Kapitel 14

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Hermines Hoffnung und gleichzeitige Befürchtung, dass ihr schlechter Schlaf in den letzten Nächsten auf Thorins Abwesenheit zurückzuführen war, wurde in dieser Nacht bestätigt. Am nächsten Morgen war sie ausgeruht und zufrieden, denn sie hatte die ganze Nacht durchgeschlafen, obwohl Thorin irgendwann für seine Wachschicht geweckt worden sein musste. Den Schlaf hatte sie auch dringend nötig gehabt und wenn jede Nacht so angenehm werden würde, würde sie sich nicht beklagen. Sie konnte jede Hilfe für die kommende Etappe der Reise gebrauchen, denn die Überquerung des Nebelgebirges stelle sich als noch schwerer heraus, als sie befürchtet hatte. Aus ihr unerklärlichen Gründen bestanden die Zwerge darauf, dass der beste Weg über die Berge und nicht durch die Täler führte, die ihnen den Weg deutlich erleichtert hätte. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, wie viel anstrengender das Vorhaben wäre, hätte ihr Gepäck ein seinem Inhalt entsprechendes Gewicht, anstatt so unnatürlich leicht zu sein, wie es dank ihres Zaubers möglich war.
Wenn sie fragte, egal ob Thorin, Balin oder Bofur, mit dem sie begann sich zu unterhalten, warum sie nicht durch die Täler gingen, schüttelten diese nur die Köpfe und erklärten, sie würde es noch früh genug erkennen. Es hatte fast den Anschein, als wollten sie sie nicht beunruhigen, solange sie dem Talboden noch so nahe waren.

Am ersten Abend, den sie in einer viel zu engen und schlecht durchlüfteten Höhle verbringen mussten, konnte Hermine sich wieder mit ihren magischen Fähigkeiten bei den Zwergen beliebt machen, da ein normales Feuer sie unter den gegebenen Bedingungen in allzu kurzer Zeit ausgeräuchert hätte. Nur Gloin hatte wieder etwas zu meckern, da es immer eine seiner Aufgaben gewesen war, sich um das Feuer zu kümmern, und er sich durch die Leichtigkeit, mit der die Hexe unnatürliche, kein Holz verbrauchende Feuer entzündete, angegriffen fühlte. Die anderen Zwerge waren nur froh, dass sie nicht auf warme Mahlzeiten und die Hitze eines Feuers würden verzichten müssen. Je höher sie kämen, umso kälter würde es werden, was auch den Zwergen zu schaffen machen würde. Sie würden niemals zugeben, dass ihnen Kälte genauso unangenehm war wie den Elben und Menschen, doch da sie die Hitze von Schmiedeöfen und schweißtreibender Arbeit gewöhnt waren, war dies eigentlich kein Wunder.
Hermine war einfach froh, dass ihre seltsame Affinität zu jeglichen Feuerzaubern ihr wieder einmal zu gute kam - ein Incendio hätte ihnen nicht geholfen, es entzündete nur ein Feuer, welches sich nach dem Übergang auf ein brennbares Material wie jedes andere Feuer auch verhielt. Schon seit dem ersten Schuljahr hatte Hermine dieses Talent mit Feuerzaubern entwickelt, die ihr so leicht von der Hand gingen, dass Ron sie hin und wieder als Feuerhexe bezeichnete, obwohl Hermine nicht den normalen Kriterien einer Elementarhexe entsprach. Ihr war seltsam egal gewesen, woher ihre Verbindung zum Feuer kam - Feuer in Gläsern hatte sich im Winter als zu praktisch herausgestellt, um seinen Ursprung zu hinterfragen.
Noch jedoch reichte ihr die Wärme, die von Thorin ausging, in dessen Arme sie sich an diesem Abend vor Erschöpfung ohne zu zögern gekuschelt hatte. Es hatte ihn überrascht, da sie nur einen Tag zuvor noch so unsicher gewirkt hatte, aber er hatte nicht protestiert, als sie ohne weitere Aufforderung dicht an seine Seite rutschte und an seinem Arm zog, damit er ihn um sie schlang. Erst als er sie auf ihr Verhalten ansprechen wollte, wurde ihm der Grund dafür bewusst - sie war eingeschlafen, kaum dass sie die Augen geschlossen hatte, und hatte vor Müdigkeit keinen Gedanken mehr an eine mögliche Zurückweisung vergeudet.

Erst in der zweiten Nacht in den Bergen verstanden Hermine und Bilbo schließlich, weshalb sie so schnell wie möglich den Talboden hinter sich gelassen hatte. In dieser Nacht hatten sie keine Höhle gefunden, die sich als Lagerplatz eignete, und waren so lange weiter gelaufen, bis sie einen breiteren Felsvorsprung erreichten. Da das Risiko, im Schlaf hinunter zu fallen so groß und der Platz auch nur sehr begrenzt war, würde jeder nur zwei Drittel der Nacht schlafen können. Die wachen Mitglieder der Gesellschaft hatten die Verantwortung dafür, dass keiner der Schlafenden dem Abgrund zu nahe kam, indem sie eine Barrikade bildeten. Hermine gehörte mit Bilbo, Bofur, Balin und Thorin zu denen, die den ersten Teil der Nacht Wache halten würden. Dabei war es kein Zufall, dass sie in einer Gruppe mit den Zwergen war, mit denen sie sich am besten Verstand, sondern der Versuch eben dieser Zwerge, sie vor den Launen der anderen zu schützen - sei es vor dem nett gemeinten, aber unsensiblen Necken Filis und Kilis, den anrüchigen Bemerkungen Noris, der sich zu lange in niederer Gesellschaft befunden hatte, oder einfach nur vor Gloins schlechter Laune.

Die Sonne war gerade erst hinter dem Horizont verschwunden, als Bofur sie anstieß. "Das ist der Grund, weshalb wir hier oben sind." Er deutete in die Dunkelheit des Abgrundes und als Hermines Blick seinem Fingerzeig folgte, musste sie sich sehr anstrengen, um überhaupt etwas zu erkennen. Sie konnte nicht sagen, was es war, das dort unten war, aber irgendetwas war da, denn die Dunkelheit schien sich zu bewegen.

"Goblin", war Thorins abfällige Erklärung. "Degenerierte Orks, schwächer, dümmer, aber durch ihre bloße Zahl nicht weniger gefährlich. Sobald die Sonne untergeht, kommen sie aus ihren Löchern gekrochen auf der Suche nach unachtsamen Reisenden." Warum sich diese Unterscheidung in der Bezeichnung der Kreaturen durchgesetzt hatte, wusste Thorin nicht - für ihn war es einerlei, Goblin, Ork, er hasste sie inbrünstig und wenn er die Gelegenheit hatte, einen von ihnen zu töten, würde er es mit Freude tun.

"Und hier oben soll es sicherer sein?" Hermine konnte sich nicht vorstellen, warum die Goblins nicht auch die Berghänge absuchen sollten und warum die Zwerge sich noch immer nicht auf ihre Schutzzauber verlassen wollten. Entweder, sie erfüllten ihren Zweck, dann wäre es egal, ob sie hier oben oder dort unten waren, oder sie taten es nicht, und dann waren sie hier auch nicht besonders gut geschützt.

Diesmal war es Balin, der ihr antwortete. "Es gibt keinen Grund für sie, den Weg nach oben einzuschlagen. Die leichtesten Opfer finden sie am Fuß der Berge oder in den Tälern. Solange wir nicht direkt vor einem ihrer Löcher lagern, sollten wir daher so sicher sein, wie es im Nebelgebirge nur möglich ist."

Das beruhigte zwar weder Hermine noch Bilbo, aber im Gegensatz zu den Zwergen war der Hobbit bereit, Hermines magischen Kräften zu vertrauen - mehr jedenfalls als er den Zwergen vertraute, während eines Angriffs darauf zu achten, ob er unbeschadet entkommen sollte. Dadurch etwas beruhigt ließen sie sich von Bofurs Geschichten die Zeit vertreiben und mussten nur einmal Kili wecken, der in einem scheinbar aufregenden Traum immer näher an den Abgrund heran kullerte.

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So zog sich die Reise hin und Hermines und Thorins Beziehung stagnierte aufgrund des engen Raums, der ihnen noch weniger Privatsphäre als ein normales Lager gönnte. Zumindest war das, was Hermine sich einzureden begann, die sich des Nachts immer häufiger dabei ertappte, sich nach mehr zu sehnen als dem Kuss in ihr Haar, mit dem Thorin sich begnügte, wenn er sie in seinen Armen hielt. Außerdem würde sie gerne mit ihm reden, über sie beide, darüber, dass sie nicht sicher war, ob diese unklare Situation wirklich etwas war, das sie noch länger würde ertragen können.
Wenn sie dachte, dass er schon schlief, begann sie zärtlich über sein Gesicht zu streichen und sich die Konturen einzuprägen, strich mit einem Lächeln, das sie selbst nicht verstehen konnte über seinen Bart und musste mit den Tränen kämpfen. Sie war in ihn verliebt, anders war das, was sie in diesen Momenten empfand, nicht zu erklären, und sie hatte Angst vor dem Zeitpunkt, an dem ihr Herz zerbrechen würde.

Entgegen ihrer Annahme war Thorin aber sehr wohl noch wach und gab es nur nicht zu erkennen, da er erkannte, dass es sie verschrecken würde. Hätte sie den Mut, ihn auch im wachen Zustand derart zu berühren, würde sie schließlich nicht warten, bis er seine Augen geschlossen waren und sein Atem ruhiger war. Bei ihrer ersten Berührung hatte er fast die Augen aufgerissen und konnte nicht verhindern, dass er sich ruckartig bewegte, was Hermine innehalten ließ. Aber als er weiterhin ruhig blieb und den Anschein des Schlafs wahrte, setzte sie ihre Liebkosungen fort. Es war ein schönes Gefühl, das ihm Ruhe und Frieden brachte, zumindest so lange, bis Hermine still zu weinen begann. Er erkannte es nur an dem Zittern ihres Körpers und dem ruckartigem Luftholen, da sie sich größte Mühe gab, niemanden von ihren Gefühlen wissen zu lassen.
Wann immer dies geschah, zog er sie fester an sich, hoffend, dass sie es für eine unbewusste Reaktion halten würde.

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Erst als sie die Hälfte der Strecke über den Berg hinter sich gebracht hatten, wurde der alltägliche Trott durchbrochen, wobei ihnen alles lieber gewesen wäre als das Unwetter, das über sie hereinbrach. Innerhalb weniger Sekunden waren sie vollkommen durchnässt - es ging so schnell, dass Hermine ihren Zauberstab schulterzuckend wieder weg steckte, mit dem sie gerade wasserabweisende Zauber hatte sprechen wollen. Es war zu spät und die Kleidung zu trocknen und anschließend wasserabweisend zu machen würden voraussetzen, dass der Regen sie nicht sofort erneut durchnässt. Da sie also sowieso nichts daran ändern konnte, beschloss Hermine, den Zwergen lieber nichts von diesem speziellen Zauber zu verraten, andernfalls würde es nur wieder einer von ihnen zum Anlass nehmen, über sie zu meckern und ihr vorwerfen, absichtlich so lange gewartet zu haben. Das war natürlich Unsinn, denn Hermine war genauso durchnässt wie die Zwerge und wünschte sie, Thorin würde sie eine Rast machen lassen, sodass sie ein Feuer entzünden und sich aufwärmen könnten. Stattdessen gingen sie weiter, selbst als sich ein Gewitter zu dem Regen gesellte, das der Lautstärke des Donners nach direkt über ihnen sein musste.

Balin war der erste, dem auffiel, dass nicht alle Donnerschläge einem Blitz folgten und als er die Ursache dafür erkannte, machte er die Gruppe darauf aufmerksam. "Das ist nicht nur ein Gewitter, es sind Steinriesen!" Die Zwerge warfen einander beunruhigte Blicke zu und als Hermine um die nächste Biegung ging erkannte sie auch den Grund dafür. Neben diesen Wesen waren die Riesen ihrer Welt klein und Hagrid als Halbriese war winzig im Vergleich zu ihnen. Sie waren so groß wie die Berge, aus denen sich immer weitere Riesen lösten und begannen, sich regelrecht gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Es schien ihnen jedoch nichts auszumachen, wenn Teile von ihnen absplitterten und Hermine hatte nicht vor, lange genug zu bleiben um herauszufinden, wie sie am Ende ihres Kampfes aussahen. Die Riesen bemerkten sie nicht einmal und sie mussten dringend hier weg, denn wer sagte ihnen-

Noch während sie es dachte, begann der Boden unter ihren Füßen zu beben. In ihrer Panik klammerte sie sich an den Felsen und verpasste die Chance in Sicherheit zu springen. Stattdessen fand sie sich mit einigen der anderen Zwerge auf dem wieder, was das Knie eines Steinriesen zu sein schien. Die Zwerge, die noch auf dem sicheren Felsvorsprung standen, schrien ebenso laut wie die ihre Leidensgenossen. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als sich fest zu halten und auf eine Gelegenheit zu warten, festen Boden zu erreichen, doch das erste Mal, dass der Riese sich wieder in Richtung des Berges bewegte, wäre beinahe auch ihr Ende gewesen. "Reducto!" Gerade rechtzeitig sprengte Hermine ein Loch in die Felswand, in welchem sie sicher waren, anstatt an dem Felsen zerquetscht zu werden. Zitternd blieben sie alle für einen Moment liegen und keiner schämte sich, in dieser Situation Schwäche zu zeigen.
Erst als sie die verzweifelten Rufe der anderen Zwerge hörten, rappelten sie sich auf und gaben zu erkennen, dass sie den unfreiwilligen Ausflug unbeschadet überstanden hatten. Hastig vereinte sich die Gruppe wieder und feierte mit zwergisch rauen Umarmungen ihr Glück. Dabei vergaßen sie jedoch, dass der Felsvorsprung, der sowieso nicht allzu breit war, durch den Regen rutschig war und es bedurfte nur einer unbedachten Handbewegung, um Bilbo taumeln und schreiend vom Weg fallen zu lassen.

Als Thorin sah, wie Bilbo stürzte, dachte er nicht lange nach. Er hatte Gandalf gesagt, er könne nicht für die Sicherheit des Hobbits garantieren, aber während er Hermine auch nichts dergleichen versprochen hatte, sondern sie diese Aufgabe auf sich nehmen wollte, könnte er ihr gegenüber nicht rechtfertigen, Bilbo einfach sterben zu lassen. Er schwang sich von der Felskante herab und schob den verängstigten Hobbit in die Höhe, wo er sofort von Händen ergriffen und in Sicherheit gezogen wurde. Dann jedoch bereute er seine leichtsinnige Tat, als seine Hand abrutschte und er nur durch Dwalins rechtzeitiges Eingreifen selbst vor dem Sturz bewahrt wurde. Dwalin musste aber seine ganze Kraft aufwänden, um Thorin zu halten, ohne selbst nach unten gezogen zu werden, und konnte ihn nicht rauf ziehen und die Arme der anderen Zwerge waren zu kurz, um ihm dabei zu helfen.

"Thorin! Dwalin, halt ihn fest! Lass ihn unter keinen Umständen los!", erklang Hermines Stimme als Kreischen über dem Wind. Vorsichtig kroch sie an die Kante heran und sah in die Tiefe. Beim Anblick der Schlucht wurde ihr schwindelig, aber der Anflug von Angst in Thorins Gesicht, als er sich einem so jämmerlichen Tod gegenüber sah, und die Entschlossenheit in seinen Augen, sich nicht aufhalten zu lassen, wirkten wie ein Eimer Eiswasser auf sie. "Wingardium Levios", murmelte sie und der farblose traf Thorin zielsicher. Zu ihrem Glück hörte Dwalin auf sie und ließ Thorin nicht los, sobald er zu schweben begann, was Hermine dabei half, ihn trotz des Sturms und des ungewohnt schweren Ziels des Zaubers zu stabilisieren und sicher auf dem Felsweg abzusetzen. Sofort waren Fili, Kili und Balin bei ihm, um sich von seinem Wohlergehen zu überzeugen, während Dwalin sich von Bombur aufhelfen ließ und Bofur Hermine so kräftig auf die Schulter klopfte, dass sie in die Knie ging.

"Gute Reaktion, Mädchen. Das hätte böse ausgehen können." Sie beide wussten, dass seine Worte überflüssig waren, da die Gefahr offensichtlich war, aber das Leuchten in seinen Augen und das im Gegensatz zu seinem üblichen fröhlichen Ausdruck krampfhafte Lächeln machten deutlich, was er eigentlich sagen wollte: "Danke".

"Ich könnte ihn nicht sterben lassen. Selbst als er mich am liebsten gefesselt ausgesetzt hätte, hätte ich nicht zugelassen, dass er oder einer von euch stirbt, wenn ich es irgendwie verhindern kann." Auch die anderen Zwerge waren Hermine sichtlich dankbar und machten es auf unterschiedliche Weise deutlich, als sie an ihr vorbei in die Höhle gingen, die Thorin spontan als ihren Rastplatz auserkoren hatte. Kili und Fili umarmten sie stürmisch, Bifur versuchte ihr irgendetwas auf Khuzdul zu sagen, doch da niemand für ihn übersetzte berührte er schließlich auf kindliche Weise ihre Wange. Balin lächelte sie mit seinem verschmitzten, wissenden Ausdruck an und sie konnte gerade eben Dwalin ausweichen, der ihr ebenfalls mit einem Schlag auf die Schulter danken wollte. Dies nahmen sich die anderen Zwerge zum Vorbild und beließen es bei einem dankenden Nicken, da sie einsahen, dass es ein schlechter Dank wäre, die Heldin des Tages zu Boden zu werfen. Gloin hingegen mied ihren Blick, er wollte ihre Hilfe nicht anerkennen, sodass er beschloss, es zu ignorieren.
Thorin war der letzte, der an Hermine vorbei ging und sein Blick war undeutbar.

Sie versiegelte den Höhleneingang, um zu verhindern, dass Teile der Steinriesen hinein geschleudert wurden, ehe sie den Zwergen schnellen Schrittes folgte. Die lauten Stimmen waren kein gutes Zeichen und als sie Thorin "Ruhe!" riefen hörte und wieder seinen Blick vor Augen sah, ahnte sie nichts gutes. Sie sollte Recht behalten.
Die Zwerge hatten sich um Bilbo versammelt und sahen zu, wie er vor dem wütenden Zwergenprinzen in sich zusammen sackte. Einige schienen sogar Mitleid mit ihm zu haben, aber sprach auch nur ein Wort zu seiner Verteidigung.

"Du! Du hättest niemals deine Höhle verlassen dürfen! Keinen Tag würdest du in der Wildnis überleben und bringst damit uns alle in Gefahr. Aber das ist dir wahrscheinlich egal. Für dich ist es wirklich nur ein Abenteuer, ohne Konsequenzen. Und wenn einer von uns deinetwegen verletzt werden sollte, was kümmert es dich! Wenn du noch einmal in Gefahr gerätst, wird dir keiner von uns helfen - Hermine ist die einzige, die um dein Wohlergehen besorgt ist." Mit jedem Wort war Thorin leiser geworden, aber in der angespannten Stille hätte er Bilbo genauso gut anschreien können - es hätte für den Hobbit kaum einen Unterschied gemacht. "Wirst du auch ihr Leben so leichtfertig riskieren?" Damit wandte Thorin sich ab, er hatte erreicht was er wollte: Bilbos Augen waren weit aufgerissen und er sackte langsam in sich zusammen. Thorin hatte Recht.

Er gehörte nicht hier her und er hatte es gewusst. Er hatte doch gar nicht gehen wollen, hatte Gandalf gesagt, dass er nicht bereit war. Aber das Lied der Zwerge hatte ihn berührt und Gandalf hatte ihm gesagt, dass er ihnen helfen könnte, und er hatte erwartet, dass der Zauberer immer bei ihnen wäre und dafür sorgen würde, dass ihnen nichts geschah. Dann war Hermine aufgetaucht und hatte ihm Mut gemacht, zusammen hatten sie begonnen mit ihren Waffen zu üben und er dachte, damit würde alles besser werden. Aber im Gegensatz zu ihr hatte er keine magischen Fähigkeiten, die ihm das Leben retten würden, wenn das bisschen Training nicht ausreichen würde. Er wollte nicht, dass ihr etwas zustieß, weil sie sich um ihn sorgte - er wollte doch auch nicht, dass es den Zwergen so ging, obwohl sie ihn so abfällig behandelten. Er wollte doch einfach nur helfen.

Bilbo bemerkte in seinem Elend nicht, wie der Kreis um ihn herum sich auflöste und die Zwerge den Vorbereitungen für die Nacht nachgingen. Er bemerkte auch nicht, wie Hermine sich neben ihn hockte und in ihre Arme zog, wie sie mit ihm sprach und versuchte, die Worte Thorins zu verscheuchen. Es gelang ihr, ihn tiefer in die Höhle zu führen, doch als er noch immer nur mechanisch reagierte, bereitete sie sein Lager vor und ließ ihn dort Platz nehmen. Solange er nicht auf sie reagierte, würde sie ihm nicht helfen können, daher würde sie ihm etwas Zeit geben und diese Zeit anderweitig nutzen.
Als sie ihren Blick hob und aus ihrer hockenden Position aufstand, wichen die Zwerge instinktiv zurück. Keiner wollte ihr im Weg stehen, denn sie alle konnten die aufgestaute Wut nicht nur in ihren Augen, sondern sogar in der sie umgebenden Luft sehen. Es wurde nicht dunkel und bedrohlich, wie es bei Gandalf der Fall war, als er sie überzeugen wollte, Bilbo mit zu nehmen, sondern ein leises Knistern, als würden Blitze aus ihr hervorspringen. Und ihr Ziel war offensichtlich. "Thorin!" Ihre unbändige Wut überrumpelte ihn, so dass sie in der Lage war ihn in eine Ecke der Höhle zu werden, so weit weg wie möglich von den anderen Zwergen. "Muffliato", zischte sie und kam bei dem dazugehörigen Wutschen mit dem Zauberstab Thorins Gesicht bedrohlich nahe, was ihn aus seiner Starre erweckte.

Er entschied, dass es keinen Sinn hätte, mit ihr zu reden, und wollte sie einfach aus dem Weg schieben, da ihm der Sinn nicht nach einer Diskussion mit der Hexe stand. Sie hatte keine Ahnung und ganz besonders auch kein Recht dazu, auf diese Weise mit ihm umzuspringen. Aber Hermine hatte genug.

Sie ließ ihn nicht einfach gehen, sondern streckte ihm den Zauberstab entgegen. "Bleib. Ich will das nicht tun, denn es wäre mir lieber, wenn du mich nicht hinterher aus verletztem Stolz umbringst, aber ich kann dich dazu zwingen, zu bleiben und mir zu zu hören." Das hätte auch den Nachteil, dass es eine sehr einseitige Unterhaltung werden würde, da jegliche die Bewegung verhindernden Zauberer auch das Sprechen unmöglich machten, aber vielleicht wäre das gar nicht so schlecht. "Und übrigens, die anderen können uns nicht verstehen", warf sie noch ein, in der Hoffnung, dass es ihn geneigter machen würde, sich darauf einzulassen.

Thorins Miene erstarrte, aber er nickte. Sein Stolz kämpfte mit aller Macht darum, das ahnungslose kleine Mädchen einfach stehen zu lassen, aber sein Verstand sagte ihm, dass sie ihre Worte wahr machen würde. Während er über die Art, wie sie gerade mit ihm umging, noch hinweg sehen konnte, da er sie tatsächlich mochte, würde ein Angriff das nicht zulassen. Selbst wenn es von den anderen unbemerkt bleiben sollte, würde er vor sich selbst das Gesicht verlieren, und das könnte er ihr nicht verzeihen. Er wollte nicht, dass es so weit kam. Er wollte ihnen die Möglichkeit lassen, herauszufinden, wohin ihre Gefühle sie führen würden. Also ergab er sich seinem Schicksal und sorgte damit dafür, dass zumindest ein Teil von Hermines Wut verpuffte. Es blieb dennoch eine beängstigende Menge übrig und Harry und Ron hätten Thorin vor dem warnen können, was nun auf ihn zu kam, denn sie kannten Hermines Standpauken nur zu gut.

"Wie kannst du es eigentlich wagen, so mit..", sie wollte sagen 'einem Menschen' bemerkte ihren Fehler aber noch rechtzeitig. "Mit einer anderen Person zu reden? Niemand erwartet von dir, dass du sein bester Freund wirst, aber dir scheint es sogar am grundlegendsten Respekt vor den Gefühlen anderer zu mangeln. Ein toller König wirst du sein - solange dir jeder nützlich ist. Ja, Bilbo hat Angst. Ich hätte auch Angst, wenn mein Blickwinkel sich in sechs Jahren nicht vollkommen verschoben hätte." Sie verstummte und trat einen Schritt zurück, da sie Thorin bei ihrer Rede immer näher gekommen war. "Aber Gandalf hat gesagt, ihr würdet ihn brauchen, er könnte euch helfen. Darauf hat er vertraut: Dass er nützlich sein würde. Dass er auf dem Weg zum Berg eine Bürde sein würde, darüber hat er nicht einmal nachgedacht, warum denn auch. Gandalf wollte, dass er mit kommt, Gandalf sollte darauf achten, dass ihm nichts geschieht. Aber immer wenn etwas vorfällt, ist Gandalf nicht da, also habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, auf ihn aufzupassen. Du hättest ihm nicht hinterher springen müssen, ich hätte ihn genauso zurück holen können, wie ich es mit dir getan hab. Also gib ihm nicht die Schuld dafür, dass du es bereust, dein Leben für ihn aufs Spiel gesetzt zu haben." Sie bebte am ganzen Körper, hatte sich mit jedem Wort erneut in Rage geredet und wartete jetzt mit herausforderndem Blick auf hohle Versprechen, inhaltslose Erklärungen oder verdrehte Rechtfertigungen.

Was stattdessen folgte war minutenlange Stille, in der Thorin versuchte, das erlebte zu verarbeiten. Er konnte sich nicht erinnern, dass irgendjemand gewagt hatte, so mit ihm zu reden. Die, die es versucht hatten, hatten sich schnell eines besseren belehren lassen. Statt etwas auf ihre Worte zu erwidern, zog er sie mit einem Ruck in seine Arme und küsste sie. Dieses Mal ließ sie es sich jedoch nicht gefallen und mit einem Seufzen gab er sie frei. So leicht entkam er ihr anscheinend nicht, auch wenn er zugeben musste, dass ihr Mut und ihr Temperament sein Interesse an ihr verstärkten. "Ich werde meine Meinung nicht ändern. Aber ich werde davon absehen, sie ihm mitzuteilen." Mehr Rücksicht würde er nicht auf die Gefühle des Hobbits nehmen, und das auch nur, um Hermine nicht völlig von sich zu stoßen. Ihm lag sehr daran, sie auch an diesem Abend in seinen Armen halten zu können.

Da Hermine erkannte, dass sie nicht mehr von ihm erwarten konnte, hob sie den Muffliato-Zauber auf und wandte sich wortlos ab, um sich eine Portion Abendessen zu sichern und dafür zu sorgen, dass auch Bilbo nicht würde hungern müssen, der sich noch immer nicht rührte.

Die anderen Zwerge taten so, als hätten sie nicht die ganze Zeit in ihre Richtung gestarrt und versucht herauszufinden, worüber sie geredet hatten und jeder, der Thorin danach fragte, erhielt nur die Aussage als Antwort, dass es sie nicht zu interessieren hatte. Selbst Kili und Fili hatten nicht mehr Glück, sondern strapazierten seine Nerven so weit, bis er nur mehr ein Knurren über die Lippen brachte, da er andernfalls Dinge gesagt hätte, die er bereut hätte. Daraufhin zog Balin die beiden zur Seite und erntete ein dankbares Nicken von Thorin, der den Rest des Abends tief in Gedanken versunken verbrachte.

In dieser Nacht war es der Zwergenprinz, der sein Lager neben dem der Hexe ausbreitete, da er bald erkennen musste, dass sie nicht zu ihm kommen würde - entweder er musste auf ihre Nähe verzichten oder ihr folgen, und ersteres kam überhaupt nicht in Frage. Es dauerte noch eine Weile, und er dachte schon, sie wäre eingeschlafen, ehe sie sich zu ihm umdrehte, vorsichtig seinen Arm anhob um darunter zu rutschen und sich an ihn kuschelte. Offenbar dachte sie ebenfalls, dass er schon schlief. Auch dieses Mal belehrte er sie keines Besseren und wurde dafür mit einem Kuss auf die Wange belohnt und geflüsterten Worten, die beinahe sein Herz zum Stillstand brachten: "Und trotzdem liebe ich dich."

The Story of a Witch in Middle EarthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt