Interlude 7

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Da Harrys Verbindung zu Voldemort mit der Vernichtung des Horkruxes gebrochen war, bestand für Snape das einzige Risiko darin, sich selbst zu verraten. Und weil das nichts neues, sondern eine altbekannte Gefahr war, hielt ihn nichts mehr davon ab, mit Hilfe von Phineas lange Nachrichten mit Harry auszutauschen, in denen sie Voldemorts Fall planten.
Ihre Beziehung hatte sich mit den Ereignissen in Gringotts stark verbessert, da Harry es zu schätzen wusste, dass endlich jemand bereit gewesen war, ihm Informationen zu geben, die wichtig für ihn waren. Snape auf der anderen Seite hielt Harrys Verhalten zwar für närrisch, da es ihn leicht hätte umbringen können, erkannte aber auch Harrys Willen und Bereitschaft an, alles für die Vernichtung Voldemorts zu tun was nötig war. Es half auch, dass Snape Harry über den Verbleib seiner Freunde informierte und ihm berichten ließ, wie Neville und Ginny sich gegen die Carrows zur Wehr setzten und dass Ron nicht in Hogwarts erschienen war, nachdem er Harry verlassen hatte, was sich jedoch nach den Weihnachtsferien ändern würde. Über Hermines Verbleib wusste Snape jedoch nichts.
Als Harry dies erfuhr, wusste er nicht, ob er erleichtert oder beunruhigt sein sollte. Die Gefangennahme Hermines wäre ein Erfolg für die Todesser gewesen, weshalb also sollten sie es geheim halten? War sie auf der Flucht getötet worden und die Todesser hatten sich ihrer entledigt, als ihnen klar wurde, dass Voldemort sie hätte lebend haben wollen, als Druckmittel für Harry? Oder war sie entkommen und hatte es geschafft, sich so gut zu verstecken, dass auch Dobby und Kreacher sie nicht finden konnten? Er wagte nicht, es zu hoffen, aber er wusste, dass er erst aufgeben würde, wenn die Todesser besiegt waren und er sie gefunden hatte oder ihre Leiche mit eigenen Augen sah.

Vorsichtig berührte er den Verband an seiner Stirn und zuckte sogleich zusammen. Die Wunde war noch immer schmerzhaft, aber er vermied es, einen Schmerzlinderungstrank zu trinken, wenn es nicht absolut nötig war - zum einen erinnerte ihn der Schmerz daran, was Dumbledore ihm verschwiegen hatte und wie wichtig es war, ehrlich zu denen zu sein, auf die man sich verlassen musste, und zum anderen wollte er die Tränke für Notfälle aufbewahren. Daran, dass Snape auf der richtigen Seite stand hatte er nun keine Zweifel mehr, da die Informationen, die er Harry gegeben hatte, sein Todesurteil unterzeichneten, sollte Voldemort jemals davon erfahren. Trotzdem war Harry überrascht, wie zivilisiert sie miteinander umgingen, auch wenn er nicht sicher war, ob es an ihnen lag, oder ob Phineas die Nachrichten zensierte, die er überbrachte. Letztendlich spielte es jedoch auch keine Rolle.

"Sag ihm, er soll mit der Grauen Dame, Helena Ravenclaw, reden und sie fragen, was sie über den Verbleib des Diadems weiß. Oder besser noch, er soll Luna damit beauftragen. Sie hat die besten Beziehungen zu allen nicht lebendigen Bewohnern Hogwarts', da sie vier Jahre ohne Freunde unter den Schülern verbracht hat. Und es würde mich nicht überraschen, wenn sie die ganze Zeit über wusste, dass wir uns in Snape geirrt haben, sie erkennt Dinge, die uns anderen verborgen bleiben." Harry brach ab, als er merkte, dass er vom Thema abkam. "Lass mich für einen Moment nachdenken", bat er das Porträt und gab damit zu erkennen, dass seine Nachricht noch nicht abgeschlossen sind. Das Diadem, Nagini und der Anhänger, der mit Hermine verschollen war. Falls Snapes Informationen stimmten und sie keine Gefangene war, war es gut möglich, dass sie in ihrem Versteck an der Vernichtung des Horkrux arbeitete oder sogar schon Erfolg hatte. Ihnen blieb nichts anderes übrig als zu hoffen. Die Schlange wiederum würde immer bei Voldemort sein, sie war also der letzte Horkrux, der zerstört werden musste. So dicht, wie sie dem Ziel waren, durften sie nicht das Risiko eingehen, zu versuchen die Schlange zu töten, bevor sie bereit waren, sich Voldemort selbst entgegenzustellen.
"Sollten sie durch Helena Informationen bekommen, die eine ausreichende Spur bieten, soll Snape entscheiden, ob er ihr selbst folgt oder mich benachrichtigt. Beides könnte gefährlich sein, daher soll er selbst entscheiden, was er für klüger hält. Falls es ihm gelingen sollte, das Diadem zu finden, soll er Kreacher rufen. Ich werde ihm sagen, dass er auf Snapes Ruf antworten soll. So lange, wie Kreacher den Anhänger bewacht hat, wird ein weiterer Horkrux hoffentlich keinen großen Einfluss über ihn erlangen können. Alles weitere besprechen wir danach."

Da die Carrows sich gerne bei \emph{ihrem guten Freund Direktor Snape} im Büro aufhielten, musste Phineas unterschiedlich lange warten, bis er Nachrichten übermitteln oder von Snape entgegennehmen konnte. Deshalb bemühte Harry sich stets, seine Nachrichten möglichst vollständig zu formulieren und alle Eventualitäten abzudecken, die ihm möglich erschienen. Je seltener sie sich absprechen mussten, desto schneller konnten sie handeln.

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Als Snape erfahren hatte, dass Hermine mit einem der Horkruxe verschwunden war, hatte er Panik verspürt. Wenn der dunkle Lord herausfand, dass Harry von den Horkruxen wusste, würde er mit Sicherheit neue erschaffen und sie noch besser verstecken, sodass es nahezu unmöglich werden würde, ihn jemals zu besiegen. Vorsichtig hatte er sich unter den Todessern umgehört, um herauszufinden, wem es beinahe gelungen war, Harry gefangen zu nehmen. Doch ohne jeglichen Erfolg wäre nicht einmal ein Todesser so wahnsinnig, zuzugeben dass er so nah an Harry herangekommen war und doch versagt hatte. Hatten sie hingegen Hermine gefangen genommen, war es zwar auch nicht das Ergebnis, das ihnen Voldemorts Gunst bringen würde, jedoch immerhin eines, dass ihnen seinen Zorn ersparen würde und ihrer Sache dienlich wäre. In den Augen Voldemorts war es Harrys größte Schwäche, dass er bereit war sein Leben zu riskieren, um andere zu retten.
Snape hatte zugeben müssen, dass er überrascht war zu hören, dass Harry nicht versucht hatte, selbst nach Hermine zu suchen. Der Grund dafür hatte ihn beeindruckt, auch wenn es die typische Gryffindor-Bereitschaft war, andere über sich selbst zu stellen, die er ihnen normalerweise vorwarf. Doch so weit zu gehen, Harry schwören zu lassen, sie nicht zu suchen, das hatte er der jungen Frau nicht zugetraut. Und sie blieb weiterhin verschollen, denn nachdem er Dumbledore getötet hatte, war er über alle Zweifel erhaben und wurde über alle wichtigen Vorkommnisse informiert. Wenn er nichts über ihren Verbleib wusste, dann war sie dem Dunklen Lord nicht übergeben worden.

Es dauerte einige Tage, ehe es Snape gelang, sowohl Longbottom als auch Lovegood unter dem Vorwand eines Vergehens in sein Büro zu beordern. Da er sich normalerweise bedeckt hielt und es den Carrows überließ, die Schüler zu terrorisieren, musste er vorsichtig sein, kein Misstrauen zu erregen. Letztendlich gelang es ihm, mithilfe der Gemälde ein Zusammentreffen im Flur zu inszenieren, bei dem beide Schüler zugegen waren.
"Longbottom, Lovegood!", zischte er, als er auf die beiden zustürmte. "Rumlungern in den Gängen ist untersagt. Da ihr zu viel freie Zeit zu haben scheint, werdet ihr in einer Stunde in meinem Büro erwartet. Kein Wunder, dass die Schule vor die Hunde geht, wenn Schüler selbst nach sechs Jahren nicht in der Lage sind, die einfachsten Regeln zu befolgen." Er wartete nicht ab, bis sie sich von ihrem Schrecken erholt hatten und unweigerlich protestieren würden, sondern eilte sofort weiter.
Die Carrows hatten darauf bestanden - und Voldemort hatte dem zugestimmt - dass alle Verabredungen von Professoren und Schülern, sei es zum Nachsitzen, Beratungsgesprächen oder ähnlichem, aufgezeichnet würden, sodass sie davon erfuhren. Das war auch der Grund, warum McGonagall, Pomfrey und Flitwick den Raum der Wünsche regelmäßig aufsuchten, um herauszufinden, ob ihre Hilfe benötigt wurde, anstatt sich von den Schülern darüber informieren zu lassen. Nur dadurch war es ihnen möglich, die Aufmerksamkeit der Carrows nicht zu erregen und das Geheimnis des Raums zu wahren. Snape hatte diese Möglichkeit nicht und suchte daher die Geschwister auf, um ihnen mitzuteilen, dass er kein Publikum wünschte, da es ihnen normalerweise eine Freude war, zu Strafarbeiten zu erscheinen und sie nach belieben zu erhöhen. Von ihm erwarteten sie natürlich, das dies nicht nötig wäre, aber das würde sie nicht davon abhalten, zusehen zu wollen. Da er ihnen jedoch allen Spaß überlassen hatte, konnte er sie überzeugen, dass er Longbottoms Strafe in Ruhe und ungestört genießen wollte. Trotzdem hielten die Carrows ihn länger auf als erwartet, sodass er gerade pünktlich sein Büro erreichte, nur um festzustellen, dass Longbottom und Lovegood schon da waren und sich mit Albus und Phineas unterhielten.

Als Neville und Luna kurz vor Ablauf der ihnen gegebenen Stunde den Gargoyle erreichten, der das Schulleiterbüro bewachte, sprang dieser sofort aus dem Weg und gab den Blick auf die Treppe frei, die sich in Gang setzte, sobald sie auf die unterste Stufe traten. Auch die Bürotür öffnete sich sofort für sie, woraufhin sie erstaunt zur Kenntnis nahmen, dass Snape nicht im Büro war, sondern dieses verlassen vor ihnen lag. Mit einem Blickwechsel einigten sie sich darauf, nicht einzutreten, um Snape nicht noch mehr zu verärgern. Doch dann erklang eine Stimme, die sie seit dem letzten Schuljahr nicht mehr gehört hatten.

"Kommt rein, Severus wird sicherlich bald eintreffen", forderte das Bildnis von Albus Dumbledore sie auf. Dass er seinen Mörder mit Vornamen und ohne negativen Tonfall nannte, überraschte die beiden Freunde genug, um den Worten folge zu leisten. Oder besser gesagt, sie überraschten Neville, während Luna vielmehr nachdenklich Dumbledore musterte, als könne sie ihm die Antwort auf die im Raum stehende Frage aus dem Gesicht ablesen.

"Professor Dumbledore? Sollten Sie nicht... ich meine, er hat Sie umgebracht!", platze es aus Neville heraus. Und so kam es, dass die beiden Gemälden den Schülern die Wahrheit sagten, unter dem Versprechen, sich von Snape mit einem Zauber belegen zu lassen, der es ihnen unmöglich machen würde, auch nur versehentlich darüber mit einem anderen zu reden. Die Carrows beherrschten Legilimentik nicht und sollte Voldemort nach Hogwarts kommen, würden sie gänzlich andere Probleme haben, sodass ihre Mitarbeit das Risiko wert war.
Neville wollte es zuerst nicht glauben, aber nachdem Luna ihn darauf hinwies, dass es viel mehr Sinn ergab als die andere Möglichkeit, nämlich dass Snape in der Lage gewesen war, Dumbledore hinters Licht zu führen und es dann auch noch geschafft hatte, dessen Porträt zu verhexen. Dem konnte Neville nichts entgegensetzen und er sank geistig erschöpft von dieser Erkenntnis auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch, von wo aus er zuhörte, was Harry von ihm und Luna erwartete.
Es war während der Beschreibung dessen, was mit Harrys Narbe geschehen war, und das Snape ihm vermutlich mal wieder das Leben gerettet hatte, dass eben jener das Büro betrat und auf sich aufmerksam machte.

"Guten Tag, Direktor. Es tut gut, endlich wieder die Wahrheit sehen zu können, nicht wahr, Neville?", begrüßte Luna Snape fröhlich. Neville musterte ihn erst eingehend, ehe er langsam nickte.

"Es scheint, als hätte ich keine andere Wahl, als es zu glauben", gab er zu.

Als sie das Büro eine Stunde später verlassen wollten, hielt Snape sie jedoch zurück. Es würde Misstrauen erregen, wenn sie unbeschadet den Raum verlassen würden, aber Snape hatte seit seinem Seitenwechsel daran gearbeitet, wie man die Auswirkungen des Crucio vortäuschen könnte, ohne das Opfer tatsächlich den Schmerzen auszusetzen. Die einzige Möglichkeit, die über jeden Zweifel erhaben war, war jedoch reichlich plump, was dem Slytherin in ihm widerstrebte. Durch die Kombination des Crucio mit eine Betäubungszauber, der normalerweise nur von Medimagiern genutzt wurde, war es möglich, den Körper den Strapazen auszusetzen, ohne dass die Schmerzen verspürt wurden, wodurch auch keine Gefahr für den Geisteszustand des Opfers bestand. Dadurch, dass der Körper während des Zaubers weiterhin unkontrolliert zuckte, trat auch das verräterische Zittern hinterher auf, sodass Neville und Luna weniger Minuten später mit wackeligen Beinen die Treppe hinunter und direkt in die Arme von Professor McGonagall stolperten. Es tat ihnen Leid, ihr nicht die Wahrheit sagen und damit eine schwere Last von ihr nehmen zu können, während sie unter ihrem mitleidigen Blick in den Krankenflügel geleitet wurden, wo sie so lange würden bleiben müssen, bis das Zittern sich gelegt hatte.

Sobald sie entlassen wurden, machten sie sich auf die Suche nach der Grauen Dame. Von ihr erfuhren sie auch, wer der Blutige Baron war und wie sie beide zu Tode gekommen waren, und erfuhren nach einigem hin und her, dessen Grund sich bald darauf als Scham herausstellte, dass es sich bei dem Diadem tatsächlich um einen Horkrux handelte. Helena Ravenclaw war für sein Verschwinden verantwortlich gewesen und hatte sich, Jahrhunderte später, von Tom Riddle überreden lassen, ihm das Versteck zu verraten. Als sie erfuhr, dass er dunkle Magie auf das Diadem anwenden wollte, war es längst zu spät und da sie nicht wusste, wie schrecklich seine Tat tatsächlich war, erzählte sie niemandem davon.
Die beiden beschlossen, dass Snape ihnen sowieso nicht bei der Suche würde helfen können, ohne Gefahr zu laufen, aufzufallen, machten sie sich allein auf die Suche nach einem Ort, an dem Voldemort das Diadem versteckt haben konnte - ein Ort, der der Grauen Dame zufolge irgendwo zwischen dem Schulleiterbüro und dem Ausgang liegen musste, da er das Diadem an dem Tag, als er sich als Professor für Verteidigung gegen die Dunklen Künste beworben hatte, mit sich geführt, aber das Schloss ohne es verlassen hatte. Viel mehr konnte der Geist ihnen aber auch nicht sagen, sodass sie Gang für Gang, Zimmer für Zimmer begannen, alle Möglichkeiten zu überprüfen.

The Story of a Witch in Middle EarthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt