Kapitel 10

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Als Hermine am nächsten Morgen erwachte, erwartete sie ein überraschendes Bild. Auf einem Stuhl neben ihrem Bett sitzend schlief Thorin. Er war in eine Decke gehüllt statt seines Umhangs, Orkrist lag auf seinen Knien bereit, der Griff selbst im Schlaf fest in seiner Hand, und der Geruch, den sie seit dem letzten Abend mit ihm verband, hing in der Luft. Als sie nachdenklich, was sie davon halten sollte, dass er nachts in ihr Zimmer gekommen war, den Blick senkte, erkannte sie auch, weshalb sein Geruch so intensiv war. Es war ihre Decke, in die er sich gehüllt hatte, und stattdessen hatte sie dem Anschein nach in seinem Umhang gekuschelt geschlafen. Einerseits war es regelrecht niedlich, dass er über sie wachen wollte und sie lieber mit seinem Umhang zudeckte, aber der Gedanke, dass er das Zimmer betreten hatte, während sie schlief und sie beobachtet hatte, wurde dadurch nicht weniger gruselig. Sie beschloss, ihn zwar zu wecken, die anscheinend notwendige Unterhaltung über gewisse Grenzen jedoch auf einen späteren Zeitpunkt aufzuschieben. Jetzt lag ihr mehr daran, eine Strohfigur mit ihrem Schwert zu verarbeiten, bevorzugt eine mit dem Gesicht Riddles. Die Ereignisse der Nacht stürzten auf sie ein.

Sie ahnte nicht, dass Thorin nichts anderes als ihre Wut über sein Verhalten erwartete, sich aber in der Nacht, als er schlaflos in seinem Zimmer auf und ab gegangen war und den entsetzlichen Schrei des Horkruxes und Hermines Anblick nicht vergessen konnte, nicht anders hatte behelfen können. Der Schrei an sich war nichts besonderes - unerwartet in diesem friedlichen Tal, weshalb jeder, der ihn gehört hatte, sofort los geeilt war, aber ansonsten... Orks, Warge, ein Drache, er hatte oft genug die Schreie von Bestien vernommen, die Warnung vor dem Tod. Es war die Erkenntnis, in was für einer Gefahr Hermine sich befunden hatte, als sie diese Ding mit sich getragen hatte und in welcher Gefahr sie sich auch in ihrer Welt befunden haben musste, wenn das ihr Gegner war. Es fiel ihm schwer, aber er konnte dem Eingeständnis nicht entgehen, dass er Angst um sie hatte.
Sie hatte ihnen nach dem Vorfall mit den Trollen ein wenig über sich erzählt und auch erwähnt, dass sie gejagt worden war und vermutlich nur durch ihr unerklärliches Erscheinen in Mittelerde der Gefangenschaft entgangen war, aber es waren doch nur Menschen gewesen. Sie würden Gefangenen sicherlich nichts antun, so wie die Orks es taten, und sie gehen lassen, sobald der Konflikt beigelegt war - so geschah es doch ständig in Dörfern, wenn die Bewohner mit dem Dorfvorsitzenden unzufrieden waren. Erst der Schrei, so voller Bosheit und Hass, brachte ihm die Erkenntnis, dass in einer Welt voller Menschen, ohne gemeinsame Feinde, die Menschen selbst zu den Monstern wurden, die sie hier zu bekämpfen suchten. Und sobald er die Augen schloss, um Schlaf zu finden, sah er sie vor sich, in der Gefangenschaft von Orks mit menschlichen Gesichtern, und musste sich überzeugen, dass es ihr gut ging.
Also war er in ihr Zimmer geschlichen, wenn gleich nicht das größte Talent der Zwerge, und hatte eine Weile neben ihr Wache gehalten, bis seine Gedanken sich beruhigten. Er entschied gerade, sich abzuwenden und zu gehen um ihren Zorn nicht auf sich zu ziehen, als sie sich bewegte und die Decke das elbische Nachthemd enthüllte. Wieder diese Elben, immer und überall. So vorsichtig wie möglich hatte er ihr die Decke entwunden und stattdessen seinen Umhang über ihr ausgebreitet, und es hatte ihn ganz bestimmt nicht berührt, als sie den Stoff mit einem Seufzen enger an sich drückte. Aber mit ihrem fahlen, leblosen Ausdruck noch vor wenigen Stunden vor Augen, fiel es ihm umso schwerer, sich ihrer zu erwehren.
Zufrieden mit dem Bild, dass sie nun bot, hatte er einen Stuhl an das Bett getragen, sich ihre Decke umgehängt und die Nase für einen Moment in die Falten gedrückt. Er wusste, dass er sich etwas vor machte, ganz gleich was zwischen ihnen vor fiel und wie er ansonsten über sie dachte - sie war sein. Ihre Fremdartigkeit hatte ihn betört und er würde sie nicht wieder gehen lassen, ehe er ihrer überdrüssig wurde. Er hörte nicht auf die Stimme, die ihm sagte, sie würde es bevorzugen wenn das nie geschehe.
Mit Orkrist in der Hand hatte er so lange über sie gewacht, bis es dem Schlaf endlich gelang, ihn zu übermannen.

Als sie ihn Stunden später weckte, wusste er nicht, wie er ihren Gesichtsausdruck deuten sollte, nahm es aber als gutes Zeichen, dass sie ihn nur leicht gerüttelt und seinen Namen genannt hatte, statt ihm eine Waffe an die Kehle zu halten. Dennoch, ganz Wohl war ihm nicht bei dem Gedanken, sein Handeln rechtfertigen zu müssen. Er musste sich vor niemandem rechtfertigen, auch nicht vor ihr, und abgesehen von einem pathetischen 'Ich hatte Angst um dich', was er nicht zugeben würde, wüsste er sowieso nicht, was er sagen sollte.
"Guten Morgen", war daher das einzige, was er zustande brachte, während er so tat, als ob nichts ungewöhnliches an der Situation war. Vom Schlaf noch belegt war seine Stimme tiefer als sonst, weshalb er sich räusperte, nicht weil ihr andauerndes Schweigen ihm Unbehagen bereitete. Es sah jedoch so aus, als würde er an diesem Morgen von einem Streit verschont bleiben, denn nach einigen Minuten begann Hermine zu lächeln.

"Ich weiß eure... deine Fürsorge zu schätzen, Thorin, aber über nächtliche, unangekündigte Besuchen müssen wir uns unterhalten", sagte sie schließlich, auch wenn ihnen beiden bewusst war, dass das Thema sowieso nicht lange von Bedeutung wäre. Sobald sie wieder in der Wildnis wären, gab es keine Privatsphäre in dem Sinne mehr, die es zu wahren galt. "Aber nicht jetzt. Ich habe Hunger und will weiter trainieren. Denkst du, die anderen hätten Lust, sich mir anzuschließen? Es wäre doch eine gute Ausrede, sich mit den Elben zu messen..." Thorin nahm ihre Vorlage gerne an, um das Thema zu wechseln und ihre Geduld nicht zu strapazieren.

"Ich werde es ihnen genau so vorschlagen, beschuldige hinterher nicht mich, wenn deine neuen Freunde verletzt werden." Möglicherweise würde er selbst die Gelegenheit wahrnehmen, den beiden Elben eine Lektion zu erteilen, sich von Hermine fern zu halten. Zuerst jedoch würde er den Zwergen von den Erkenntnissen, oder eher der Hoffnung auf Erkenntnisse, des gestrigen Abends berichten. Sie alle standen an seiner Seite um den Berg zurück zu erobern, sie alle sollten ihre Meinung dazu sagen dürfen, ob sie bleiben sollten, bis die Runen sichtbar waren, oder los ziehen und hoffen, dass sie sie würden lesen können.
Als er sich erhob und nach seinem Umhang griff, kam Hermine ihm jedoch zuvor und zog ihn blitzschnell unter seinen Fingern weg. Unter seinem fragenden, die Antwort jedoch implizierenden Blick senkte sie den Kopf und sah mit leicht betretener Miene den Umhang, während sie ihn an sich drückte.

"Kann ich... dürfte ich... ihn noch eine Weile behalten?", murmelte sie leise und kam sich wahrlich idiotisch dabei vor. Wie hatten Lavender und Parvati es gemacht, dass sie die Shirts ihrer Freunde als Nachtwäsche getragen hatten? Hatten sie sie einfach genommen, ohne zu fragen, oder lag es an ihr, dass die Frage so seltsam klang? Würde Thorin verstehen, was sie sich nicht getraute laut auszusprechen, um es nicht noch wirklicher werden zu lassen? Der Gedanke, seinen Umhang zu tragen und sich darin ein kuscheln zu können, wohin sie auch ging war angenehm und beruhigend. Es war eine weniger gefährliche Variante dessen, was sie sich immer besser vorstellen konnte: Von ihm gehalten werden und sich in seinen zweifellos starken Armen sicher zu fühlen.
Zu ihrem Glück musste sie ihm nichts erklären, er schien genug zu verstehen und sein Blick wurde weicher, weniger herausfordern, ihm etwas einzugestehen, sondern verstehend, dass es für sie ebenso schwer war wie für ihn. Kurz berührte er ihre Finger, die den Saum des Umhangs umklammert hielten und ließ seinen Daumen über ihre Hand gleiten. Wie schon zuvor brachte seine Zärtlichkeit ihr Herz dazu, schneller zu schlagen, aber diesmal war sie in der Lage zu reagieren, bevor er sich wieder zurück zog. Mit zitternden Fingern ergriff sie seine Hand und drückte sie leicht, ehe sie sie an ihr Gesicht hob und ihre Wange an seine Hand schmiegte. Sie wagte es nicht, ihm in die Augen zu sehen, daher entging ihr der Moment, als er die Augen schloss und es schien, als würden die Jahre der Heimatlosigkeit von ihm abfallen. Er war nicht nur ein harter Krieger, ein stolzer Prinz und ein rachsüchtiger Verstoßener - er war auch ein Mann, der den Wunsch nach einer Familie hegte, die sein Zuhause unter dem Berg teilen würde, auch wenn dieser Wunsch tief verborgen war.

"Solange du willst", brummte er leise und entzog ihr sanft seine Hand, strich jedoch noch einmal flüchtig über ihre Wange, ehe er sie wirklich zurück zog und den Raum wieder einmal viel zu fluchtartig verließ. Er ertrug es nicht, wie sie ihn in Aufruhr brachte und lange aufgegebene Sehnsüchte weckte. Es zog sein Herz schmerzlich zusammen ihr vertrauensvolles Verhalten zu sehen, und plötzlich ertrug er ihre Nähe nicht mehr.
Hermine wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, als er sie so abrupt verließ, beschloss jedoch, dass es das vernünftigste war, was auch immer seine Gründe gewesen sein mochten. Und er hatte ihr den Umhang überlassen, den sie von nun an tragen würde, ganz gleich, wie die Elben oder Zwerge drüber denken würden.

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Das Frühstück war deutlich entspannter, da viele Elben es bevorzugten früher aufzustehen und daher nur einige Langschläfer zusammen mit den Zwergen am Tisch saßen, die zur ersten Mahlzeit des Tages weniger zu meckern hatten. Statt wie beim Abendessen über den Mangel an Fleisch und die Mengen an Gemüse zu schimpfen, waren Brot und Früchte am späten Morgen anscheinend durchaus willkommen. Dies war ihr am Tag zuvor nicht aufgefallen, da sie aufgrund des Trainings auf das Frühstück verzichtet hatte und die Zwillinge erst später etwas aus der Küche organisiert hatten. Wie gut, dass sie sie gestern darum gebeten hatte, sie nach der Begegnung mit dem Horkrux ausschlafen zu lassen, sonst hätte die Situation in ihrem Zimmer ungemütlich werden können. Nachdem Thorin gegangen war, hatte sie noch eine Weile im Bett gesessen und darüber nachgedacht, wie es auf die Elben gewirkt hätte, hätten sie sie gesehen. Sie lächelte amüsiert, während sie sich nach Bilbo umsah, um sich neben ihn zu setzen und bemerkte nur langsam, dass es seltsam still geworden war, als sie sich dem Tisch näherte. Unsicher zupfte sie an Thorins Umhang, den sie über ihre elbische Robe gelegt hatte und wich den Blicken der Zwerge aus, so gut es ging. Dabei handelte es sich um kein leichtes Unterfangen, denn die Reaktion eines Zwerges wollte sie sehen. Thorin saß zwischen Fili und Kili, denen die Augen aus dem Kopf zu fallen schienen, als sie den Umhang als den ihres Onkels erkannten. Wenn das bedeutete was sie dachten, hatten sie wohl keine Chance mehr. Jung wie sie waren, machten sie sich darüber keine Gedanken und klopften stattdessen Thorin breit grinsend auf die Schulter. Das Grinsen verging ihnen aber sofort, als sie seinen starren Gesichtsausdruck bemerkten.

"Macht euch nicht lächerlich", knurrte er ihnen zu und drehte ihre Köpfe wieder ihrem Essen zu. Nur einige wenige der Zwerge, die sich davon nicht von ihrer Neugier abhalten ließen - Bombur und Bifur, sowie Balin - und Bilbo, neben dem Hermine inzwischen Platz genommen hatte, bemerkten den Anflug eines Lächelns und die Neigung des Kopfes in ihre Richtung. Er war zufrieden, dass sie seinen Umhang trug und sich nicht versteckte.
Trotzdem legte sie keinen Wert darauf, ihre Privatangelegenheiten mit allen Zwergen zu teilen, weshalb sie Bilbo unterbrach, als er "Ist das nicht der Umhang von" sagte.
"Ist es. Aber ich will hier nicht darüber reden. Zu viele Ohren." Unter ihrem bezeichnendem Blick hatte Bofur den Anstand rot zu werden und sich ab zu wenden, aber sie grinste ihn fröhlich an. Nach der schrecklichen Erfahrung des letzten Abends fühlte sie sich heute, nach der kurzen Zweisamkeit mit Thorin, als wäre die Welt ein besserer Ort. Sie hatte sich nur kurz gewundert, weshalb Harry nie erzählt hatte wie es war, einen Horkrux zu vernichten, bis ihr klar wurde, dass das Tagebuch sich nicht so verhalten haben würde. Der Geist war schon längst aus dem Gegenstand gewichen und dabei gewesen, die Verbindung zu trennen, sodass er dem Anschein nach einfach nur ein Mensch oder Geist gewesen war, keine kreischende Gestalt aus einem Albtraum.

Nach dem Frühstück, während die Zwerge weiter unnatürlich still blieben, obwohl ihnen anzusehen war, dass einigen von ihnen unangebrachte Kommentare auf der Zunge lagen, die sie nicht getrauten auszusprechen, zog Hermine Bilbo mit sich aus dem Saal. Im Vorbeigehen rief sie Thorin noch zu: "Denk daran, ihnen von meinem Vorschlag zu erzählen. Wir werden auf dem Platz sein, sobald wir Elladan und Elrohir gefunden haben."

Erst als sie einen leeren Gang erreichten und langsam und gemächlich nach den Zwillingen suchten - Hermine wollte genug Zeit haben, um Bilbo das nötigste zu erzählen - wurde die Neugier des Hobbits befriedigt. Hermines Hauptaugenmerk lag dabei weniger darauf, den Hobbit in ihr Liebesleben einzuweihen, auch wenn es schön wäre, jemanden zum Reden zu haben, sondern vielmehr darauf, ihn auf die Möglichkeit vorzubereiten, dass sie mehr Zeit mit Thorin verbringen würde. Er sollte nicht denken, dass sie ihn vergaß oder gar Thorins Verhalten ihm gegenüber gut hieß.

"Thorin und ich, nun ja, wir hatten eine Unterhaltung. Eigentlich hat es damit angefangen, dass er sein übliches freundliches Selbst war und ich ihm meine Meinung gesagt habe, aber..." Sie seufzte. Wie sollte sie jemandem etwas erklären, was sie selbst noch nicht so richtig verstand. Unterdessen sah Bilbo schon nach diesem Anfang so aus, als befürchtete er das schlimmste. Er hatte die Hände in den Taschen seiner Jacke vergraben und begann, hinter ihr zurück zu fallen, sodass Hermine stehen blieb. "Wir haben festgestellt, dass eine gewisse Spannung zwischen uns besteht, die nicht nur auf unsere Meinungsverschiedenheiten zurück zu führen ist, sondern auch darauf, dass wir beide ein gewisses Interesse am jeweils anderen haben. Und wir haben beschlossen zu versuchen, einander näher kennen zu lernen, und sei es nur, um uns zu beweisen, dass dieses Interesse nur situationsbedingt ist. Das würde es deutlich einfacher machen, denn momentan weiß ich einfach nicht, wo mir der Kopf steht." Sie lachte leise, da Bilbo bei dieser ungewohnten Redewendung sogleich auf ihren Kopf gedeutet hatte und verwirrt drein blickte, wie sie ihren Kopf vergessen haben könnte. Gleich darauf wurde sie aber wieder ernst. "Aber warum ich dir das erzähle... Es wird ziemlich offensichtlich sein, wenn wir versuchen, besser miteinander auszukommen und mehr Zeit, oder überhaupt Zeit, in der Nähe des anderen verbringen."

Bei diesen Worten sank Bilbos Hand wieder und auch sein Blick richtete sich zu Boden. "Hast du dann keine Zeit mehr für mich? Ich dachte...", brach er kläglich ab und der Gedanke, in Bruchtal zurück zu bleiben wurde plötzlich sehr verlockend.

"Natürlich nicht!" Hermine zog den Halbling in einer Umarmung und wuschelte durch seine Haare. "Du bist mein Freund. Ich lasse meine Freunde nicht im Stich. Ich werde immer für dich da sein und ganz bestimmt auch nicht zulassen, dass Thorin dich ständig beleidigt. Wir werden dafür sorgen, dass die Zwerge dich ernst nehmen und dann wird es ihnen leid tun, jemals abfällig über dich gesprochen zu haben. Warts nur ab!" Ihre Ausgelassenheit hatte Erfolg und brachte das fröhliche Gesicht eines Hobbits direkt nach dem Essen wieder zum Vorschein. "Und deswegen werden wir jetzt unsere Lehrer suchen", rief Hermine noch, ehe sie den Gang hinunter lief, sodass Bilbo hinter ihr her rennen musste.

Völlig außer Atem klopften sie schließlich an die Tür zu Elladans Gemächern und lehnten sich gegen die Wand, während sie auf Antwort warteten. Diese kam ihrer Meinung nach viel zu schnell in Form beider Zwillinge, die sie spöttisch musterten.

"Was habt ihr Langschläfer getrieben, dass ihr jetzt schon um Luft ringen müsst? Wie sollt ihr denn da eure Übungen hinter euch bringen?", lautete ihre neckende Begrüßung. "Geht es dir wieder besser?", erkundigte Elrohir sich aber gleich darauf und musterte sie kritisch, wobei sein Blick besonders lange auf auf dem Umhang weilte, der ihre Robe zu großen Teilen verdecke. "Die Wahl deiner Kleidung könnte einen daran zweifeln lassen, dass du dein gestriges Abenteuer unbeschadet überstanden hast." Aber seine Stimme war freundlich und nahm den Worten ihre Spitze. Eigentlich interessierte ihn nur, wie es zu dem seltsamen Ensemble kam und auch sein Bruder wartete gespannt auf eine Erklärung.

Hermine fühlte sich dennoch von ihren Worten in die Lage versetzt, sich und ihre Entscheidungen rechtfertigen zu müssen, was ihr überhaupt nicht gefiel. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. "Er hat ihn mir geliehen" war die einzige Antwort, die sie bekommen würden, denn sie hatte wirklich keine Lust, mit den Elben über den Sinn und Unsinn ihrer... Freundschaft... zu einem Zwerg zu diskutieren und warf daher Bilbo einen bittenden Blick zu. Der schloss den Mund sofort, da er gerade hatte Ansetzen wollen, das ihm erzählte wiederzugeben. "Außerdem ist es nicht so, als ob ich besonders große Auswahl hätte. Vielleicht könnt ihr mir dabei behilflich sein? Ich wäre gern vorbereitet für den Zeitpunkt, an dem Thorin beschließt aufzubrechen. Ich glaube nicht, dass er es zu schätzen wüsste, wenn ich erst dann anfange, mich vorzubereiten." Sie stoppte um Luft zu holen. "Aber eigentlich sind wir her gekommen, um zu fragen, ob ihr uns weiter im Kampf mit unseren Waffen unterrichten würdet."

Zustimmend nickte Bilbo. "Thorin wäre es bestimmt lieber, ich würde nicht weiter mit ihnen reisen, aber ich habe seinen Vertrag unterzeichnet und will ihn nicht in seinen Annahmen über uns Hobbits bestätigen. Ich würde aber auch nur ungern als Abendessen für einen Ork oder dergleichen enden..." Seine anfangs noch feste Stimme wurde zum Ende hin immer leiser, bis sie verstummte.

"Keine Sorge, kleiner Hobbit. Solange ihr hier seid, werden wir euch unterstützen." Die Elben hatten anscheinend auch schon mit ihnen gerechnet, denn sie waren beide bewaffnet und nahmen ihre Lehrlinge daher sogleich zwischen sich. Sie mussten ein wahrlich seltsames Bild abgeben, als sie auf diese weise auf den Übungsplatz traten.

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Für eine Weile ließen die Zwillinge sie bestimmte Angriffs- und Abwehrbewegungen ausführen, die Hermine besonders schwer fielen, da ihre Koordination mit links deutlich schlechter war und die Abläufe eine gewisse Präzision voraussetzten. Da der Anspruch aber nicht war, sie zu Meistern im Kampf zu machen, sondern sie zu befähigen, ihr Leben zu schützen, nahm keiner daran Anstoß. Wenn es ihnen gelänge, einen Gegner auszuschalten, wäre es nur ein Bonus, es würde aber vollkommen ausreichen, ihn so lange zu beschäftigen, bis einer der Zwerge die Gelegenheit hätte, ihnen zu helfen. Dadurch müsste niemand mehr auf sie aufpassen und sie könnten sogar die Anzahl der Gegner der Zwerge durch ihre bloße Beteiligung am Kampf verringern.

Erst als die Elben deutliche Verbesserungen in den Bewegungsabläufen erkannten, ließen sie sie aufhören und traten ihnen gegenüber. "Versucht, euch so gut ihr könnt zu verteidigen und macht euch keine Sorgen darum, was passiert, wenn ihr es nicht schafft. Wir glauben nicht daran, dass Schmerzen helfen, schneller zu lernen und werden euch nur kurz berühren, um den Treffer anzudeuten." Zum Zeichen, dass sie verstanden hatten, nickten die beiden. Zum Sprechen waren sie viel zu nervös und Hermine dachte nur noch, dass die Zwerge es vermutlich anders gehalten hätten, bevor sie ihr Schwert hoch reißen musste, um den ersten Angriff klirrend abzuwehren.
Elladan und Elrohir beschränkten sich die meiste Zeit auf einfache, langsame Angriffe, um ihre Schüler nicht zu entmutigen und bedienten sich nur selten ihrer wirklichen Fähigkeiten, um sie weiter an zu spornen. Ihre beiden Schüler stellten sich gar nicht schlecht an, auch wenn ihre Bewegungen alles andere als elegant waren. Sie konzentrierten sich einzig darauf, das Schwert in ihrer Hand in den Weg des Schwertes zu bringen, das auf sie zu rauschte, womit sie für sich selbst überraschend gute Erfolge erzielten. Wann immer es ihnen nicht gelang, bremsten die Elben ihre Klingen und berühren sie nur leicht an der Stelle, die sie getroffen hätten und kommentierten die Auswirkungen einer solchen Verletzung.
Nach ihrem vierten Tod - Hermine konnte nicht anders als mit zu zählen - und dem siebten Mal, dass sie ihren Arm verlor, bemerkte sie Kili, Fili, Dwalin, Dori und Thorin selbst, die sich am Rand des Platzes versammelt hatten und allesamt bewaffnet waren. Bei ihrem fünften Tod wusste Elrohir einen Moment lang nicht, wie ihm geschah, als er plötzlich von zwei jungen Zwergen angesprungen und von Hermine weg gezerrt wurde. Kili und Fili hatten ihren Onkel beobachtet, der wiederum Hermine nicht aus den Augen ließ und hatten dadurch gesehen, wie sich seine Miene angesichts ihres neuerlichen Todes verdunkelte. Was erlaubte der Elb sich, sie mit seiner Klinge zu berühren? Er wusste, es war irrational und er sollte den Elben danken dafür, dass sie taten, was er selbst versäumt hatte, da er damit beschäftigt gewesen war, sich über die zusätzlichen Mitglieder seiner Gruppe zu ärgern.
Es munterte ihn allerdings keineswegs auf zu sehen, wie der Elb problemlos mit Kili und Fili zugleich kämpfte und auch der andere, den Dori und Dwalin inzwischen angegriffen hatten, nicht in Bedrängnis kam. Den Umstand, dass die Elben Jahrhunderte oder gar Jahrtausende Zeit hatten, um ihre Fähigkeiten zu erwerben, tröstete ihn nicht. Mit Orkrist in der Hand stapfte er über den Platz, mit dem Ziel, Hermine zu beweisen, dass die Elben ihnen nicht überlegen waren. Er konnte nicht ahnen, dass es Hermine nie in den Sinn gekommen wäre, ihnen eine Niederlage vor zu halten. "Kili, Fili!" Die beiden Zwerge warfen nur einen Blick in seine Richtung und zogen sich sofort zurück. So wie er drein blickte, wollten sie ihm wirklich nicht im Weg stehen. Eine sehr weise Entscheidung.

Sie waren gerade erst aus dem Weg gesprungen und sich zu Hermine gesellt, die sich mit Bilbo an den Rand des Platzes gerettet hatte, als Thorin Elrohir erreichte. Während der Kampf zwischen Dori, Dwalin und Elladan die Behauptung der Elben, Zwerge währen zwar stark aber langsam, untermauerte, sah es bei Thorin etwas anders aus. So wie auch Kili und Fili, denen es aber noch an Erfahrung mangelte, machte er sich den Vorteil aus seiner Waffenwahl - einem Schwert und nun mit Orkist sogar einem leichteren als zuvor - zu nutze und verließ sich nicht rein auf seine Kraft. Unter seinem ersten Angriff wich Elrohir einen Schritt zurück, um nicht umgeworfen zu werden.

Das helle Klirren der elbischen Klingen erfüllte den Hof und Elladan und die beiden Zwerge hatten ihren Kampf längst unterbrochen um zusammen mit den anderen dem Kampf zuzusehen. Nach und nach gesellten sich weitere Elben und die übrigen Zwerge zu ihnen und keiner sprach ein Wort, während Thorin all seine Frustration über seine Unfähigkeit, Hermine aus seinen Gedanken zu verbannen, oder seine Unzulänglichkeiten, die es verhindern würden, dass sie ihn jemals als Partner akzeptieren könnte, an Elrohir ausließ. Er wollte es wäre das erste, wusste aber, dass er in seinem momentanen Geisteszustand aufgrund des zweiten verzweifeln könnte. Sie mochte jetzt Interesse an ihm haben, da alles neu und aufregend für sie war, oder weil sie zu den Frauen gehörte, die sich einen Mann suchten, den sie dann ändern könnten. Aber sobald die Neuheit verflog oder sie merkte, dass es nichts an ihm zu ändern gab, würde sie das Interesse ebenso schnell wieder verlieren, da war er sich sicher. Jedem dieser Gedanken folgte eine Kombination von Hieben, die der Elb zu seinem Frust alle gekonnt parierte. Er jedoch wurde immer sicherer, dass er tatsächlich etwas für sie empfand, dass über Faszination hinaus ging, sonst wäre der Drang, sie zu beschützen, niemals so groß. Aber genau das wollte er, sie in seine Arme schließen und nie wieder gehen lassen, damit niemand ihr etwas antun könnte, weder die Elben noch die Orks oder sonstigen Monster, die ihnen noch auf dem Weg begegnen würden. Würde er den Elben nicht so sehr misstrauen, wäre es vermutlich logischer, sie in Bruchtal bleiben zu lassen, aber weder tat er das, noch hatte sie so geklungen, als ob sie gewillt dazu wäre. Sie hatte fest geplant, ihnen zu helfen, etwas, zu dem - von Gandalf und dem seltsamen Hobbit abgesehen - niemand bereit war, nicht einmal ihre eigene Rasse. Die meisten Zwerge hatten zu viel Angst vor dem Drachen und hatten sich mit ihrem Leben in den blauen Bergen abgefunden, ganz im Gegensatz zu ihm. Er hatte nicht rasten können, auch nachdem seine Schwester und ihre Söhne versorgt waren und hatte nie auf Dis gehört, wenn sie ihm riet, sich eine Frau zu suchen und sich nieder zu lassen. Sie wäre überrascht wenn sie wüsste, was für Gedanken er momentan hegte.
Er nahm überhaupt nicht wahr, wie viele Leute sich inzwischen um den Kampf versammelt hatten und hielt erst inne, als der Magen des Hobbits laut vernehmlich in der Stille knurrte. Ein deutliches Zeichen dafür, dass es Zeit für eine Mahlzeit wurde und das Lachen der Zwerge riss Thorin endlich aus seinen Gedanken. Genauso plötzlich, wie er begonnen hatte, endete der Kampf auch und die Zuschauer gingen wieder ihrer Wege, während Thorin Elrohir anstarrte. Erwartete der Elb, dass er etwas zu ihm sagte, nachdem er ihn als Sandsack benutzt hatte? Würde Hermine mit ihm schimpfen, oder ihn für kindisch halten, wenn er einfach ging? Doch der Elb lächelte ihn leicht an und sah hinüber zu der Zwergengruppe, in deren Mitte der Grund für seinen Frust stand.

"Ich verstehe. Gib gut auf sie acht", war das einzige was er sagte, bevor er sich umdrehte und zu der Versammlung lief. "Ich denke, für heute sollten wir es ruhen lassen. Wir können morgen weiter machen", sagte er zu Hermine und Bilbo, die zustimmend nickten. Bilbo hatte Hunger und auch Hermine hätte nichts gegen einen Bissen einzuwenden.

"Sehr gern, begleitet ihr uns zum Essen? Ich dachte, es wäre vielleicht eine gute Idee, einige feste Ausdrücke in Sindarin zu lernen, für den Fall, dass wir im Düsterwald nicht ungestört bleiben." Sobald die beiden Elben angedeutet hatten, die Idee für sinnvoll zu halten, war Hermine wieder in ihrem Element. Sie winkte den Zwergen nur zu, während sie aufgeregt redend Richtung Küche ging und warf auch Thorin nur einen kurzen Blick zu. Der jedoch genügte, um ihr Herz einen Sprung machen zu lassen. Sein Blick war so dunkel und besitzergreifend, dass sie nur durch Bilbos zupfen an ihrem Arm wieder geradeaus sah und nicht zurück zu Thorin rannte.

The Story of a Witch in Middle EarthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt