Interlude 4

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"Ron, was tust du denn hier?" Harry war sichtlich überrascht, seinen Freund hier zu sehen. Genau genommen war er nicht nur überrascht ihn hier zu sehen, sondern von der grundsätzlichen Implikation, dass Ron ganz von alleine erkannt hatte, wie unangebracht sein Verhalten wieder einmal gewesen war. "Und woher wusstest du, dass ich hier sein würde?"

"Dobby hat ihn hergebracht, Master Harry Potter, Sir", quiekte Dobby beunruhigt. "Harry Potters Freund hat nach Dobby gerufen und Dobby dachte, es wäre in Master Harrys Sinn, wenn sein Freund wieder bei ihm wäre." Kreacher war dagegen gewesen, aber Dobby wusste, wie wichtig Harry seine Freunde waren. Trotzdem war er sich jetzt nicht mehr so sicher, ob er hätte handeln sollen, ohne Harry vorher zu fragen.

"Ist schon in Ordnung, Dobby. Warte das nächste Mal bitte, bis du mit mir geredet hast. Es ist ein Glück, dass ihr gerade jetzt gekommen seid, da ich raus gekommen bin, um euch einen Auftrag zu geben." Er warf Ron einen Blick zu um ihn zu bitten, noch einen Moment Geduld zu haben, aber Ron beachtet ihn überhaupt nicht, sondern starrte über Harrys Schulter auf die Tür, als erwarte er, dass jeden Moment jemand heraus kommen würde. Harry folgte seinem Blick prüfend, doch die Tür blieb wie erwartet verschlossen.
"Kreacher, ich möchte, dass du verschiedene Bücherläden - auch die in der Nokturngasse - nach Büchern absuchst, in denen Rowena Ravenclaw erwähnt wird, insbesondere solche, die möglicherweise Informationen über ihr Diadem enthalten könnten. Falls es irgendwie geschafft haben sollte, das Diadem in die Finger zu bekommen, wäre es der ideale Horkrux." Er überreichte Kreacher einen Beutel mit Galleonen und der alte Elf strahlte angesichts der Verantwortung, die sein Herr ihm übertrug. Mit einem 'Plop', das beinahe selbst wie ein Ausdruck der Freude klang, verschwand er. Dobby erhielt ebenfalls einen Geldbeutel, den er mit zittrigen Fingern umklammerte. Jedes Mal wieder, wenn er vor Harry stand, wurde er so aufgeregt und konnte gar nicht glauben, dass er dem großen Harry Potter helfen konnte und so gut von ihm behandelt wurde. "Die Vorräte gehen zur Neige. Ich war nie in der Zaubererwelt einkaufen, also kauf einfach alles, von dem du denkst, dass ihr beiden daraus etwas Essbares für die nächsten Wochen machen könnt." Dobby nickte verstehend und verschwand genauso enthusiastisch wie Kreacher.
"Sorry, Ron, ich sollte nicht so lange hier draußen bleiben, deswegen wollte ich den beiden erst sagen, was sie erledigen sollen", wandte Harry sich nun endlich an seinen Freund. Der war inzwischen schon wieder leicht rot angelaufen.

"Wo ist Hermine? Hast du sie etwa in deinem Verlies eingesperrt?", wollte er lautstark wissen und Harry aktivierte schnell einen der Schutzzauber, die er in den letzten Tagen gelernt hatte, der im Gegensatz zum Muffliato verhindern würde, dass überhaupt jemand bemerken würde, dass sie sprachen. Sieden heiß wurde ihm klar, dass er Ron würde erklären müssen, dass Hermine sehr wahrscheinlich in den Händen der Todesser war und dass er nichts hatte tun können, um sie zu retten. Aus genau diesem Grund hatte er verdrängt, weshalb sie nicht an seiner Seite war - er würde sich Vorwürfe machen, aber nichts an der Situation ändern können.

"Es tut mir Leid, Ron." Er ließ den Kopf hängen, konnte den Anblick seines besten Freundes nicht ertragen, der mit jeder Sekunde aufgebrachter wirkte. "Nachdem du weg warst.. Die Greifer haben uns gefunden. Hermine hat sie abgelenkt, so dass ich entkommen konnte." Ein toller Gryffindor war er gewesen, aber so sehr er es auch hasste: Sein Leben war mehr wert als ihres, da ohne ihn der Krieg verloren wäre. Sein Kopf fuhr herum und seine Hand flog an seine Wange, die schmerzhaft zu pochen begann. Irgendwie überraschte es ihn nicht, dass Rons Antwort auf seine Worte ein Schlag ins Gesicht waren. Die Aussage, die es über ihre Freundschaft machte, war eine ernüchternd traurige.

"Du hast sie einfach zurück gelassen und dich hier verkrochen? Du solltest da draußen sein und versuchen sie zu retten! Du hättest dem Orden Bescheid sagen sollen, du hättest mir Bescheid sagen sollen!" Er griff Harry am Kragen und schüttelte ihn, was dieser noch wehrlos über sich ergehen ließ, da er hoffte, dass Ron ihn sich erklären lassen würde, wenn er den ersten Schrecken überwunden hatte.

"Ron, ich konnte nichts tun. Sie hat mich schwören lassen, nicht zu versuchen sie zu retten, wenn so etwas passieren sollte", versuchte er, zu seinem Freund durchzudringen, doch ohne Erfolg.

"Dann hättest du deinen Schwur gebrochen, sie würde es dir danken!" Wieder schüttelte Ron Harry, der endlich genug hatte und sich los riss.

"Tot würde ich ihr kaum etwas nützen. Es war ein unbrechbarer Schwur - ganz gleich ob sie es sich jetzt anders überlegt, ich kann ihr nicht helfen." Er entfernte sich mehrere Schritte von Ron und sah ihn voller Entschlossenheit an. "Hätte ich es dir gesagt, wärst du doch bestimmt losgestürmt und ebenfalls gefangen genommen worden, das würde sie nicht wollen. Die einzigen, die etwas hätten machen können, wären die Mitglieder des Ordens. Aber nachdem Dumbledore tot ist.. an wen sollte ich mich wenden? McGonagall ist in Hogwarts, ich kann nicht mir ihr in Kontakt treten. Deine Eltern werden sicher auch gut beobachtet, wo Lupin ist, weiß ich auch nicht. Wen sollte ich benachrichtigen? Wer wäre in der Lage dazu, etwas zu machen und würde nicht bedauernd mit dem Kopf schütteln und dann die gleiche Schuld tragen wie ich?" Er war allein und er würde niemanden mehr in Gefahr bringen. Er würde Voldemort besiegen und wenn es das letzte war, was er tat. Wäre nur der Horkrux nicht mit Hermine verschwunden, wäre er so kurz davor.

Aber Ron wollte es nicht verstehen. Der Gedanke, was die Todesser mit Hermine machen würden, verhinderte jeden klaren Gedanken und seine alte Abneigung dagegen, die Wichtigkeit von Harrys Aufgabe anzuerkennen, machte es ihm nicht leichter. "Warum hast du das getan? Wieso hätte sie so etwas machen sollen?!" Er hielt sich jedoch zurück und griff Harry nicht erneut an, sondern drehte sich zur Seite der Gasse und schlug mit der Faust gegen die begrenzende Mauer, eine Handlung, die er sofort darauf bereute, als der Schmerz einsetzte.

Harry legte ihm eine Hand auf die Schulter, versuchte seinen Freund zu beruhigen, auch wenn er fürchtete, wenig Erfolg damit zu haben. "Sie hat es getan, weil ich nicht sterben darf, bevor Voldemort besiegt ist, laut der Prophezeiung haben wir keine andere Chance, den Krieg zu gewinnen. Und ich habe zugestimmt, weil ich akzeptieren muss, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als dieses Schicksal anzunehmen. Glaub nicht, dass ich es gern gemacht habe." Er konnte spüren, wie Ron vor Anspannung zitterte. "Die Kobolde haben sich bereit erklärt mir zu helfen, wir haben schon einen weiteren Horkrux gefunden und ihn zerstören können. Ich habe jetzt etwas, um sie zu vernichten und dann können wir gewinnen!" Doch sein Enthusiasmus war zu gepresst, um Ron überzeugen zu können, der bemerkte, dass Harry kein Wort über die verfluchte Kette verlor, die ihnen so viele Probleme gemacht hatte.

"Was ist mit dem Horkrux, den wir gefunden haben? Hast du ihn auch zerstört?" Und ihm entging auch nicht, wie Harrys Hand bei diesen Worten entkräftet von seiner Schulter glitt. "Sag nicht, dass du es geschafft hast, ihn zu verlieren?", sprang Ron sofort zu Annahmen und Anschuldigungen über. "Kannst du denn gar nichts alleine machen?!"

Das Seufzen, das Harry entwich, war das einzige Zeichen für die Enttäuschung über seinen Freund, das er zu erkennen gab. "Hermine trug ihn bei sich, als sie verschwunden ist. Wir können nur hoffen, dass die Todesser ihn nicht erkennen und Hermine ihn irgendwie verbergen kann, sollte sie ihm vorgeführt werden."

Er kam nicht einmal dazu, zu ende zu reden, da hatte Ron sich schon umgedreht um erneut davon zu stürmen und ihn mit seiner Aufgabe allein zu lassen. "Ich frage mich wirklich, wieso wir dachten, wir hätten eine Chance. Wären wir dir nicht gefolgt, wäre Hermine jetzt bei mir und nicht in Lebensgefahr!"

Aber Ron kam nicht weit, die leisen Worte Harrys ließen ihn erstarren: "Oder besser gesagt.. ich kann nur hoffen. Es tut mir Leid, Ron. Obliviate." Es schmerzte ihn, Ron so etwas an zu tun und mit seinen Erinnerungen zu spielen, aber er sah keinen anderen Weg. Er konnte nicht riskieren, dass Ron versuchte, Hermine zu retten und dabei selbst in die Hände der Todesser geriet und ihnen erzählen könnte, wo er sich versteckte. Und er konnte auch nicht riskieren, dass Ron diese Informationen in einem seiner Wutanfälle irgendjemand anderem verriet. Der beste Weg, ein Geheimnis zu bewahren, war es niemandem anzuvertrauen und da er Ron nicht vertrauen konnte, daran zu denken.. Er zog seinen Unsichtbarkeitsumhang über, bevor Ron sich von der Verwirrung erholte und wartete, bis sein Freund irritiert die Gasse verließ, vor sich hin murmelnd, dass er vergessen hatte, was er in der Winkelgasse wollte.

Erst als Dobby und Kreacher von ihren Aufgaben zurück kamen, beide eine federleichte Kiste vor sich her schweben lassend, zog er den Umhang wieder aus, um den Hauselfen zu danken. Kreacher hatte neben einem dicken Buch über Rowena Ravenclaw einige Bücher von Schatzsuchern gefunden, die sich unter anderem der Suche nach dem Diadem verschieben hatten und zwar alle erfolglos geblieben waren, aber vielleicht helfen würden, die Suche einzugrenzen. Wenn es Riddle als einzigem gelungen sein sollte, das Diadem zu finden, gäbe es schließlich keinen Grund für ihn, es an einen anderen Ort zu bringen - so zumindest hoffe Harry, denn ansonsten hätte er nichts, woran er sich entlang hangeln könnte und er fürchtete nichts mehr als das Gefühl von Hilflosigkeit, das mit Untätigkeit einher ging. Es schien Kreacher ein wenig unangenehm zu sein, wie viele Galleonen er für das Buch über Ravenclaw hatte bezahlen müssen, aber nachdem Harry ihm versichert hatte, dass er ihm nicht so viel Geld gegeben hätte, wenn er nicht gewollt hätte, dass es genutzt wird, beruhigte er sich wieder.
Dobby hingegen hatte große Mengen an Nahrungsmitteln in unterschiedlichen Zubereitungszuständen mitgebracht, die alle durch elfische Magie frisch gehalten wurden. Insbesondere erregten einige fertige, abgepackte Mahlzeiten Harrys Aufmerksamkeit, als sein Magen zu knurren begann. Er verabredete mit den Hauselfen, ihm einmal die Woche genug fertiges Essen zu liefern, dass er nur noch aufwärmen müsste. Dadurch konnten die beiden das Essen entsprechend vorbereiten und er konnte die Ausflüge in die Winkelgasse möglichst gering halten, da jeder von ihnen ein Sicherheitsrisiko war. Bis er wusste, wie er weiter vorgehen oder wo er suchen sollte, gab es keinen Grund, sein Versteck zu verlassen, ganz gleich wie feige es wirken mochte. Der Verlust von Hermine hatte ihm klar gemacht, dass es wichtigere Dinge gab. Sie mussten den Krieg gewinnen, das 'wie' war dabei vollkommen egal.

Noch wusste er nicht, dass ihn bald unerwartete Hilfe erwartete.

The Story of a Witch in Middle EarthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt