Interlude 5

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Währenddessen, irgendwo in Schottland, weit abgelegen von der bekannten Zivilisation, lief ein schwarz gekleideter Mann in seinem Büro auf und ab. Die vielen Bilder an den Wänden sahen teils abgestoßen und teils mitleidig auf ihn herab, nachdem sie ebenso unfähig waren wie er, etwas an den Geschehnissen vor wenigen Minuten zu ändern. Anfangs hatten die ehemaligen Schulleiter den ganzen Tag damit verbracht ihn zu beschimpfen, wie er zulassen konnte, dass solche Dinge geschahen, sodass er kurz davor gewesen war, ein anderes Zimmer zu seinem Büro zu machen. Seine Unfähigkeit, die Bilder von ihren Plätzen zu entfernen stellte sich wenig später jedoch als Segen heraus, denn als das Portrait Dumbledores an seinem Platz erschien und die anderen Schulleiter zum Schweigen brachte, waren es die Carrows, die genauso machtlos waren, als sie versuchten, das Bild von der Wand zu reißen. Als Rache dafür und zum Hohn hatten sie daher beschlossen, besonders harte Strafen vor dem toten, und dadurch machtlosen, Erzfeind auszuüben. Dieser tat sein bestes, die anderen davon zu überzeugen, dass Severus Snape keine andere Wahl hatte, hatte aber nur mäßigen Erfolg.
Es war Phineas Niggelus, der mit der Situation am frustriertesten war. Sein zweites Gemälde befand sich noch immer in Harrys Besitz und es wäre ihm ein leichtes, für Zusammenarbeit inner- und außerhalb Hogwarts zu sorgen; Harry aber würde ihm bestimmt nicht glauben.


Das erste und seither beliebteste Opfer der Carrows war Longbottom gewesen, weil er einen jüngeren Schüler vor dem Crucio bewahren wollte, ihm folgte Ginny Weasley, als sieversuchte Malfoy zu verfluchen, der mit anderen Slytherins über Harrys Verbleib spekuliert hatte. Flucht und Tod waren ihre beliebtesten Vermutungen. Nach und nach schlossen sich diesem Widerstand die restlichen Mitglieder der DA an. Sie übernahmen Strafen jüngerer Schüler, sogar einiger Slytherins, die in den Raum der Wünsche gezogen waren, da sie in ihrem eigenen Gemeinschaftsraum nicht sicher waren. Sie waren allein aufgrund ihres Charakters nach Slytherin gekommen, nicht aufgrund von eigener Bosheit oder Verbindungen zu Voldemort, und diese Charaktereigenschaften waren das einzige, was ihnen ermöglichte trotzdem den Unterricht zu besuchen, ohne sofort im Krankenflügel zu landen.
Die Carrows wussten nicht vom Raum der Wünsche, Filch hatte aus seiner Lektion bereits mit Umbridge gelernt und ihnen nichts verraten, und die Carrows, die auf ihn herabblickten, versuchten nicht einmal, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Auch Draco hatte ihnen nicht von dem Raum erzählt, auch wenn die DA sich nicht erklären konnte warum. Keiner wusste, dass Draco einen Schwur geleistet hatte; er würde alles tun, um sich nicht selbst in Gefahr zu bringen oder auch nur aufzufallen, aber er würde auch keine anderen Schüler an die Carrows ausliefern. Bisher war es ihm gelungen, die anderen Mitglieder des Inquisitionskommandos davon zu überzeugen, dass es gesünder für sie wäre, den Raum nicht zu verraten. Es war ihnen vor zwei Jahren nicht gelungen, den Raum zu betreten, und die Carrows bestimmt nicht erfreut wären, wenn es ihnen ebenso ginge oder sie gar annehmen müssten, dass der Raum nur eine Lüge war. Keiner wollte den Zorn der Carrows auf sich ziehen.

Die Widerstandskämpfer, wie sie von den anderen Schülern inzwischen genannt wurden, waren vorsichtig wenn sie den Raum der Wünsche betraten, und hin und wieder kamen sogar einige Professoren oder Madame Pomfrey vorbei, um Verletzungen zu heilen oder Flüche aufzuheben. Es gefiel ihnen nicht, was die Carrows taten, aber sie hatten sich damit arrangiert, dass es nur noch schlimmer werden würde, wenn weitere Lehrposten frei würden und von Todesser besetzt würden. Die Schüler hingegen nahmen sich Neville und Ginny zum Vorbild, die trotz der dunklen Flüche, mit denen sie fast regelmäßig belegt wurden, gar nicht daran dachten, Hogwarts zu verlassen.
Und niemand außer den Gemälden sah, wie der Schulleiter mehr und mehr zerbrach. Er war nie ein netter Lehrer gewesen, aber die Sicherheit und physische Unversehrtheit der Schüler lag ihm dennoch am Herzen, und die Mitverantwortung für ihr Elend lastete schwer auf ihm.

An diesem Tag aber war es zu viel gewesen. Er hatte ein Gespräch zwischen Neville, Ginny und Luna belauscht und erfahren, dass Ron Harry zwischenzeitlich verlassen und bei seiner Rückkehr entdeckt hatte, dass Hermine verschwunden war. Daraufhin war Ron wieder nach Hause zurückgekehrt und war anscheinend klug genug, sich nicht an Harrys Aufenthaltsort erinnern zu können - oder Harry selbst hatte ohne das Einverständnis seines Freundes dafür gesorgt. Aber was auch immer geschehen war, die Tatsache blieb bestehen, dass Harry allein war.
Snape glaubte, Harry gut genug zu kennen, um zu wissen, dass er allein verloren war. Es war nicht einmal, dass er ihn für dumm hielt, auch wenn er das niemals zugeben würde, sondern war sich vielmehr der emotionale Unterstützung, die Harry benötigte, bewusst. In dieser Hinsicht ähnelten die Gryffindors den Hufflepuffs sehr. Er fasste einen Entschluss, einen gefährlichen, wahnsinnigen Entschluss, der sie alle umbringen könnte, würde sein Plan misslingen. Aber er würde nicht ewig so weiter machen können und Harry musste die ganze Wahrheit erfahren, wenn er Voldemort besiegen wollte.

The Story of a Witch in Middle EarthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt