörte sie seine Stimme und die Worte brauchten eine Weile, bis sie deren Inhalt verstand. ,,Es musste sein." Sie wimmerte verzweifelt, schüttelte paralysiert mit dem Kopf. ,,Es stand uns im Weg", sprach Pain weiter, was eine Gänsehaut über Yunos Körper jagte. Es. Er wusste es. ,,Genauso wie du es tust, Verräter."

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Er verlor sich in der Finsternis, schwamm durch das unendliche Meer der Schwärze. Er sah Sternschnuppen und winzige Sterne über seinem Kopf, doch selbst dieser wunderschöne Anblick füllte seine innere Leere nicht aus. Er trieb immer weiter in der Schwerelosigkeit und er fühlte sich einsam. Einsam und leer. Er konnte Matatabi nicht spüren, nicht einmal seine Hände und Füße wollten auf seine Befehle hören. Kakashi driftete einfach immer weiter durch das Nichts.

Er durchleuchtete seine Vergangenheit - all seine Fehler, Schandtaten, Erfolge sowie seine Freunde und Familie. Er verdankte viel in seinem Leben, doch bereuen tat er umso mehr. So oft hätte er noch 'Es tut mir leid' sagen können. So oft hätte er sich noch bei seinen geliebten Leuten entschuldigen müssen, aber nun war es zu spät.

Er war tot.

Ihn würde man vergessen. Sie würden alle einen anderen Freund finden. Yuno würde es schaffen. Sie würde ohne ihn auskommen. Er hoffte es so unfassbar sehr. Er würde ihr zusehen, sie von oben herab begleiten und ihr beistehen. Er würde sie niemals allein lassen. Er könnte es gar nicht - nicht noch einmal. Sein Ultimatum an sie war sein größter Fehler gewesen, den er bereute und am liebsten sofort ungeschehen gemacht hätte, hätte er die Chance dazu gehabt. Nun war er tot. Seine Chance, alles besser zu machen, verblasste vor seinem inneren Auge.

Tief durchatmend, schloss er seine Augen, stellte sich vor, wie sein Leben hätte weitergehen können. Ein Leben an Yunos Seite, vielleicht in einem eigenen Haus mit zwei Kindern. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er daran dachte, wie er sie hätte im Garten beobachten können, wie er mit ihnen herumtollte. Er dachte an gemütliche Abende mit der Namikaze, kuscheln, küssen und noch mehr kuscheln. Sein Lächeln verschwand, wurde stattdessen traurig. Er hatte sie verloren.

Ein Ruck durchzog seinen Körper, als er plötzlich mit beiden Beinen auf dem harten Boden aufsetzte. Er schwamm nicht mehr, sondern stand aufrecht. Sein Blick glitt über die Umgebung, in der er in einiger Entfernung ein kleines Lagerfeuer ausmachen konnte. Es flackerte ruhig und drei Baumstämme zierten einen Kreis um die leuchtende Glut. Von der Wärme und Geborgenheit angezogen, setzte er einen Schritt vorwärts, ehe weitere folgten.

Kakashi erkannte eine Person, die an dem Feuer saß und ihm den Rücken zeigte. Er schluckte, als er die grüne Uniform der Konoha-Shinobi sah und den grauen Haarschopf. Sein Blick senkte sich augenblicklich und Scham überrollte seine Gefühle. Er zwang sich, um sich letztendlich auf den selben Baumstamm wie sein Vater niederzulassen.

Der jüngere starrte verbissen in die Flammen, schaffte es nicht den Blick zu heben und ballte die Hand zur Faust. Er hatte auf ihn gewartet - all die Jahre. ,,Du bist ein wunderbarer junger Mann geworden", begann Sakumo das Gespräch mit einem sachten Lächeln auf den Lippen, doch Kakashi überschwemmte es nur mehr. ,,Du hast doch keine Ahnung." Seine Zweifel kehrten zurück - all seine Verluste, Morde, Entscheidungen. Er bereute doch so vieles...

,,Sollte ich das etwa nicht sagen?", Sakumo lächelte weiterhin und schien sich sicher mit seiner Aussage. ,,Ich sage es aber so, da es die Wahrheit ist", führte er seinen Gedanken fort, doch Kakashi sah immer noch nicht auf. Seine Knöchel traten bereits weiß hervor und er hätte wetten können, dass, wenn er fester zudrückte, er physisch bluten würde. ,,Du hattest es nie leicht, hast sogar den rechten Weg verloren, aber du bist trotzdem so geworden, wie deine Mutter und ich es uns immer gewünscht haben."

Kakashis Hand entspannte sich augenblicklich, da die Verwunderung seine Sinne flutete. ,,So oft, wie das Leben dir eines auswischen wollte, so bist du dennoch standhaft geblieben und hast dein Leben gelebt. Diese Stärke bewundere ich", lobte ihn sein Vater, doch noch immer hatte er doch gar keine Ahnung. Auch wenn die Worte Kakashi nicht überzeugen wollten, so schlugen sie trotzdem in seine eiserne Mauer ein und ließen diese langsam bröckeln.

Langsam stahl sich die erste Träne aus seinem Auge, die er jedoch gekonnt wegblinzelte, doch da folgte bereits die zweite. ,,Ist das normal?", schluckte er den Kloß in seiner Kehle hinunter und unterdrückte ein Zittern. Sakumo schien bereits zu verstehen, doch der jüngere hatte dennoch das Bedürfnis, es genauer erzählen zu wollen. Er brauchte dieses Ablassventil für seine Gefühle - jetzt. ,,Diese Schmerzen und diese Reue? Zu wissen, dass man noch hätte so vieles tun können. Zu wissen, dass man noch so viel loswerden muss, es aber jetzt zu spät ist?" Kakashi verstand sich selbst nicht, doch er wusste, dass er dieses Gefühl hasste.

Er sah seinen Vater im Augenwinkel wahrheitsgemäß nicken und er verstand, dass es ihm genauso gegangen sein musste.

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Die Wächterin der Bijuu - Dark and Light (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt