Kapitel 56. Sorge

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Das weiße Chakra ummantelte seine Wächterin, belegte ihre Haut und brachte sie zum Leuchten. Wären sie nicht im Krieg, hätte er sie für einen Engel gehalten. Ein Engel, der entsandt wurde, um für ihn zu strahlen. Ein Engel, der die negativen Gedanken von seiner Seele nahm, doch kaum das ihr Körper strahlte und ihr Blick ein letztes Mal den Seinen einfing, drehten sich ihre Augen nach hinten. Ihre meerblauen Seelenspiegel verschwanden, machten dem weißen platz.

Wie ein Kartenhaus klappte sie in sich zusammen, drohte auf dem Boden aufzuschlagen, doch da legten sich rissige Arme um ihren Körper. Schneller, als Kakashi hatte reagieren können, wurde sie sanft auf dem Boden abgelegt und er hastete rasant an ihre Seite. Die Panik stand ihm ins Gesicht gemeißelt, als er ihre Bewusstlosigkeit feststellen konnte. Das Leuchten verebbte, ihre Atmung flachte ab. War etwas schiefgegangen? Was war schiefgegangen? ,,Was ist passiert?", sprach er eine seiner vielen Fragen aus und auch sein Gegenüber teilte diese.

,,Was habt ihr euch dabei gedacht?", fuhr dieser ihn an und sah auf seine Tochter hinab. Minato hatte die Junchuuriki nicht verlassen, hatte den Kreis vor herabstürzenden Felsen beschützt. Seine Mühe wurde ihm gedankt, indem seine einzige Tochter Schaden nahm.

Kakashi hörte die Worte nur leise. Seine Ohren dröhnten. Sein Kopf pochte. Hatte er versagt? Was hatte er sich dabei gedacht? Wie konnte er dem nur zustimmen?

Nicht nur seinen baldigen Schwiegervater ignorierte er. Auch das Schlachtfeld in seinem Rücken verblasste zu einer schwachen Vibration im Boden. Würde er sie verlieren? Würde er seinen Sohn verlieren?

^Ihr habt nichts falsch gemacht^, erklang Matatabis Stimme erneut in seinen Gedanken. ^Ich kann aber keine Verbindung herstellen. Wo auch immer sie ist, sie ist auf sich allein gestellt.^ Auch wenn ihre Worte beruhigend scheinen sollten, sie verfehlten ihre Wirkung.

Kakashis Puls beschleunigte sich. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Sie war allein. Seine schwitzigen Hände krallten sich in den Stoff seiner Hose, doch sein Blick konnte sich nicht von ihr lösen. Ihre wirren, braunen Haare hingen quer verteilt in ihrem Gesicht, sodass er diese behutsam beiseite schob und den Dreck wegwischte.

Vorsichtig nahm er ihre Hand in seine, drückte diese leicht und fühlte ihre kalten Fingerspitzen. Konnte er sie allein hier liegen lassen und kämpfen? Sollte er bei ihr bleiben und sie beschützen? *Was wird sie tun müssen?* Er musste es wissen, ob ihre Aufgabe schwer oder einfach sein würde. Er wollte sie nicht in Gefahr wissen, denn dies würden seine Nerven nicht mehr durchhalten.

^Das kann ich dir nicht beantworten. Diese Situation ist selbst uns Bijuu neu^, rückte sie mit der Wahrheit heraus. ^Sie wird sich beweisen müssen - allein.^ Der Unbehagen schwappte in ihrer Stimme über den Tellerrand und breitete sich in Kakashi aus. Er war machtlos. ^Vertrau ihr^, war alles, was die Nibi noch sagte, ehe sie das Thema wechselte. ^Minato passt auf sie auf. Hilf deinen Schülern und Kameraden.^

Missmutig brachte er ein Nicken zustande. Was sollte er auch tun? Er konnte nichts ausrichten. Nichts. Rein gar nichts. Unter den wachsamen Augen Minatos drückte er ihr liebevoll einen Kuss auf die Schläfe. ,,Du schaffst das, Namikaze", sprach er ihr unterstützend zu und richtete sich schwerfällig auf. Kurz schwankte er, doch schnell fasste er sich und atmete tief durch. Er brauchte seine vollste Konzentration für den Kampf.

,,Pass auf sie auf. Ich habe noch vor, sie zu meiner Frau zu nehmen." Sein Ziel stand fest. Dafür lohnte es sich zu kämpfen. Für seine Freundin und seinen Sohn - für seine Familie. Er würde Obito die Leviten lesen. Dafür, dass er diesen Krieg führte. Dafür, dass er alle in Gefahr brachte. Dafür, dass er seine Kameraden hinterging.

Mit den Knöcheln knackend, verschaffte er sich einen Überblick über das Schlachtfeld: Die Shinobi, die den ehemaligen Hokagen halfen, den Jyubi zu bändigen, doch kläglich scheiterten. Die Jinchuuriki, die sich ebenfalls beteiligten, sich jedoch vor den Fängen des Monsters in Acht nahmen.

Minato beobachtete Kakashi aufmerksam, wie er sich vorbereitete und darauf einstellte, weiter im Krieg zu kämpfen. Es imponierte ihm. Der Mann, der seine Tochter mit Samthandschuhen anfasste und sich sichtlich sorgte, griff zum Kampf, wenn es um ihren Schutz ging. Die kleine Tränenspur auf seinen Wangen hatte der ehemalige Kage dabei nur kurz erhascht, doch die glitzernde Rinne hatte ihn verraten.

Er versuchte, ihn einzuschätzen - zu verstehen, was in ihm vorging, doch so kurz wie dieser Bruch in seinen Mauern entstand, so schnell hatte er die Lücke wieder geschlossen. Minato erkannte ihn nicht wieder: die Regungen und Gefühle, das Offensichtliche und Sorgenreiche, doch er war stolz auf diese Entwicklung. Nie dachte er daran, dass sein Schüler die Einsamkeit überwinden konnte, dass all die Schmerzen ihn irgendwann in die Knie zwingen würden, doch er stand. Er stand noch immer aufrecht mit gestrafften Schultern und war stärker wie je zuvor.

Seine Gefühle waren in diesem Moment so greifbar nah, sodass er ihn am liebsten an sich gedrückt und offiziell in die Familie aufgenommen hätte. Mit offenen Armen hätte er ihn empfangen. Minatos Herz schmerzte, als er an die wenigen Worte dachte: Er wollte seine Tochter zur Frau nehmen. Es schmerzte und erdrückte ihn. Er konnte als ihr Vater nicht anwesend sein. Er würde sie nicht führen und begleiten können. Er würde sie nicht in seine Hände übergeben können.

,,Ich bin froh, dass er es geblieben ist", sprach er leise zu der schlafenden Yuno und streichelte ihre Stirn.

Einst war er skeptisch gewesen, hätte sich diesen Eisklotz nicht an ihrer Seite gewünscht. Er war egoistisch und nervtötend. Kein Kamerad, auf den man sich verlassen konnte. Doch wenn er seine Entwicklung betrachtete, war er unglaublich glücklich über diesen Ausgang.

Er erinnerte sich an die verschiedenen Momente, wenn Kakashi immer bei ihnen aufgetaucht war, wenn er sich hinein geschlichen und bei ihnen übernachtet hatte. Als er eines Tages plötzlich zum Frühstückstisch stieß und seine Kleine in Anspruch genommen hatte. Als er sie vor dem Kyubi beschützte und sie im Arm gehalten hatte. Als er ihre einzige Stütze war und sie nicht allein gelassen hatte.

,,Ich hoffe, du wirst, wenn es soweit ist, Ja sagen." Hoffnung, die er sich selbst einredete. Bevor diese Antwort kam, musste dieser Krieg gewonnen sein und beide mussten überleben. Kakashi kämpfte, Yuno regte sich nicht mehr. Nur ein Wunder brachte den Sieg, aber der Hokage der Vierten Generation würde den Ausgang dieser Geschichte nie miterleben...

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Nächste Woche werden die letzten Kapitel über das Wochenende verteilt kommen^^
Ich schwanke noch, ob ich es Tagsüber oder als Lesenacht mache. Was meint ihr?

Die Wächterin der Bijuu - Dark and Light (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt